Denn wie „weltoffen“ ist eine Universität, die offensichtlich in Kauf nimmt, dass ausländische Studierende aus Nicht-EU-Ländern, deren Aufenthaltserlaubnis oft an ihre fortgesetzte Immatrikulation gebunden ist, von Abschiebung bedroht werden, sobald sie sich eine Zahlung der Gebühren nicht mehr leisten können?
Kalter Ästhetizismus statt soziale Verantwortung
In Zeiten zunehmender ökonomischer Präkarisierung immer größerer Teile der Bevölkerung jedenfalls erscheint es zynisch, einen Großteil der auf ein Gesamtkostenvolumen von 1,2 Milliarden Euro taxierten Campussanierung für das gläserne Prestigeprojekt der Magistralenumgestaltung aufzuwenden. Zur skizzenhaften Untermauerung des millionenschweren gläsernen Entwurfs der Molestina GmbH bedient man sich eines allzeit beliebten Vabanquespiels: Die Diskussion wird ausschließlich in ästhetischen Kategorien geführt, so dass Fragen von sozialer Relevanz vollständig ausgeblendet werden. Angereichert wird das Ganze mit sprachlichen Ungenauigkeiten, die nicht zuletzt auf eine mangelnde Auseinandersetzung mit den bestehenden RUB-Institutionen schließen lassen. So sei die an sich „klare Struktur der Querforen Ost und West“ vom zentralen Forum aus „heute nicht wahrnehmbar“ – „insbesondere die [sic!] HZO blockiert die Verbindung nach Osten“. Zudem soll künftig die gesamte Magistrale vom Glasturm bis zum Audimax jene neue schiefe Ebene durchziehen, an der „zukünftig alle wichtigen Gebäude wie der [sic!] RUB-Center, der Eingang zum Neue Bibliothek (BSK) [sic!], die Mensa, das Audimax, der Kindergarten und das neue Hörsaalzentrum (HC)“ liegen sollen. Der Erläuterungsbericht der Wettbewerbsgewinner strotzt nicht nur vor peinlichen Fehlern, sondern lässt auch auf sachliche Mängel schließen. So wird etwa dem Umgang mit Kunst am Bau – beispielsweise dem Erich-Reusch-Brunnen zwischen Unibibliothek und Audimax – keine Zeile gewidmet. Auf den öffentlich einsehbaren Planskizzen jedenfalls fehlt er gänzlich. Auch Aspekten des Denkmalschutzes wird lediglich in Sachen Audimax- und UB-Umbau Rechnung getragen – beim Musischen Zentrum bleibt ein eventueller denkmalschützerischer Wert des Gebäudes, den dieses aufgrund seines einmaligen Charakters zweifellos besitzt, jedoch vollends ausgespart.
Triumph des postmodernen Zynismus
Überschwänglich heißt es im Erläuterungsbericht der Molestina-Architekten: „Ein grandioser Ausblick in die freie Landschaft schafft Atmosphäre, dynamische Baumreihen aus Säulenhainbuchen rhythmisieren den Raum.“ Die Konzeption einer solch anmutigen Allee dürfte auf das angemessene Ambiente für eine exzellente Zukunft der Ruhr-Universität einstimmen… Wenn bei der Verwirklichung des Entwurfs jedoch ähnlich kluge Geister am Werk sein werden wie beim Abfassen des Molestina-Berichts, dann dürfen die kommenden Studi-Generationen wahrlich gespannt sein, ob hier mit öffentlichen Geldern genauso kreativ umgegangen wird wie beim U-Bahn-Bau in Köln. Schließlich hält der bergmännisch ausgehöhlte Campus-Untergrund noch einige Überraschungen bereit, an denen fast schon die RUB-Erbauer des vergangenen Jahrhunderts gescheitert wären …
In der nächsten bsz-Ausgabe wird ein weiterer Redaktionskommentar zu diesem Thema zu lesen sein.
Weitere Infos zum Thema:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/aktuell/2010/03-magistrale
http://www.ruhr-uni-bochum.de/aktuell/2010/03-magistrale/erlaeuterungsbericht.pdf
WAZ-Bericht vom 25.03.2010
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