Bild:

Schlecht geplant ist halb vergeigt

Karikatur: Michael Holtschulte

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – auf diese Sprachregelung haben sich der Konzeptkünstler Jochen Gerz und die Stadt Bochum inzwischen verständigt. Vor einer Woche hatte Gerz noch öffentlichkeitswirksam die Zusammenarbeit mit der Stadt aufgekündigt. Jetzt erklären beide Seiten: Der „Platz des europäischen Versprechens“ soll doch irgendwann einmal fertig gestellt werden, pünktlich im Kulturhauptstadtjahr allerdings auf keinen Fall.

Die Affäre um das zentrale Bochumer Ruhr.2010-Projekt bleibt eine kommunale Peinlichkeit. Nicht, weil die Stadt sich in Zeiten knapper Kassen weigert, noch einmal 1,6 Millionen Euro in den Platz vor der Christuskirche zu investieren – das wird von Vielen sogar als rationale Entscheidung angesehen, die sie sich in Bezug auf das Konzerthaus noch wünschen. Peinlich bleibt das Projekt, weil inzwischen klar ist: Auch ohne das kommunale 100-Millionen-Euro-Kürzungsprogramm wäre das Projekt mit dem eingeplanten Geld nicht zu realisieren gewesen.
An der Bürotür von Thomas Wessel klebt ein Aufkleber mit dem Logo „Ruhr.2010“. Der Pfarrer der Christuskirche ist einer der größten VerfechterInnen des Bochumer Bauprojekts zur Kulturhauptstadt: Vor seiner Kirche sollte ein Platz aus Basaltplatten mit den eingravierten Namen von 15.000 Menschen entstehen, die ihr persönliches Versprechen für ein friedliches Europa abgegeben haben. Der Platz wäre damit eine Antwort auf die „Helden-Gedenkhalle“ im Turm der Christuskirche geworden. Dort wurde im Jahr 1931 eine Liste der „Feindstaaten Deutschlands“ in Stein gemeißelt, die den Zweiten Weltkrieg geradezu prophetisch vorwegnahm. Die ehemalige „Helden-Gedenkhalle“ mit der gruseligen Liste ist inzwischen aufwändig restauriert und durch eine Glasfront für alle sichtbar gemacht worden. Auf das Gegenstück – den Platz mit den Namen der Lebenden – wird man in Bochum vergeblich warten.

Über Geld spricht man nicht, Geld hat man (nicht)

Insgesamt 1,6 Millionen Euro hat die Stadt bereits in das Prestigeprojekt investiert – mehr, als der Bochumer Rat ursprünglich für den gesamten Bau vorgesehen hatte. Trotzdem sind von den 20 bis 25 großen Basaltplatten bisher erst zwei vorhanden. Jede weitere würde etwa 150.000 Euro kosten. Insgesamt fehlt zur Fertigstellung des Platzes noch einmal die gleiche Summe, die bisher verbaut wurde. Deswegen entschied die Stadt, auf die weiteren Platten zu verzichten und den Platz stattdessen mit Splitt und Asphalt abzudecken – und zog damit den Zorn der für die Gestaltung des Platzes Verantwortlichen auf sich. Ausgerechnet auf die Platten mit den 15.000 Namen zu verzichten, das bedeute, aus dem Kunstvorhaben eine schnöde städtebauliche Angelegenheit zu machen, erklärten sinngemäß der Künster Jochen Gerz, der Architekt Gido Hülsmann, der Lichtdesigner Laurent Fachard und der Superintendent der evangelischen Kirche Fred Sobiech in einem gemeinsamen Brief an Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. Deswegen seien sie „nicht länger bereit, an einer städtischen Baumaßnahme mitzuwirken“.

Grandiose Fehlkalkulation

Der Streit um den „Platz des europäischen Versprechens“ ist damit auf einem weiteren Höhepunkt angelangt – neu sind die Auseinandersetzungen um das Projekt nicht. Schon zu Beginn der Arbeiten hatten sich lokale HandwerkerInnen darüber beschwert, dass die Stadt den Auftrag für die teuren Basaltplatten ohne eine öffentliche Ausschreibung vergeben hatte. Der WAZ-Kulturchef Werner Streletz kritisierte Jochen Gerz als „umtriebigen Ideenmanager“, der sich mit dem Millionenprojekt in Bochum geschickt eine „Langzeit-Arbeitsstelle“ geschaffen habe. Die lokalen PolitikerInnen mussten sich derweil vorwerfen lassen, dass sie den Auftrag für ein Mammut-Vorhaben erteilten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wieviel es insgesamt kosten würde.
Letzteres fällt jetzt mehr als deutlich auf die rot-grüne Ratskoalition zurück. Die jeweils 150.000 Euro teuren Basaltplatten sollten mit Hilfe von Sponsorengeldern finanziert werden, hieß es aus dem Rathaus. Eine grandiose Fehlkalkulation: Heute, drei Wochen vor Beginn des Kulturhauptstadt-Jahres, können die Verantwortlichen noch nicht einmal Spenden für eine einzige der über 20 fehlenden Steinplatten vorweisen. Damit ist der Platz des europäischen Versprechens für den Städtebau und die Kulturpolitik das, was die kurzfristig abgesagte Loveparade 2009 für das Veranstaltungsmanagement der Stadt war: Bochum scheitert einmal mehr an den eigenen Plänen.
An der Bürotür von Christuskirchen-Pfarrer Thomas Wessel klebt trotzdem noch ein Aufkleber mit dem Logo „Ruhr.2010“. Wer genauer hinsieht, dem fällt eine Ergänzung auf: Das zweite „r“ hat er mit einem „e“ überklebt.

 

0 comments

You must be logged in to post a comment.