Neulich wollte ich mit einem Kommilitonen zu einer gemeinsamen Veranstaltung gehen, als dieser mich bat, mit ihm einen Umweg über die Cafeteria im GB-Gebäude zu gehen. Da ich dachte, dass er sich noch eine Stärkung genehmigen wollte, willigte ich ein. Als wir uns jedoch dem Gebäude näherten, veränderte sich das Auftreten und die Körperhaltung meines Sozius. Gleich einem Hahn stolzierte er mit heraus gestreckter Brust und mir im Schlepptau durch die Eingangshalle und begann sogleich, jede der vorüber schreitenden Frauen mit seinen Blicken von oben bis unten zu mustern. Ich fragte ihn, was der Zweck dieses ganzen Schauspiels sei. Er antwortete mir, dass er den Umweg gehen wollte, um „geile Perlen abzuchecken“ – seine Freundin habe ihn vor Kurzem verlassen. Im Grunde ist dieses Szenario nur ein Beispiel für unterschwelligen Sexismus. Vielen Männern ist allerdings kaum bewusst, wie stark männliches Verhalten den Alltag von Frauen beeinträchtigt.
StudiVZ
„Ich bekomme jede Woche zwei bis drei Nachrichten über StudiVZ mit eindeutigem Inhalten und Angeboten für Sex. Dabei habe ich ein ganz normales Portraitfoto“, berichtet Sandra, die Maschinenbau studiert. Belästigung von Frauen ist ein bekanntes Problem im StudiVZ. So gab es eine Gruppe ausschließlich für Männer, in der die Mitglieder sich zum Ziel gesetzt hatten, Fotos der hübschesten Studentinnen zu sammeln und zu tauschen. Dabei bedienten sie sich eines Tricks, denn offiziell kann man die Bilder nicht herunterladen. Als Krönung der ganzen Sache veranstaltete diese Männergruppe eine monatliche Misswahl, wohlgemerkt alles ohne das Wissen der einzelnen Damen, die anschließend massiver virtueller Belästigung ausgesetzt waren. Auch Männer werden im StudiVZ angeschrieben, allerdings von gezielt inszenierten Profilen, welche Sex für Geld offerieren.
Skype Me
Eine andere Studentin erzählt, dass sie das Kommunikationsprogramm Skype nicht mehr nutze, weil sie in dem Chat-Programm bei jeder Aktivierung direkt von mehreren Männern angeschrieben wurde – ebenfalls mit deutlichen Absichten. Am Anfang hätte sie noch mit den Männern gechattet, sich sogar Bilder schicken lassen. Jedoch seien einige davon nicht wie angekündigt Portraitfotos, sondern Nacktbilder gewesen. Zwar kann man diese Profile direkt per Mausklick blocken. Damit ist den Übeltätern aber noch lange nicht das Handwerk gelegt und sie führen ihre Masche weiterhin unbehelligt fort. Solche Geschichten sind keineswegs neu, aber die Kommilitoninnen erklären, dass sie nach wie vor eher der Regelfall als die Ausnahme seien. Sie haben den Eindruck, dass die Belästigungen eher zunehmen, als dass die Betreiber dieser Onlinedienste wirkungsvolle Maßnahmen entwickeln, um sie zu unterbinden. Dem Bochumer AStA sind diese Probleme bekannt. Er hat sowohl dem unterschwelligen wie dem institutionellen Sexismus den Kampf angesagt. Vor kurzem veranstaltete das zuständige AStA-Referat einen Diskussionsabend mit Vortrag zu dem Thema „Sexismus der Gegenwart“. Weitere Veranstaltungen werden gegebenenfalls zum Wintersemester folgen. Der zuständige AStA-Referent Ingmar Wichert sagt: „Wir müssen die plurale Gesellschaft gegenüber den neu erstarkenden konservativen Rollenbildern und Klischees verteidigen.“ Bildungsveranstaltungen und gezielte Frauenförderung spielen dabei eine wichtige Rolle. Außerdem müsse ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die Belästigung von Frauen im virtuellen Raum die Lebensqualität der Betroffenen ebenso einschränkt wie der alltägliche Sexismus in der Cafeteria.
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