Wie erst kürzlich, aus Anlass des 20. Jahrestages des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens, wurden in den letzten Tagen wieder Internetforen von der chinesischen Regierung gesperrt. In der Provinz Xinjiang, dem Schauplatz des Konfliktes zwischen der muslimischen Minderheit der UigurInnen und den Han-ChinesInnen, sind Seiten wie YouTube oder Twitter für die Bevölkerung der Provinz nicht mehr zugänglich. Auf der Internetseite der Reporter ohne Grenzen berichtet der Generalsekretär des uigurischen P.E.N.-Zentrums, Kaiser Adurusul, dass alle führenden Medien vom Staat kontrolliert werden, und nur die unabhängigen privaten Nachrichtenquellen blockiert sind. Man habe im Moment keine Möglichkeit, Internetforen zu benutzen. Deshalb sei es schwierig, eingehende Informationen zu überprüfen. Aus diesem Grund ist es auch weiterhin unklar welche Seite für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich ist.
Was können wir wirklich wissen?
Die Meldungen aus China sind ein weiteres Beispiel für die gängige Praxis der Volksrepublik mit Nachrichtenmachern und deren Konsumenten umzugehen. Die Reporter ohne Grenzen setzten den chinesischen Präsidenten Hu Jintao auf Platz sechzehn der Liste der Feinde der Pressefreiheit. Bei den Aufständen vergangenes Jahr in Tibet war ausländischen JournalistInnen die Einreise nach Tibet verboten und die chinesischen Nachrichten sprachen nicht nur im offensichtlichen Sinne eine andere Sprache als BBC oder CNN. Wie momentan in Xinjiang weiß niemand genau wer nun wen zuerst angegriffen hat. Wir müssen uns auf die Bilder der YouTube-Videos und Amateuraufnahmen verlassen, die uns nur durch ihr quantitatives Erscheinen empirisch aufgestellte Wahrheiten übermitteln können. „Wenn die Bilder echt sind…“, kommentierte am Donnerstagabend ein Journalist in ZDF Heute das neueste Video aus dem Iran. Das Problem ist nicht, dass es diese Videos gibt und sie in Nachrichtensendungen Verwendung finden, sondern dass man eben meist nicht sagen kann, ob sie echt sind. In den Redaktionen und Nachrichtenagenturen gibt es zu wenig ExpertInnen für die jeweilig betroffene Region, die eine ausreichend redaktionelle Bewertung der Videos gewährleisten könnten. Die Handyvideos können eine Bereicherung für die Nachrichtensendungen und ihre Zuschauer sein, wenn es eben keine anderen Möglichkeiten der Recherche in Ländern gibt, wo staatliche Zensur die Arbeit professioneller JournalistInnen beeinträchtigt.
Glauben ist seliger denn Wissen
Statt sich in Italien am Rande des G8-Gipfels den Fragen internationaler Presse und Politik zu stellen, reiste der chinesische Präsident Hu zurück nach China. Dank mutiger und einsatzfreudiger AuslandskorrespondentInnen können wir erahnen was wirklich in China passiert. Durch das Bild, welches chinesische Medien über den Konflikt vermitteln, nämlich dass es ihn zwar gibt, aber nicht warum, wird deutlich, dass der/die normale MedienkonsumentIn in China glauben soll, der chinesische Staat und die sich nun bewaffnenden Han-ChinesInnen seien der unterdrückten uigurischen Minderheit gegenüber im Recht.
Welcome to YouTube Reporters‘ Center
Google, dem das Internetportal YouTube mittlerweile gehört, hat das journalistische Potential seines Einkaufs entdeckt und gründete jüngst das YouTube Reporters’ Center. Hier sollen BürgerInnen aller Nationen für die Online-Video-Berichterstattung von ProfijournalistInnen geschult werden. Hauptsächlich amerikanische JournalistInnen, darunter AutorInnen der Washington Post oder ReporterInnen von CBS veröffentlichen Lehrvideos auf YouTube, in denen sie den AmateurfilmerInnen erklären, wie man einen guten Film für das abendliche Nachrichtenprogramm und die googlesche Online-Plattform erstellt. So ist eine Konsequenz der Zensur die Förderung von Laien-FilmerInnen. Leider können wir nicht überprüfen, ob sich die chinesischen BürgerInnem diese Videos auch ansehen können. Wie wir wissen unterstellt sich Google in China freiwillig den vorherrschenden Regelungen.
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