Der viel umjubelte Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mousavi ist nicht die Opposition, die der Name suggeriert, denn er ist kein neuer Akteur auf der politischen Bühne des Irans: Unter dem damaligen Präsidenten Ali Chamenei trug Mousavi die Politik als Premierminister mit. Als sein Amt durch eine Verfassungsänderung 1989 abgeschafft wurde, verschwand der heute 67 Jährige aus der Politik.
Die eigentliche Opposition in der politischen Landschaft des Irans stellen dieser Tage allerdings Teile der Studentenschaft dar: Neben weiteren zivilen Demonstranten sind es die Studenten, die insbesondere auf Teherans Straßen das Wahlergebnis vom 12. Juni 2009, gemäß dem der amtierende Präsident Ahmadinedschad mit knapp 63 Prozent der Stimmen gewonnen haben soll, lauthals in Frage stellen und eine Neuauszählung der Stimmen beziehungsweise eine Wiederholung der Wahl fordern. Am vergangenen Wochenende hat der Wächterrat erklärt, dass es in mindestens 50 Städten mehr Stimmen gegeben habe als Wahlberechtigte registriert sind.
Mousavis Ideale = studentische Ideale?
Hohe Erwartungen werden an Mousavi getragen: zwar geht jeder rational denkende Mensch nicht davon aus, dass Mousavi eine 180 Grad Drehung herbei führen wird. Schließlich stellt er die islamische Republik als solche nicht infrage. Um die Stellung des Iran auf weltpolitischer Ebene zu stärken, würde er genauso wenig die nukleare Aufrüstung des Landes rückgängig machen wollen. Immerhin befindet er die Ungesetzlichkeiten der derzeitigen Regierung unter Ahmadinedschad als unzulässig und beklagt deren Missmanagement. Mousavi weiß um die militanten Reaktionen der jetzigen Regierung, die durch wahllose Schüsse in die Menge bereits mehrere Tote bei Demonstrationen gefordert haben. Um einer zunehmenden Eskalation entgegenzusteuern rief er aus diesem Anlass zu friedlichen Protesten auf.
Vielleicht fangen große Veränderungen ja mit solch kleinen Verbesserungen an.
Ist Mousavi damit ein berechtigter Hoffnungsträger der StudentInnen? Anscheinend gehen die Vorstellungen der Studentenschaft über die von Mousavi und seinen Anhängern hinaus: Ob der Großteil dieser nicht doch an einer breiteren Umstrukturierung der islamischen Republik interessiert ist? Maximal könnte Mousavi als Placebo für die iranischen Studenten wirken: er selber wird die gewünschten Veränderungen nicht herbeiführen. Allerdings scheint durch seine Kandidatur ein revolutionärer Effekt bei den StudentInnen und bei weiteren ZivilbürgerInnen entstanden zu sein.
Mund zu Mund
Propaganda als Ausweg…?
Man muss bedenken, dass die skrupellose Einschränkung, um nicht zu sagen, Nivellierung der Pressefreiheit nicht nur die Berichterstattung durch ausländische Journalisten unmöglich macht. Auch die inländische Kommunikation unterliegt staatlicher Repression: unter diesen Umständen kann nicht einmal an den Aufbau einer stabilen revolutionären Strömung gedacht werden. Als ehemaliger Chefredakteur sollte Mousavi zumindest in dieser Hinsicht eine Hoffnung sein.
Über die Wahlergebnisse lässt sich nur spekulieren: Ganz contraintuitiv scheint der angebliche Sieg Mousavi in Teheran, NICHT aber in den anderen iranischen Provinzen (ausgenommen einer weiteren) nicht zu sein. Ahmadinedschads Politikverständnis ist in vielen Köpfen eingebrannt und wird sicherlich nicht durch reine Mund zu Mund Propaganda gekippt werden.
P.S.: Sicherheit versus Freiheit
Die Generalisierung durch Teile des Westens gegenüber iranischen Studenten ist jedoch ebenfalls kritisch zu sehen: In den USA sowie in Großbritannien werden iranische Studenten einer gesonderten Sicherheitsüberprüfung unterzogen; die Niederlande will in Zukunft Lehrveranstaltungen, die sich auf Nuklear- und Raketentechnologie beziehen, für diese Studentengruppe sperren – Sondergenehmigungen behalten sie sich allerdings vor.
Foto: wikipedia
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