Bereits während der allgemeinen Debatte im Vorfeld der Abstimmung über die insgesamt sechs Anträge der studentischen Senatsfraktion schlugen die Wellen hoch: Bei der einleitenden Präsentation des umfassenden aktuellen Berichts zur Verwendung von Gebührenmitteln an der RUB zeigte sich Prof. Dr. Uta Willkens als kompromisslose Verfechterin der wirtschaftsliberalen Doktrin einer Förderung des Wettbewerbs durch Studiengebühren. Allen Ernstes versuchte sie den über 200 Studierenden, die sich innerhalb und außerhalb des für die breite Campusöffentlichkeit viel zu kleinen Senatssitzungssaals versammelten, weiszumachen, dass es für ihre Bildungsbiographie förderlich sei, an einer Uni mit möglichst maximalen Gebühren zu studieren.
Konstruierte Sachzwänge
So impliziere ein Studium in Münster, wo die „Maut“ von Anfang an nicht in der vollen Höhe erhoben wurde, beispielsweise einen angeblich auch für die individuelle Vita bedeutenden Prestigeverlust, da dort Finanzmittel fehlten, um die Uni auf den Weg der „Exzellenz“ zu bringen. Allzu offensichtlich war für die Anwesenden im Saal jedoch die künstliche Konstruktion derartiger „Sachzwänge“, so dass die Präsentation von zahlreichen Zwischenrufen unterbrochen wurde.
Frisierte Zahlen?
„Lüge“ witterte ein Zwischenrufer gar, als Frau Professor Wilkens behauptete, die Gebührenmittel seien bereits fest für laufende sowie künftige Projekte verplant, so dass für die beantragte Senkung überhaupt kein Spielraum mehr bestehe. „Das Rektorat betreibt offensichtlich eine Verschleierungstaktik“, so Michael Wolf vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA). „Die Veröffentlichung des Berichts über die Verwendung von Studiengebühren verlief äußerst dubios. Diverse Zahlen erwiesen sich nach Berechnungen des AStAs als nicht zutreffend. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass versucht wird, mit frisierten Zahlen die Ausgabe unnötiger Gebühren zu rechtfertigen.“ Hierfür wäre in den seit der letzten Senkungsdebatte im Juli 2008 verstrichenen neuneinhalb Monaten jedenfalls Zeit genug gewesen.
Zynischer Umgang mit existentiellen Belangen der Studierenden
Auch der vom Deutschen Hochschullehrerverband unlängst zum „Rektor des Jahres“ gewählte RUB-Rektor Elmar Weiler bekleckerte sich nicht gerade mit Ruhm, als er auf einen Appell an sein soziales Gewissen erwiderte, er komme aus einer Arbeiterfamilie und es habe ihm „nicht geschadet“, sich sein Studium ebenfalls zu erarbeiten. Für großen Unmut im Auditorium sorgte später insbesondere die seitens Prof. Dr. Axel Schölmerich von der professoralen Senatsfraktion in die Diskussion geworfene Behauptung, die Gebühren brächten „eine Umverteilung von oben nach unten“. Umso schärfere Kritik erntete die mit 18 Stimmen – darunter die kompletten 13 Voten der professoralen Fraktion – bei drei Enthaltungen lediglich gegen die vier studentischen Stimmen erfolgte Ablehnung des ersten der beiden Senkungsanträge auf 400 Euro: „Obwohl in Hessen die Studiengebühren abgeschafft wurden und selbst in NRW nicht überall in voller Höhe erhoben werden, hält die Ruhr-Uni an Studiengebühren fest. Dies ist nicht nur unsozial, sondern auch unvernünftig. Offensichtlich wurde diese Entscheidung nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus ideologischen Gründen getroffen“, empört sich Benjamin Bettinger vom AStA-Referat für Hochschulpolitik. Eine Abstimmung über den zweiten Senkungsantrag um (weitere) 55 Euro wurde dann vom Senatsvorsitzenden, Prof. Dr. Michael Pohl, mit dem Argument, beide Anträge bauten aufeinander auf, unterbunden.
Fachschaften vor den Kopf gestoßen
Die Ablehnung der Gebührensenkung war jedoch nicht der einzige Affront gegen die Studierenden: Bereits zuvor hatte der Senat mit ähnlich großer Mehrheit einem Antrag von Prof. Dr. Roman Seer zugestimmt, der offensichtlich auf eine massive Beschneidung der Arbeit von Fachschaftsräten abzielt: „Gegen den Widerstand der studentischen Senatsfraktion“ sowie gegen eine während der Sitzung verlesene Resolution der FachschaftsvertreterInnenkonferenz (FSVK) beschloss der Senat, „die Univerwaltung prüfen zu lassen, auf wie viele Mitglieder Fachschaftsräte begrenzt werden können“, heißt es in einer Pressemitteilung des AStA. „Das Ergebnis dieser Entscheidung ist eindeutig die Aushebelung der studentischen Mitbestimmung. Roman Seer scheint die Fachschaftsräte zu kostenfreien Arbeitskräften für die Institute degradieren zu wollen“, so der AStA-Vorsitzende Karsten Finke.
Lichtblick: „Ausnahmetatbestände“
Einziger Lichtblick ist die Ausweitung der sogenannten „Ausnahmetatbestände“ in der Gebührensatzung der RUB. So sind Eltern und Schwangere ab dem Wintersemester 2009/10 generell von Studiengebühren an der Ruhr-Uni befreit. Zudem werden die Gebühren für studierende Geschwister gesenkt, indem sie in Zukunft nur einmal pro Familie fällig werden. Gebührenbefreiungen wird es künftig auch für verantwortliche Tätigkeiten bei den autonomen AStA-Referaten sowie fünf großen Uni-Initiativen (Internationales Videofestival, Theaterfestival megaFON, Initiative Behinderter und Nichtbehinderter Studierender, Studienkreis Film sowie CT – das Radio) geben. „Immerhin konnten wir mit der Ausweitung der Befreiungsgründe einen Erfolg verzeichnen. Ohne die Arbeit des AStA und der studentischen Senatsfraktion sowie den entschlossenen Protest der Studierenden wäre auch dies nicht zustande gekommen“, bilanziert Benjamin Bettinger und blickt optimistisch in die Zukunft: „Der Kampf gegen Studiengebühren wird nun verstärkt fortgeführt werden – zumal die kommende Senatssitzung just in die Woche des bundesweiten Bildungsstreiks vom 15. bis zum 20. Juni fallen wird. Schon hier könnte es zu einer Entscheidung über eine Begrenzung der Größe von Fachschaftsräten kommen, die es selbstverständlich zu verhindern gilt!“
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