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Eines ist Werbung sicherlich nur ganz am Rande: Produktinformation. Vielmehr, so glaubt die gemeinnützige Organisation foodwatch, ist Werbung nur zu oft eine gezielte Ansammlung waschechter Lügen. Zum Schutz der VerbraucherInnen hat foodwatch daher den Preis „Goldener Windbeutel“ ausgelobt, mit dem jedes Jahr aufs Neue die dreisteste Werbelüge gekürt wird. In diesem Jahr ging der „Preis“ an das Produkt Danone Actimel. Der angeblich die Abwehrkräfte aktivierende Trinkjoghurt verwies illustre Mitstreiter wie den Bahlsen-Genießerkuchen oder Fruit2day von Schwartau („Die tägliche Portion Abzocke“, foodwatch) auf die Plätze. Danones Argumente für den Sieg: Der Trinkjoghurt ist nicht nachweisbar gesünder als natürliche Produkte wie Kefir oder Sauerkraut, enthält aber dafür viel mehr Zucker. Das heftig beworbene „Gesundheitsprodukt“ ist eine flüssige Süßigkeit zu einem horrenden Preis.

Foodwatch trifft mit dem „Goldenen Windbeutel“ gleich mehrere Nägel genau auf den Kopf. Offenbar ist, mit Ernst Primosch gesprochen, gezielter Etikettenschwindel eine tief greifende Erscheinung unserer Epoche. Geschwindelt wird unter Ausnutzung der Ängste, Mythen, Vorlieben und Interessen der Industriegesellschaft. Die medial geschürte Angst vor Krankheit und mangelnder Fitness gebiert Ungeheuer wie das Kunstwort „Probiotik“, das inzwischen sogar unverfroren als „Zutat“ beworben wird: wie bei der neuen „Lätta mit Probiotik“. „Probiotik“, so wird im Internetauftritt der Marke erläutert, heißt „für das Leben“. Dass eine Margarine, die nach eigenen Angaben wörtlich „Lätta mit für das Leben“ heißt, eher das Prädikat „besonders absurd“ statt „besonders wertvoll“ verdient, bleibt der Auffassungsgabe der VerbraucherInnen überlassen.

Diese Auffassungsgabe scheint allerdings im Bereich Gesundheit und Fitness als eher gering eingestuft zu werden. Unter den zwölf von foodwatch prämierten Produkten befinden sich gleich sechs, die direkt fälschlicherweise mit einem Mehr an „Gesundheit“ werben. Der Wunsch nach oral einnehmbarer Fitness (und damit implizit nach Schönheit und Erfolg) wird von der Werbung als Pawlowscher Reflex der übersättigten Gesellschaft genutzt: Gesund = Kaufen. Die meisten anderen prämierten Produkte korrespondieren – ebenfalls symptomatisch – mit dem in zahllosen TV-Formaten medial forcierten Trend zum privaten Gourmet-Dasein und bewerben künstliche Geschmacksverstärker und Zucker als Luxusessen aus dem Supermarkt. Â

Wer nicht gerne belogen wird, kann sich ganz einfach wehren, indem er/sie die kognitiven Abwehrkräfte aktiviert und den ganzen Fitness- und Gourmet-Unsinn konsequent in den Regalen stehen lässt. Das fällt allerdings in einer von Etikettenschwindel geprägten Umwelt nicht immer leicht. Wo Elmar Weiler „Rektor des Jahres“ werden kann, schützt Danone Actimel auch wirklich vor Erkältungen.  Â

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