Unter anderem dieser Umstand führte zu Konflikten zwischen Nord und Süd. 2005 einigten sich die beteiligten Parteien auf das Comprehensive Peace Agreement (CPA), das einen Friedensprozess einleiten sollte. Ende 2009 sollen nun freie Wahlen stattfinden. Die Bewohner des Südens können außerdem darüber abstimmen, ob der Sudan als Einheit weiter bestehen bleibt – oder ob sich der Süden abspaltet. Studierende der Uni Bochum organisieren gemeinsam mit der Dozentin Dr. Ulrike Schultz die Podiumsdiskussion „Zerrissen, zerstört und ums Öl gebracht – eine Diskussion über den Friedensprozess im Sudan“. Die bsz sprach vorab mit den TeilnehmerInnen Dr. Elke Grawert und Dr. Melha Rout Biel. Elke Grawert ist Politologin an der Universität Bremen, die im Rahmen eines von der Volkswagen-Stiftung finanzierten Kooperationsprojektes mit sudanesischen Universitäten forscht, Melha Rout Biel stammt aus dem Sudan und forscht ebenfalls über das Land.

Bsz: Wird es zu einer Abspaltung des Südsudan kommen?
M.R.B.: Es ist sehr schwer einzuschätzen, ob der Süden des Sudans politisch, militärisch und finanziell in der Lage ist, sich von dem Nordsudan abspalten zu können. Voraussetzungen einer Abspaltung sind entweder die Ergebnisse der Volksabstimmung, die durch das CPA vorgegeben ist, oder wenn die Umsetzung dieses Abkommens scheitert. Dann muss der Süden sich abspalten, da es keinen Sinn mehr für den Verbleib im Bundesstaat Sudan gibt. Dafür benötigt der Süden internationale Unterstützung und Anerkennung bei einem Aufruf des Südens zur Unabhängigkeit.

Bsz: Hat der Sudan mittelfristig eine Chance auf Frieden, oder würde eine Teilung des Landes neue Konflikte nach sich ziehen?
E.G.: Bevor die Teilung des Sudan tatsächlich erfolgen kann, wird eine Klärung der Verteilung der Einnahmen aus den Ölquellen des Südsudan notwendig sein. Zur Zeit wird das Öl durch eine Pipeline nach Port Sudan am Roten Meer gepumpt, der Ölexport und die Aufteilung der Einnahmen erfolgt durch die Zentralregierung, Auch von Seiten der Separatisten im Südsudan wird akzeptiert, dass ein Teil der Öleinnahmen aus den Ölquellen im Süden im Falle einer Teilung des Staates in den Norden fließen muss, sonst wird die Teilung in gewaltsame Übergriffe im 2000 km langen und kaum vollständig kontrollierbaren Grenzbereich zwischen Nord- und Südsudan münden. In dieser Region liegen die meisten Ölquellen, zahlreiche ungelöste Landkonflikte auf beiden Seiten der Grenze könnten zur ethnischen Mobilisierung und zum erneuten Aufbau von Milizen genutzt werden, eine instabile Grenzregion mit schwerwiegenden Folgen für die Ölförderung wäre die Folge. Dies liegt weder im Interesse des Nord- noch des Südsudan. Je nach Verlauf und Ausgang der Wahlen von 2009 werden die Optionen für die Bevölkerungsgruppen, die weder hinter der NCP noch der SPLM stehen, deutlicher sichtbar werden. Sollten diese Gruppen in Folge einer Teilung des Sudan nicht ausreichend politisch repräsentiert sein, sind sowohl innerhalb des Nordsudan wie auch des Südsudan bewaffnete Konflikte um Landrechte, für Repräsentation in den Machtzentren und gegen Marginalisierung zu erwarten.
M.R.B.: Die Umsetzung des CPA hat sich als schwer erwiesen. Damit wird auch das Ziel, Vertrauen zwischen den Kriegsparteien durch die Beseitigung von Benachteiligungen der marginalisierten Regionen des Landes zu schaffen, immer schwieriger zu erreichen. Daher sehe ich leider nur wenige Möglichkeiten für Frieden im Sudan. Kurzfristig würde die Teilung des Landes zu Konflikten führen. Langfristig wird allerdings die Teilung die einzige Lösung für einen dauerhaften Frieden im Sudan sein.

Bsz: Verschiedene Länder sind durch ihre Ölkonzerne im Sudan vertreten. Beeinflussen die Ölvorkommen des Landes die Politik dieser Länder und die sudanesische Innenpolitik?
M.R.B.: Die Ölvorkommen im Sudan spielen eine entscheidende Rolle in der sudanesischen Innenpolitik. Sie wissen, dass der Kernpunkt der CPA die faire Verteilung der Bodenschätze zwischen den Regionen im Sudan und vor allem zwischen dem Süden und Norden des Landes ist. Seit fünf Jahren stammen die Staatseinnahmen der Regierung des Sudans größtenteils aus dem Verkauf des Erdöls. Die Regierung des Südsudans bezieht 90 Prozent ihrer Einnahmen ebenfalls aus dem Verkauf von Erdöl. Damit wird deutlich, dass die Ölvorkommen und ihre Verteilung erheblich die Innenpolitik im Sudan beeinflussen.

Bsz: Im Sudan sind UNMIS, NGOs und Entwicklungshilfeorganisationen tätig. Konnten sie nachhaltige Hilfe bewirken?
E.G.: Meiner Ansicht nach ist die Hilfe zu wenig koordiniert und zu sehr auf kurzfristigen Kapazitätsaufbau staatlicher Institutionen und Zivilgesellschaftsförderung ausgerichtet. In der Wiederaufbauphase nach dem Krieg und zur Schaffung eines nachhaltigen Friedens sind in erster Linie langfristige Programme zum Aufbau von Landwirtschaft, Viehzucht, Infrastruktur und Märkten zur Versorgung von Städten sowie abgelegenen ländlichen Regionen notwendig. Dies sollte in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen staatlichen Stellen auf zentraler, regionaler und lokaler Ebene geschehen.

Bsz: Der Sudan erhält finanzielle Hilfe von China, das umgekehrt vom Öl und wirtschaftlichen Beziehungen profitiert, aber anders als westliche Staaten keine Bedingungen daran knüpft. Wie sinnvoll und zukunftsfähig ist dieses Modell?
M.R.B.: Die Beziehungen zwischen China und Sudan, vor allem Nordsudan, sind sehr weit entwickelt und haben langfristigen Einfluss im Sudan. Die westlichen Staaten sollen sich von ihrer Zuschauerrolle befreien und ihre Konzepte zu den Beziehungen zwischen Sudan bzw. Südsudan überdenken und gegebenenfalls neu konzipieren. Mit ihrer jetzigen Politik sind sie nicht in der Lage, das Geschehen im Sudan zu beeinflussen. China dagegen kann seine Interessen durchsetzen und so die Politik beeinflussen. Die europäischen Staaten sollen sich einbringen, um das Friedensabkommen (CPA) nicht scheitern zu lassen, sondern voll zu unterstützen.
E.G.: Im Sinne von Nachhaltigkeit ist dieses Modell nicht zukunftsfähig. Andererseits erfüllt es kurzfristige Bedürfnisse von Eliten und teils auch der Bevölkerung im Zuge des Wiederaufbaus des Südsudan. Wenn die Regierungen des Sudan und des Südsudan ihrerseits Auflagen wie einer Ausbildungspflicht Einheimischer einfordern würden, könnte dieses Modell neue Perspektiven von wirtschaftlicher Zusammenarbeit eröffnen, die im Gegensatz zu konditionierter Entwicklungszusammenarbeit der Europäer stünde und als Ergänzung und Erweiterung von Optionen einen Sinn hätte.

Das Interview führteÂ
Sarah Nagel

Die Podiumsdiskussion „Zerrissen, zerstört und ums Öl gebracht – eine Diskussion über den Friedensprozess im Sudan“ findet am Freitag, den 6. Februar um 20 Uhr im Bahnhof Langendreer statt.

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