Wer kennt diese Situation nicht? Der Wecker klingelt bereits zum dritten Mal am Morgen und mittlerweile ist man viel zu spät dran, um noch pünktlich zur Vorlesung zu kommen. Schnell unter die Dusche, Kaffee auf ex trinken und noch fix ein Brötchen für unterwegs einpacken. Halb verschlafen geht es in die U35 und auch nach der wohlklingenden Durchsage „Nächster Halt: Ruhr-Universität“ stellt sich noch immer nicht der nötige Elan ein. Raus aus der Bahn, Treppen hoch und da sind sie schon: junge Menschen, die leicht resigniert anderen jungen Menschen – die plötzlich etwas angewidert wirken – bunte Flyer oder andere „Pflichtlektüren“ in die Hände drücken. Mit geistesabwesendem Geschick bahnt sich der oder die Studierende den Weg durch den Flyerdschungel, dann noch vorbei an den „Zeugen Jehovas“ und plötzlich erhebt sich auf der Uni-Brücke eine Stimme in einer Lautstärke, die man zu dieser Tageszeit selbst der eigenen Mutter nicht verzeihen würde: „Adolf Hitler wäre stolz auf den neuen EU-Vertrag!“ Als Ersti mag man in diesem Moment leicht irritiert sein, doch routinierte Studis wissen gleich: die „BüSo“ ist wieder da!

Wir sind Finanzkrise

Eigentlich ist die Partei „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ politisch völlig unbedeutend. Die Wahlergebnisse liegen bundesweit bei etwa 0,1 Prozent und auch kommunale Erfolge kann die Organisation nicht vorweisen. Dennoch gelingt es ihr, in vielen Städten Deutschlands Präsenz zu zeigen. Auch in Bochum ist die „BüSo“ regelmäßig auf dem Campus und in der Innenstadt mit kleinen Ständen vertreten. Auf selbstgemalten Plakaten teilen die Parteimitglieder ihr Weltbild mit (siehe Einleitung). Manchmal amüsant, dann wieder erschreckend oder auch erschreckend einfältig, was dort zu lesen ist. Das Steckenpferd der Partei ist die Finanzkrise. Schon vor Jahren warnte „BüSo“-Oberguru Lyndon LaRouche vor dem Zusammenbruch der Finanzmärkte. In aktuellen Publikationen ist die Schadenfreude über die vermeintliche Bestätigung der eigenen Thesen schwer zu überlesen und man fühlt sich an Jugendliche erinnert, die stolz verkünden, eine bestimmte Band schon lange gekannt zu haben, bevor sie „cool“ und „angesagt“ war.

Die „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ ist kein Einzelphänomen, sondern Teil einer internationalen Bewegung, angeführt von Lyndon LaRouche, der sich seit rund dreißig Jahren erfolglos darum bemüht, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Neben Amerika zählt Deutschland zu den wichtigsten politischen Spielplätzen der LaRouche-Bewegung. 1977 heirate LaRouche die damals 29jährige Helga Zepp, die seither – als Helga Zepp-LaRouche – die Aktivitäten in der Bundesrepublik koordiniert. In Deutschland gehören unter anderem die Zeitschrift „Neue Solidarität“, der Verein „Club of Life“, die Nachrichtenagentur „Executive Intelligence Review“ sowie weitere Organisationen zur „Förderung der Kernenergie“ und für „Frieden und Demokratie“ zum Dunstkreis der umstrittenen Bewegung. In der Öffentlichkeit treten neben der Partei „BüSo“ vor allem die „LaRouche-Jugendbewegung“ und das „Schiller-Institut“ auf.

Antisemitismus und linkes Image

Mit klassischen Attributen des politischen Koordinatensystems lässt sich die „BüSo“ nur schwer beschreiben. In seiner frühen politischen Karriere war LaRouche überzeugter Trotzkist und bis heute finden sich immer wieder Bezüge zu Marx und Trotzki in seinen Schriften. Gleichzeitig spricht der Anführer der nach ihm benannten Bewegung von einer „zionistischen Verschwörung“, was ihm gerade in den USA den Ruf als antisemitischer Faschist und Nazi-Sympathisant einbrachte. Andere Blätter erklären das Mitglied der US-Demokraten aufgrund seiner marxistischen Vergangenheit und des Auftretens seiner AnhängerInnen zum linksradikalen Kommunisten. Unabhängig von diesen Einordnungen wird die LaRouche-Bewegung unter anderem von AussteigerInnen mit dem Vorwurf konfrontiert, sie sei eine Politsekte, die ihre Mitglieder sozial isoliert und politische Gegner zu Mittätern diverser Weltverschwörungen erklärt. Als WeltverschwörerInnen unterwegs sind laut „BüSo“ die US-Regierung, das britische Königshaus, die „zionistische Lobby“ oder auch die Grünen in Zusammenarbeit mit diversen Umweltorganisationen.

Ihren Höhepunkt erlebten die Vorwürfe gegen LaRouche & Co. vor fünf Jahren, als ein britischer Student mit jüdischen Wurzeln nach einer Veranstaltung in Wiesbaden des ebenfalls von Zepp-LaRouche geleiteten Schiller-Instituts ums Leben kam. Die Polizei geht von Selbstmord aus, Zweifel daran gibt es jedoch bis heute: Der junge Student rief kurz vor seinem Tod seine Mutter und seine Freundin an und berichtete von der antisemitischen Hetze bei der Veranstaltung und schilderte, dass er große Angst habe. Trotz dieser Informationen und einer Empfehlung des Vereins „Aktion für Geistige und Psychische Freiheit“ wurde ein Verfahren jedoch nicht aufgenommen.

Negative Presse? Verschwörung!

So schaffen es Lyndon LaRouche und seine Ehefrau Helga Zepp-LaRouche auch fast ausschließlich im negativen Kontext in die Medien. Aber warum sollten sie die Vorwürfe kritisch aufarbeiten? Ist doch alles bloß eine weitere Weltverschwörung! Die kleine „BüSo“-Welt besteht aus den guten AnhängerInnen des LaRouche-Kults (hey, schließlich haben sie auch das „Patentrezept“!) und dem bösen Rest, der je nach Thema an einer anderen Verschwörung beteiligt ist.

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