Viele WählerInnen in den USA setzen echte Hoffnung auf ihn. „Change, we can believe in“, stand auf Plakaten seiner Kampagne. Obamas Wahl ist eine Reaktion auf die hohe Unzufriedenheit der US-Bevölkerung. Millionen hoffen jetzt nicht nur auf einen baldigen Abzug der Truppen aus dem Irak, sondern auf eine spürbare Verbesserung ihrer Lebensumstände. Der Lebensstandard ist in den USA in den letzten Jahrzehnten gesunken. Die Menschen erhalten durchschnittlich drei Prozent weniger Reallohn als 1994, bei steigenden Mieten, höheren Ausgaben für Lebensmittel, Studiengebühren oder die Krankenversicherung. „No, you can‘t“ haben Obamas GegnerInnen im Wahlkampf auf den Slogan „Yes, we can“ geantwortet, sowohl von rechts als auch von links. Vielleicht wäre „No, you won‘t“ treffender – können tut Obama sicher vieles. Aber will er auch? Sowohl seine Position zum Truppenabzug als auch in anderen politischen Fragen fielen seit seiner Ernennung zum Kandidaten der Demokraten weniger radikal aus als vorher, er hat sich schon vor der Wahl weiter an „Washington“ angenähert, als vielen UnterstützerInnen lieb ist.
Die soziale Bewegung m Wahlkampf
Für viele Linke ist der demokratische Kandidat das kleinere Übel. Weil es außer den stets chancenlosen KandidatInnen der Grünen keine Wahlalternative für ökologisch gesinnte, linke oder sonstige WählerInnen gibt, welche die Republikaner nicht wählen wollen, müssen sie den Kandidaten der Demokraten wählen – auch, wenn dessen Positionen meist nicht so eindeutig sind wie die vieler WählerInnen. Daraus kann eine massive Enttäuschung folgen, wie sie die sozialen Bewegungen schon nach der Wahl von Bill Clinton 1992 erlebt haben: Sie haben ihn im Wahlkampf unterstützt und waren schließlich nicht in der Lage, sich gegen die Politik zu wehren, die wesentlich weniger sozial und friedlich ausfiel als ursprünglich von ihm behauptet. In seiner Amtszeit ließ er unter anderem eine Medikamentenfabrik im Sudan bombardieren, und die lang angekündigte Reform des Gesundheitswesens, die eine erschwingliche gesetzliche Krankenversicherung bringen sollte, kam nie zustande.
Dasselbe kann den sozial Bewegten passieren, wenn etwa der „verantwortungsvolle und stufenweise“ Abzug der Truppen aus dem Irak, den Obama und sein Vize Biden versprechen, doch wieder auf sich warten lässt. Viele AntikriegsaktivistInnen, GlobalisierungsritikerInnen und UmweltschützerInnen haben Obama gewählt oder aktiv an der Kampagne der Demokraten mitgewirkt, ein Stück der sozialen Bewegung ist in der Kampagne Obamas aufgegangen. In den letzten Tagen vor der Wahl schickte auch der größte US-Gewerkschaftsverband AFL-CIO zehntausende Mitglieder in 3,9 Millionen Haushalte, um Werbung für Obama zu machen. Die Politik der Demokraten zu kritisieren, wird ihnen deshalb schwerer fallen – auch, weil sie ihre Kapazitäten monatelang auf den Wahlkampf konzentriert haben. Dennoch haben es Obama und sein Team noch stärker als damals Bill Clinton geschafft, Menschen zu politisieren. Aus einem klassischen Wahlkampf wurde eine Bewegung für politische Veränderung. Diese „Veränderung“ an konkreten Punkten auch einzufordern, wird die nächste Aufgabe dieser Bewegung sein.
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