Bereits seit Jahren ist der inzwischen beschlossene Bau einer Großmoschee in Köln-Ehrenfeld ein beliebtes Thema für Medien und Kommunalpolitik. Als die Stadt vor rund sechs Jahren zum ersten Mal nach einem geeigneten Bauplatz für das islamische Gotteshaus Ausschau hielt, ergriff die 1996 gegründete Partei „pro Köln“ die Chance, durch Unterschriftenaktionen und populistische Angstmache gegen die drohende „Überfremdung“ und „Islamisierung“ der Stadt aus der politischen Bedeutungslosigkeit zu entfliehen. Denn bei „pro Köln“ handelt es sich nicht – wie oftmals angenommen – um eine Bürgerbewegung, die sich im Zuge der Diskussion um den Moscheebau gegründet hat, sondern um ein weiteres Parteiprojekt der „Neuen Rechten“. Gegenüber der Zeitung „Junge Freiheit“, die als Scharnier zwischen der konservativen und extremen Rechten gilt, offenbart „pro Köln“-Chef Markus Beisicht mit großer Selbstverständlichkeit den Charakter der Partei. Auf die Frage, ob die Ablehnung des Moscheebaus nur ein „Gewand“ für ein „rechtes Parteiprojekt“ sei, antwortet dieser: „Wir haben die Marktlücke besetzt, und es ist uns der Einbruch in Schichten gelungen, die wir sonst nicht erreicht hätten.“ Ein Blick in die Lebensläufe führender Mitglieder von „pro Köln“ zeigt außerdem unmissverständlich, wen Beisicht mit „wir“ meint.
Rechtsextremer Hintergrund
Gegründet wurde die Partei als Ableger oder Nachfolger der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH), die in erster Linie durch das Abwerben von DVU-Abgeordneten in Schleswig-Holstein politische Bedeutung erlangte und so zwischenzeitlich sogar Fraktionsstatus besaß. Ins Leben gerufen wurde die DLVH unter anderem vom Ex-NPD-Vorsitzenden Martin Mußgnug. Über eine Vergangenheit bei NPD und Republikanern verfügen auch zahlreiche Mitglieder von „pro Köln“, darunter mit dem Vorsitzenden Markus Beisicht (Republikaner), Schatzmeister Manfred Rouhs (JN, NPD und Republikaner) und Stadtrat Hans-Martin Breninek (Republikaner) auch führende Köpfe der Partei. Eine ernsthafte Distanzierung von dieser rechtsextremen Vergangenheit findet nicht statt. Ganz im Gegenteil: Beisicht steht sowohl DVU- als auch NPD-Publikationen für Interviews zur Verfügung und traf sich noch vor einem Jahr mit NPD-Chef Udo Voigt und DVU-Gründer Gerhard Frey in Straßburg.
Europäische Allianz
Ganz im Zeichen brüderlicher Zusammenarbeit im extrem rechten Lager sollte auch der „Anti-Islamisierungskongress“ in Köln stehen. Doch statt Mitglieder von NPD und DVU lud „pro Köln“ bekannte Vertreter rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien aus Europa ein, die in Deutschland einen unverfänglicheren Eindruck machen. Doch es bedarf keiner großen Recherche, um zu bemerken, dass die Freunde und Unterstützer von „pro Köln“ weit rechts vom bürgerlichen Konservatismus anzusiedeln sind. Bereits im Vorfeld sagten allerdings „Stargäste“ wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder der französische Rechtsaußenpolitiker und Holocaust-Verharmloser Jean-Marie Le Pen ab. Le Pen will sogar gar nichts von einer Einladung gewusst haben, nachdem er von „pro Köln“ stolz als Gastredner angekündigt wurde. Der Auftritt der „großen Vorbilder“ blieb also aus. Stattdessen reisten nur einige führende Politiker rechtsextremer Parteien aus Italien und Belgien an.
Köln stellt sich quer
Doch in Köln regte sich schnell Widerstand gegen den Kongress der Rechtsextremen. Ein breites Bündnis hatte bereits drei Stunden vor dem offiziellen Start des „Anti-Islamisierungskongresses“ zur Gegendemonstration auf den Roncalliplatz am Kölner Dom geladen. Neben VertreterInnen von CDU, SPD, Grünen und Linken nahmen auch Kirchenverbände, muslimische Verbände, Gewerkschaften und kleinere linke und kommunistische Parteien an der Veranstaltung unter dem Motto „Wir stellen uns quer“ teil. Es zeigte sich also quer durch das politische Lager die Bereitschaft, gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen und nicht zuzulassen, dass RassistInnen auf dem Rücken der muslimischen Minderheit um politische Rehabilitierung werben. Doch diese große Gegendemo am Dom war nicht nur dadurch von so großer Bedeutung, weil sogar ChristdemokratInnen und KommunistInnen Seite an Seite friedlich demonstrierten, sondern weil die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Köln in Scharen kamen, um „pro Köln“ die „rote Karte“ zu zeigen, wie es Oberbürgermeister Fritz Schramma nannte. Denn in den letzten Jahren warb die rechtsextreme Partei immer wieder damit, die „schweigende Masse“ gegen „die da oben“ zu verteidigen. Sofern die Mitglieder von „pro Köln“ tatsächlich je selbst an dieses Märchen geglaubt haben sollten – spätestens am 20. September wurden sie unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückbefördert. Denn die Masse in Köln schwieg an diesem Tag nicht, sondern bezog deutlich Stellung gegen „pro Köln“. Fast 50.000 Menschen beteiligten sich an den Gegendemonstrationen und unterstrichen Kölns Ruf als weltoffene und tolerante Stadt, in der Rechtsextremismus keine Chance haben soll.
Blockiert den Heumarkt!
Neben der Hauptkundgebung am Dom fanden sich auch überall dort Demonstrierende ein, wo Straßen und enge Gassen zum Heumarkt führten. Das erklärte Ziel bestand darin, durch friedliche Blockaden zu verhindern, dass SympathisantInnen von „pro Köln“ dorthin gelangten. Infolgedessen war die „Menschenmenge“ auch überschaubar. Weniger als hundert Personen tummelten sich vor der Bühne, auf der mit großen Buchstaben „Stop Islam“ geschrieben stand. Am Flughafen warteten weitere 200 bis 300, die jedoch nicht Richtung Innenstadt aufbrechen konnten, da Demonstrierende die Bahnschienen blockierten und TaxifahrerInnen sich weigerten, die Rechtsextremen zum Heumarkt zu fahren. Als der Kongress um 12 Uhr mittags losgehen sollte, wartete ein Großteil der TeilnehmerInnen also noch am Flughafen. Kurze Zeit später hatte die Polizei bereits ein Einsehen und sagte den Kongress von „pro Köln“ ab. Es sei „unverhältnismäßig“, den zwei- bis dreihundert Rechtsextremen am Flughafen mit Wasserwerfern den Weg freizukämpfen. Die Sicherheit der Kölner Bürgerinnen und Bürger habe für die Polizei Priorität. Jörg Uckermann, Ex-CDU-Funktionär aus Ehrenfeld und heute Mitglied bei „pro Köln“, vermutete wohl andere Absichten bei der Polizei und beschimpfte diese – mit Bezug auf Oberbürgermeister Schramma (CDU), der bei der Gegendemonstration am Dom auftrat – abfällig als „Schramma-SA“. Der Polizeichef hat Uckermann inzwischen wegen Beleidigung angezeigt. Unbeeindruckt oder vielleicht auch in Unwissenheit über die Absage flog kurz nach Bekanntgabe des vorzeitigen Endes des Kongresses ein einmotoriges Flugzeug mit einem „pro Köln“-Banner über die Innenstadt. Doch es wirkte eher selbstironisch, „pro Köln“ einsam und allein am blauen Himmel zu sehen.
Ausschreitungen und Gewalt
Statt jedoch einfach zu feiern, dass sich Köln und viele zugereiste Antifaschistinnen und Antifaschisten den Rechten mutig in den Weg stellten, kam es im Laufe des Nachmittags immer häufiger zu Ausschreitungen. Während Teile der Autonomen Linken Scheiben einschlugen, Mülltonnen in Brand setzten und mit Flaschen und Steinen auf die Polizei warfen, forderte die große Mehrheit der Demonstrierenden zur Gewaltlosigkeit auf. Nachdem „Keine Gewalt“-Sprechchöre aufgekommen waren, flogen allerdings auch vereinzelt Flaschen gegen andere Demonstrierende, verletzt wurde aber zum Glück niemand. Die Polizei wirkte in dieser schwierigen Situation immer überforderter. Die Unfähigkeit, adäquat auf einzelne Randalierende zu reagieren, gipfelte in der vorzeitigen Verhaftung von 404 linken Demonstrierenden, die unter miserablen Bedingungen zum Teil bis zum nächsten Morgen in Brühl festgehalten wurden. In gerade mal 36 Quadratmeter großen Zellen wurden bis zu 30 Gefangene untergebracht, darunter auch Jugendliche und Kinder. Die Polizei arbeitet nach eigener Aussage an der Aufklärung der Vorwürfe.
Köln ist nicht pro „pro Köln“
Die wichtigste Botschaft an diesem Tag ist jedoch eine andere: Den PolitikerInnen von „pro Köln“ wurde eindrucksvoll gezeigt, dass Köln nicht hinter ihnen und ihrer Hetzkampagne gegen Muslime steht. Dass die Kundgebung der rechtsextremen Partei letztlich abgesagt wurde, ist dabei wohl nur zweitrangig. Wichtig ist das klare Zeichen, dass Rechtsextremismus in einer aufgeklärten Demokratie keinen Platz hat. Eine pluralistische und multikulturelle Welt stellt die Menschen oft vor schwierige Aufgaben. Doch diese lassen sich nur im Miteinander und im Dialog lösen, nicht durch Ausgrenzung ethnischer oder religiöser Minderheiten.
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