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Uni Witten/Herdecke im Um- und/oder abbruch
Seit dem 21. August steht die Universität Witten/Herdecke ohne einen ihrer wichtigsten Geldgeber da. Die Unternehmensgruppe Droege zieht sich mit sofortiger Wirkung aus der Finanzierung der Privat-Uni zurück und schafft somit – verteilt auf die nächsten sieben Jahre – ein Loch von rund zehn Millionen Euro. Statt sich im stillen Einvernehmen zu trennen, herrscht seither eine öffentliche Schlammschlacht, in der sich die Uni-Leitung und das Düssel­dorfer Unternehmen mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen zu überbieten versuchen.

Zwei Seiten der Medaille

Eröffnet wurde der öffentliche Zwist vom ehemaligen Sponsor. Die Uni-Leitung habe Abmachungen nicht eingehalten und einen Förderungsvertrag vorgelegt, welcher die Finanzspritzen des Unternehmens an keinerlei Anforderungen knüpfe. Eine Grundbedingung für die Förderung sei jedoch immer gewesen, dass die Universität gewisse „Milestones“ erreiche. Gemeint sind damit unter anderem die Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz (also massive Einsparmaßnahmen), die Akquise weiterer Sponsoren und die Akkreditierung (Anerkennung) durch den Wissenschaftsrat. Passiert sei in diesen Punkten jedoch wenig, glaubt man Unternehmenssprecher Peter Steinke. Diese Vorwürfe äußerte er gegenüber dem Deutschlandfunk und fügte hinzu: „Man könnte fast vermuten, die Universität sucht einen Weg uns loszuwerden. Und das hätte man auch anders haben können.“ Vollkommen anders klingt dagegen die Pressemitteilung der Universitätsleitung. „Das Verhalten der Familie Droege“ sei „nicht korrekt“, so Dr. August Oetker, Mitglied des Stiftungskuratoriums der Universität. Vorgeworfen werden dem Familienunternehmen mit rund 2.000 Beschäftigten Erpressung und der Versuch einer Beschneidung der Forschungsfreiheit. So schreibt die Pressestelle der Uni in ihrer offiziellen Pressemitteilung, dass „im Frühjahr 2008 die Forderung des Landes Nordrhein-Westfalen nach einer Ausfallbürgschaft als Druckmittel benutzt“ wurde, „um 50 Prozent der Gesellschaftsanteile der Universität zu erhalten.“ Auch das ursprüngliche Auftreten als Mäzen habe die Firma nach und nach aufgegeben: „Es wurde seitens Droege International versucht, massiven Einfluss auf die Freiheit von Forschung und Lehre zu nehmen, Förderzusagen nicht einzuhalten, Neu-Förderer nicht zuzulassen, Alt-Förderer auszugrenzen, Stellen abzubauen und Studenten zu rekrutieren.“

Wie frei ist privat?

Die Vorwürfe gegen Droege zeigen ein grundsätzliches Problem privater Bildungseinrichtungen. Anders als öffentlich finanzierte Hochschulen stehen sie in direkter Abhängigkeit von ihren Sponsoren und laufen somit immer wieder Gefahr, wissenschaftliche Autonomie aufzugeben, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Die Finanzierung durch eine Unternehmensberatung, die in ihrer Selbstdarstellung formuliert, dass „nur der Nutzen zählt“, mag ein Extremfall sein, aber wirtschaftliche Absichten sind es immer, die Unternehmen dazu verleiten, Hochschulen finanziell zu fördern. Dies mag im Einzelfall auch unbedenklich sein, wenn Unternehmen mit Nachwuchssorgen bestimmte Studiengänge oder Universitäten finanziell unterstützen. Fast immer sind jedoch die Freiheiten in Forschung und Lehre existentiell bedroht.

„Was geht mich das an?“

Wer in diesem Fall welche Abmachungen nicht oder nur unzureichend eingehalten hat, wird so zur Nebensache. Das „Modell Privatuniversität“ nimmt die Bildung aus öffentlicher Hand (und somit aus den Händen aller Bürgerinnen und Bürger) und gibt sie in die Hände einzelner Unternehmen mit klaren wirtschaftlichen Absichten. Der aktuelle Fall zeigt, dass der Spagat aus privater Finanzierung und wissenschaftlicher Freiheit nahezu unmöglich ist. Ohne Förderung durch die Landesregierung wäre die Uni Witten/Herdecke wohl schon längst zahlungsunfähig. Die Freiheit von Forschung und Lehre ist aber offensichtlich trotzdem in akuter Gefahr, wie der Streit zwischen Droege und Unileitung beweist. Während Privatuniversitäten in Deutschland noch die Ausnahme sind, spielen sie in vielen anderen Ländern bereits eine entscheidende Rolle. Auch Deutschland bemüht sich, hier „nachzuziehen“. Die jüngste Entwicklung dieser Art betrifft den Einsatz eines „Hochschulrates“ an allen Universitäten in Nordrhein-Westfalen. Statt des (ansatzweise) demokratischen Uni-Senats bildet nun der Hochschulrat – bestehend unter anderem aus VerteterInnen der Wirtschaft – die höchste Beschlussinstanz an den Universitäten und schafft somit bereits de facto eine Vermischung aus öffentlicher und privater Universität. Inwiefern eine Privatisierung der Hochschulbildung jedoch erstrebenswert sein soll, ist nicht erst durch den erneuten Rückschlag für „Deutschlands älteste Privatuniversität“ mehr als fraglich geworden.

 

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