Schulministerin Barbara Sommer und der auf diesem Gebiet offenbar unvermeidliche Innovationsminister Pinkwart stellten den Reformentwurf vor, der laut Pressemitteilung des Schulministeriums „stärkeren Praxisbezug“ und eine „inhaltliche Profilierung der einzelnen Lehrämter“ gewährleisten soll, ohne dass sich die Ausbildungszeit dabei verlängert. So wird zum Beispiel ein eigenes Grundschullehramt eingerichtet, um dem viel zitierten hohen Stellenwert der frühen Bildung der Kinder Rechnung zu tragen.
Früh übt sich…
Daneben sind besonders die Veränderungen im Bereich „Praxisbezug“ umfassend und werden von verschiedenen Seiten kritisch beurteilt. So soll zukünftig ein vor Beginn des Bachelorstudiums absolviertes, zehnwöchiges Praktikum Voraussetzung für die spätere Einschreibung zum Master of Education sein. Damit sind AbiturientInnen früher als bisher dazu gezwungen, sich für oder gegen den LehrerInnenberuf zu entscheiden. Die durch die Einführung der BA/MA- Studiengänge gewonnene Flexibilität ginge so teilweise wieder verloren. „Dieses Praktikum macht wenig Sinn“, urteilt auch Sebastian Aretz, Mitglied des Fachschaftsrates Master of Education an der RUB – zumal das so genannte Orientierungspraktikum ohne fachliche Betreuung ist und der tatsächliche Erkenntnisgewinn für frische SchulabgängerInnen zumindest fragwürdig erscheint. Wer sich erst nach dem Ergreifen des BA-Studiums für eine Karriere als LehrerIn entscheiden sollte, muss zukünftig wohl damit rechnen, die neuen Praktikumsanforderungen zeitaufwändig nachholen zu müssen.
Praxisbezug ohne Praxis
Erhebliche Änderungen kommen auch in der Masterphase auf Universitäten und Studierende zu. So wird das momentan zu absolvierende achtwöchige Praktikum durch ein „Praxissemester, das den Lernort Schule einbezieht“ (Pressemitteilung des Ministeriums) ersetzt. Diese Maßnahme soll laut Ministerium ebenfalls der Verbesserung des Praxisbezugs in der LehrerInnenausbildung dienen – bei genauerem Hinsehen fällt allerdings dafür ab 2011 ein halbes, ab 2015 sogar ein komplettes Jahr Referendariatszeit weg. Die Konsequenzen dieser in der Pressemitteilung als „Straffung“ und „Modernisierung“ des Referendariats euphemisierten Änderungen stoßen indes bei dem Fachschaftsrat auf erhebliche Bedenken. So reduziert sich die vom Ministerium gepriesene Praxiserfahrung angehender LehrerInnen durch die Reform trotz des neuen Praxissemsters ab 2015 effektiv um ein halbes Jahr. Sebastian Aretz weist zudem noch auf den finanziellen Aspekt der Neuregelung hin: Eine Referendariatsstelle kostet das Land jeden Monat mindestens 1052,06 Euro. Das Praxissemester wird dagegen vermutlich unbezahlt bleiben. Die Verteilung von „Praxiserfahrung“ aus der Anwärterzeit ins Studium bedeutet also für das Land erhebliche Einsparungen. Die Verkürzung des Referendariats aus Kostengründen wird auch von der Opposition und Lehrerverbänden kritisiert. Problemtisch ist zudem, dass finanziell weniger gut situierte Studierende während des Praxissemesters weiter Studiengebühren zahlen müssen, dabei jedoch kaum Zeit für Nebenjobs haben werden. „Hier zeichnet sich wieder eine Benachteiligung für die sozial Schwächeren ab“, befürchtet Aretz.
Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist für Frühjahr 2009 geplant. In der Umsetzung der Reformen werden die Universitäten ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit erhalten. An der Ruhr-Universität beschäftigt sich der Gesamtausschuss für Lehramt (GALA), in dem auch zwei studentische VertreterInnen Stimmrecht besitzen, demnächst mit der Umsetzung. Über die konkreten Konsequenzen der neuen Gesetzgebung für die LehrerInnenausbildung an der RUB wird also weiterhin zu berichten sein.
0 comments