Man hält sich bedeckt bei Scanbull. Neben der offiziellen Presseerklärung, die eine übereuphorische Erfolgsmeldung darstellt, ist bisher nur wenig bekannt. Aus unterschiedlichen Quellen hört man, die Miete für die Fabrikhallen soll vergleichsweise niedrig sein. Schließlich führt auch jeder weitere Tag, an dem das Nokia-Werk einer Geisterstadt gleicht, zu einem größeren Imageschaden für den Mobilfunkriesen; jedenfalls lokal – überregional ist Nokia kaum noch ein Thema. Die große Boykottwelle blieb aus. Aber will Nokia auch im Ruhrgebiet wieder als „sozial kompetentes“ Unternehmen auftreten, muss immerhin der Anschein entstehen, die Region zu unterstützen. Finden Nokia und das Land NRW also schnell Nachfolger für das Werk in Riemke, kann wieder mit gutem Gewissen in Rumänien unter dem branchenüblichen Tarif gezahlt werden. Man kümmert sich ja um das arg gebeutelte Bochum. Das muss reichen.
Neue Chance oder Ausbeutung?
Ein Großteil der neuen Arbeitsplätze bei Scanbull wird durch die Transfergesellschaft vermittelt, welche die Ex-Nokianerinnen und -Nokianer gründeten, um schnell wieder der Arbeitslosigkeit unter einem damit verbundenen sozialen Abstieg zu entgehen. Für Einige wird dieser Wunsch also tatsächlich Realität, und selbst am Standort ändert sich nichts. Kein Umzug, keine Wohnungssuche und die Kinder können weiterhin die Schule besuchen, zu der auch alle ihre Freundinnen und Freunde gehen. Klingt perfekt. Doch welchen Preis zahlen Menschen, wenn über ihnen das Damokles-Schwert der Arbeitslosigkeit baumelt? Welche Anreize bestanden tatsächlich für Scanbull, ausgerechnet nach Bochum zu kommen? Liegt es nur am günstigen Mietpreis? Oder sind die ehemaligen Nokia-Beschäftigten in ihrer Verzweiflung bereit, unter Tarif zu arbeiten, wenn ein neuer Job am alten Standort winkt? Bisher ist das reine Spekulation – der Verdacht liegt jedoch nahe. Die zuständigen Gewerkschaften konnten uns bisher keine Informationen liefern. Man prüfe aktuell selbst noch den Sachverhalt und wolle keine vorschnellen Schlüsse ziehen.
Ein Blick in die Glaskugel
Die Zukunft des Scanner-Herstellers in Bochum ist aktuell nur schwer abzuschätzen. Die Miete für Fabrikhallen des Nokia-Werks dürfte günstig sein, und die ArbeitnehmerInnen in Bochum sind gut ausgebildet und verfügen über große Erfahrung. Bleibt jedoch die Frage, ob sich das Unternehmen von diesen Punkten ködern ließ, oder doch lieber soziales Gewissen zugunsten billiger Arbeitskräfte zu opfern beabsichtigt.
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