Einem der insgesamt vier Stücke, die am Wochenende unter dem Titel „Lieblingsmenschen und Hassobjekte“ auf die Studiobühne des MZ gebracht wurden, gelang es sogar, ein wahres Premierenfeuerwerk zu entfachen: Während die „Lieblingsmenschen“ von Laura de Weck im zweiten Teil des Abends die hochgesteckten Erwartungen nicht ganz erfüllen konnten, löste ein schauspielerisch hervorragend umgesetzter „Live Action Comic Strip“ namens „Hotel Arkham“ als Höhepunkt vor der Pause tosenden Beifall im vollbesetzten Zuschauerraum aus.
Hintergründiges „Dahinter“
Den vielversprechenden Auftakt markiert zuvor die vor dem Vorhang zur Studiobühne im Foyer spielende Miniatur „Dahinter“ (Regie: Karin Freymeyer): Das klassische Thema verliebter Irrungen und Wirrungen wird hintergründig auf das Theater als Ort beruflichen Broterwerbs selbst bezogen und ironisch die Frage nach der (Un-)Möglichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen im Spannungsraum prekarisierter Beschäftigungsverhältnisse aufgeworfen. Sehr gelungen ist das Spiel mit selbstreferentiellen Theaterpointen: Durch die Perpetuierung des Probezustands wird die Tragik zwischenmenschlicher Beziehungen zur Groteske umgebogen. Das etwas abrupte Ende des doppelbödigen Bühnengeschehens lässt Spielraum für eine Weiterführung des Themas und macht neugierig auf weitere Variationen des zentralen Motivs komplizierter Dreiecksbeziehungen, bei denen der „Betrüger“ schließlich vielfach selbst als „Betrogener“ dasteht.
Existentialistische „Grauzonen“
Eine in der ganzen Bandbreite der konfuzianischen Weisheit von der „Liebe als Zucker und Salz des Lebens“ schillernde Spielart des Themas „Lieblingsmenschen“ realisiert Nachwuchsregisseur Christoph Todt im anschließend gezeigten Stück „Grauzonen“: Zu Beginn werden mit Leuchtbuchstaben beschriftete Tafeln, die das Leitthema variieren, zum existentialistischen Postulat „LASS MICH SEIN“ formiert, das am Ende der Miniatur mit der Buchstabensequenz „ENDLOS“ korrespondiert. Die äußere Handlung ist von einer fragmentarisiert dargestellten, konfliktreichen Dreiecksrelation sowie ineinander verschachtelten Familien- und Freundschaftsbeziehungen (mit zuweilen jedoch etwas gedehnt wirkenden Dialogsequenzen) geprägt. Nach einem mit literarischen Zitaten von Lessing über Proust zu Brecht und Hesse angereicherten Reigen wechselnder Beziehungs- und Konfliktkonstellationen erfährt das Dramulett schließlich aber eine durchaus harmonische Auflösung.
Bombastisches „Hotel Arkham“
An der nächsten Bühnenstation erwartet ein exzentrisches Ballett erlesener SchurkInnen aus dem reichen Fundus der europäischen Kulturgeschichte von Lady Macbeth über Marie Antoinette bis zu der zur Killerschlumpfine mutierten „Mystique“ das Publikum: Unter Aufsicht des gealterten Hotelportiers Darth Vader lassen sich die historischen Schurkinnen auf ein wildes Ränkespiel mit illustren Film- und Comicschurken wie Alex De Large („Clockwork Orange“) und Batman-Gegenspieler „Joker“ ein. Derweil geistert Hasenjäger Elmer Fudd immer wieder durchs Publikum, um Bugs Bunny zur Strecke zu bringen, und sich schließlich mit Cruella de Vil, der hundefellfetischistischen „Oberschurkin“ aus Disneys „101 Dalmatiner“, zusammenzutun… „Ein Stück voller Schall und Bombast, aber ohne Sinn“, heißt es in einer kommentierenden Replik gegen Ende. Das Publikum jedenfalls weiß die große schauspielerische Leistung und das ausgezeichnet aufgegangene Konzept des Autors und Regisseurs Christian Quitschke, der außerdem Darth Vader spielt, mit langem stürmischem Applaus zu würdigen.
„Mein Gott, geh’ endlich ran, Mann…“
Thema des Einakters „Lieblingsmenschen“ von Laura de Weck (Regie: Karin Freymeyer) ist schließlich die völlige Unfähigkeit zu zwischenmenschlichen Beziehungen sowie zur Kommunikation im Allgemeinen. Zerfressen von überhöhten Anforderungen im Uni-Alltag sehen sich drei Frauen und zwei Männer einem Trümmerhaufen auf reine Äußerlichkeiten beschränkter sozialer Interaktion gegenüber. Die über lange Passagen inhaltsleeren und floskelhaften Dialoge der AkteurInnen werden leitmotivisch als ausgedehnte SMS-Postings inszeniert. Selbst per SMS will dem Protagonisten das Wörtchen „Revolution“ als mögliche Alternative zum quälenden Geschehen jedoch nicht über die Lippen kommen, und stattdessen verfängt er sich schließlich in widersprüchlichem Gefasel von „Arbeit“, „Verantwortung übernehmen“ und „Familie gründen“, um dann vor dem Hintergrund der eigenen Familiengeschichte plötzlich die „Studentenbewegung“ zu idealisieren.
Jegliches zwischenmenschliche Miteinander scheint durch die Egomanie der Beteiligten, die untereinander zumeist rein körperliche Beziehungen eingehen, zersetzt, und jedeR ist vor allem auf seine persönlichen Karriereziele fixiert. Obwohl das Stück die ZuschauerInnen dort abzuholen sucht, wo sie von sinnfreien US-Sitcoms zurückgelassen werden, gelingt es den „Lieblingsmenschen“ nicht, weit über dieses Genre hinauszukommen, und die Längen des Stückes bringen es am Ende mit sich, dass man/frau trotz der dramatischen Auflösung am Ende merkwürdig unberührt zurückbleibt. Wenn der zweite Teil des zweieinhalbstündigen Abends mit dem eigentlichen Headliner auch etwas lang erscheint und sich die ZuschauerInnen sicherlich gewünscht hätten, dass Gott bei den ausgedehnten SMS-Sequenzen zur Verdeutlichung sinnfreier zwischenmenschlicher Kommunikation im letzten Stück endlich rangegangen wäre, ist „Lieblingsmenschen und Hassobjekte“ zweifellos einen Besuch wert. Hierzu gibt es im Musischen Zentrum der RUB noch vom 10. bis 13. Juli jeweils ab 19.30 Uhr Gelegenheit. Der Eintritt ist frei.  Â
USch
0 comments