Die 21-jährige Tanja
Graeff aus Trier wird vermisst – und Studenten aus der ganzen Republik suchen mit. Über „studi-vz” entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit eine 10.000 Seelen große Solidargemeinschaft. Auch an der RUB halten Kommilitonen fleißig Ausschau.

„Wir versuchen einfach, ganz Deutschland mit aufmerksamen Leuten abzudecken”, sagt Christian Steffen. Der Siegener Student bangt um seine Freundin, Tanja Graeff aus Korlingen bei Trier. „Wenn Tanja noch lebt, könnte sie schließlich inzwischen überall sein.” Die junge Frau kehrte am Donnerstag vergangener Woche nicht vom Sommerfest der Fachhochschule Schneidershof zurück, wo sie studiert.
In der Folge traten Eltern und Freunde der 21-Jährigen eine Solidaraktion los, die mit Hilfe des Internets nie bekannte Dimensionen erreichte. Über 12.000 Mitglieder hat das Internet-Forum „Tanja wird vermisst” im „studi-vz” inzwischen, in dem sich die Helfer untereinander austauschen. „Ich möchte irgendwie helfen, sagt mir bitte wie”, schreibt etwa Wiebke Düsterhoff von der Uni Lübeck. Sie wünscht „von Herzen alles Gute” und behängt die Marzipanstadt mit Vermissten-Plakaten.
 „Wir waren selbst überrascht, wieviele Leute sich spontan beteiligt haben”, sagt Steffen. Er hat seit fünf Tagen eine Homepage geschaltet, empfängt seitdem täglich bis zu 500 Mails. „Von Anteilnahme über Hellseherinnen-Fantasien bis zu richtig konkreten Tipps ist alles dabei”, so der 21-Jährige.
Geographie-Studentin Annika versucht auch zu helfen, ihre Mitgliedschaft in der Gruppe ist für sie mehr als blinder Aktionismus. „Wenn sie entführt wurde, dann doch wahrscheinlich weit weg“, meint die RUB-Studentin. „Wenn sich alle Mitglieder der Gruppe nur ein bisschen umhören, wird ein dichtes Netz gesponnen.“ Annika spinnt im Haus Michel. Im katholischen Wohnheim sowie am schwarzen Brett ihres Instituts hängen die von ihr ausgedruckten Suchplakate. Aber: Auch wenn sich das lächelnde Vermissten-Foto von Tanja inzwischen in Annikas Kopf eingebrannt hätte, „gesehen hab ich auch niemanden“.
Tanjas Freund Christian Steffen selbst trat den solidarischen Schneeball im „studi-vz” los, indem er die Vermissten-Anzeige statt seines Profilbildes einsetzte. Dies sieht jeder, der Steffen im Portal aufsucht – ideal zur schnellen Weitergabe des Hilferufs. „Viele kopierten sich die Anzeige und machten das Ganze nach”, berichtet Steffen. So lächelt das zierliche Gesicht Tanjas samt des Schriftzugs „Vermisst” von den Profilen einiger Tausend Studenten im Internet.
Vorher starteten Steffen und der „engere Kreis” von Freunden und Familie, der seit Tagen rund um die Uhr nach Tanja sucht, herkömmlichere Aktionen, die aber ins Leere führten. Diverse Infostände informierten, Copy-Läden und Werbeagenturen sponsorten 50.000 Flyer und Plakate. Busfahrer verteilten diese an Fahrgäste, Universitäten aus dem Umland beteiligten sich mit Hilfsaktionen. 1.000 Menschen haben auf dem Trierer Domfreihof ihre Solidarität mit der Verschwundenen bekundet. Mit einer Lichterkette und einem Marsch durch Teile der Innenstadt brachten sie ihre Anteilnahme am Schicksal der Vermissten zum Ausdruck. „Das war alles hilfreich und gut, führte aber nicht zu der Verbreitung, die wir wollten”, so Steffen.
 Daher die Idee mit dem Studi-VZ. Die Akademiker-Maschine sorgte, einmal ins Rollen gekommen, für schnelle Verbreitung. „Wenn Tanja noch lebt, wissen sie oder ihre Entführer inzwischen von unseren Bemühungen”, ist sich Steffen sicher. Außerdem wären jetzt überall die Augen offen, von Flensburg bis Freiburg. „Überregionale Suche wäre für uns sonst nicht möglich gewesen.” Man hört Steffen an, was seinen Aktionismus stark machen soll: Das Gefühl, alles versuchen zu wollen, um Tanja doch noch lebend zu finden.
 „Etwas haben wir zumindest erreicht”, findet der Siegener. Neben Traurigkeit liegt auch eine Spur Trotz in seiner Stimme. „Wir wollten Menschen informieren.” Sein Weg ist außergewöhnlich, das Ziel bleibt bisher außer Reichweite. Bei der Suche nach der 21-Jährigen zeichnen sich im Gegenteil kaum Ermittlungserfolge ab. Die „Soko FH“ muss zeitgleich Hinweisen nachgehen, die sich widersprechen. Nachdem die Solidarität und Hilfsbereitschaft im Internet also in nie gekannte Dimensionen vordringt, je länger Tanja vermisst wird, sinkt damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese noch lebend gefunden wird.

m bp

Tanja Graeff ist 1,73 m groß und schlank. Sie hat dunkles, rötliches Haar. Sie war bekleidet mit einem braunen T-Shirt, einer blauen Jeans und weißen Turnschuhen. Hinweise nimmt die Trierer Polizei unter 0651 /9779 2290 entgegen. Wer die Aktion „Tanja wird vermisst“ unterstützen will, bekommt Infos unter: suche-tanja.fh-trier.de

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