Eine Szene aus einem x-beliebigen Western: John betritt den Saloon, sieht drei dunkle Gestalten beim Poker um große Batzen von grünen Geldscheinen. Spieler im Kasino lassen ihr Geld schon am Eingang und bekommen dafür Jetons. Der psychologische Effekt liegt auf der Hand, muss doch kein echtes Geld in die Tischmitte geschoben werden, sondern nur spielzeugartige Plastikchips.
Die Risikobereitschaft der Gäste steigt, ebenso der Kasinogewinn. Mit der Verbreitung des Internets gelang der Glücksspielindustrie ihr wohl größter Coup: „Scared Money“ muss nicht mehr bewegt werden, viel mehr liegt der Reichtum nur noch einen Mausklick entfernt. Hemmschwelle ade.
„Es gibt immer ein Spiel“
Der Siegeszug mit Aufschrift „Onlinepoker“ überrollt seit Jahren Kinderzimmer und Büros, macht vor keinem Milieu und Alter halt. Werbung von Onlinepoker-Rooms zur Hauptsendezeit spricht Bände, längst ist es schick, sich über die Session von letzter Nacht zu unterhalten. Dutzende Millionen von Spielern haben weltweit schon online ein unendliches Kontingent von Spielgeld verbraten, Zehntausende spielen jede Nacht aber auch um echtes Geld, transferiert auf einen Spielbankaccount. Ein ungemein großer Anteil Letzterer setzt dabei allein auf den Kick Geld zu gewinnen und zu verlieren, es geht dem Durchschnittspieler eher um Unterhaltung als ums Gewinnen. Für sie ist Poker ein Glücksspiel, mit gleichen Siegeschancen bei jeder neuen ausgeteilten Hand. An dieser Stelle tritt der andere Teil der Gambler auf den Plan. Sie haben Poker als Strategiespiel mit Glückskomponente erkannt und verdienen langfristig gesehen von jenen Spielern Geld, die sich weniger bemühen das Spiel wirklich zu verstehen und aus ihrer „Edge“, so nennt man im Fachjargon den Vorteil gegenüber anderen Spielern, Profit zu schlagen. So wandert in einem ständig währenden Prozess das Geld langsam von schlechten zu guten Spielern. Der Großteil verzeichnet dabei monatliche Gewinne, die etwa einem Taschengeld gleichkommen. Einem kleineren Teil gelingt es, sich durch Geduld und strategische Fertigkeiten das Studium zu finanzieren oder bedeutend zum Lebensunterhalt beizutragen. Ganz oben in der Nahrungskette stehen die drei Prozent, die für Poker ihren Job gekündigt haben und von sich behaupten können, dank eines Kartenspiels einen luxuriösen Lebensstil zu zelebrieren. Ein Extrembeispiel soll an dieser Stelle Nick „Stoxtrader“ Grunzien sein. Sein Gewinn beläuft sich durchschnittlich auf 1300 Dollar − pro Stunde. Warum jedoch suchen die Scharen die Competition im Internet und nicht actiongeladen, von Angesicht zu Angesicht, im Casino ? Hier stehen natürlich Bequemlichkeit und die geliebte, häusliche Umgebung im Vordergrund. Man kann nebenher rauchen und Musik hören, Manche schauen zeitgleich Fern oder beantworten E-Mails. Den nächsten Vorteil bringt die Werbesendung des Marktführers auf den Punkt: „Es gibt immer ein Spiel“. Zudem übersteigt online die Anzahl der gespielten Hände der in einer Spielbank etwa um das Vierfache. Die Bedenkzeit ist in der Regel auf 15 Sekunden beschränkt, und dem Spieler ist es möglich, an bis zu zwölf Tischen gleichzeitig sein Geschick unter Beweis zu stellen, was der Winrate pro Stunde sehr förderlich ist.
Nice Hand, Sir
Viel Praxis und Talent machen jedoch noch keinen „Winning Player“ aus. Das ständige Studium von Strategieartikeln und Büchern zum Thema ist absolut unerlässlich, um in jeder Spielsituation, und davon gibt es gegner- und kartenabhängig unendlich viele Verschiedene, die richtige Entscheidung zu treffen. Als äußerst hilfreich haben sich Foren erwiesen, in denen Ehrgeizige ihre unsicher gespielten Hände posten können, die während des Spielens von Programmen und Datenbanken aufgezeichnet und zur besseren Lesbarkeit in HTML-Codes konvertiert werden.
So versetzt man die Forencommunity in zurückliegende Spielsituationen und schon können die teilweise seitenlangen Diskussionen über Raise, Call und Fold beginnen. Berühmteste deutschsprachige Seite ist hier www.pokerstrategy.de, die neben einer Vielzahl an Artikeln und Foren den Usern sogar Livecoachings via Teamspeak vermittelt. Sollten sich einmal Metierfremde in ein solches Forum verirren, sie müssten die Verfasser der Beiträge allesamt für durchgeknallte Freaks halten, die in einer fremden Sprache verrückte Pläne aushecken. Selbst Jenen sollten hier die Fragezeichen auf der Stirn stehen, die sich wochenendlich im Freundeskreis zu einer kleinen Pokerrunde zusammen treffen. Welchem Spieler jetzt auf Anhieb nicht klar ist, dass man FR any Pocketpair im BU und CO nach einem vier BB Raise aus UTG+1 und drei Coldcallern aufgrund der guten Implied Odds ez auf Setvalue callen sollte und IP sogar noch UI einen Draw gegen weake Villains +EV spielen kann, dem sei an dieser Stelle absolut verziehen.
m pxb
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