Dieses angenehme Gefühl wollte die Bogestra offenbar bei ihren Fahrgästen wecken, indem sie ihnen 225 so genannte Kundenbetreuer auf den Hals hetzte, die seit etwa einem Monat für Wohlbehagen in Bus und Bahn sorgen sollen. In der Praxis sorgen die neuen BetreuerInnen allerdings eher für ein Überangebot an Fahrkartenkontrollen. Buchstäblich in jeder U35 und in fünf anderen stark frequentierten Linien ist seit Anfang Mai eine Servicekraft an Bord. Das Zücken des Tickets wird zum Reflex.

 

Die Fahrscheine bitte!

Kartenkontrolle ist zwar laut Pressemitteilung der Bogestra keine der fünf Hauptaufgaben der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – angesichts der gähnenden Langeweile, die ansonsten unausweichlich scheint, ist die Beschäftigung mit den schmucken Kartenlesegeräten aber bestimmt eine willkommene Abwechslung. Es erscheint ja eher schwer vorstellbar, einen langen Arbeitstag damit zu füllen, hilflosen Fahrgästen die verkehrstechnischen Unwägbarkeiten auf dem Weg zwischen – sagen wir – dem Bochumer Hauptbahnhof und der Ruhr-Uni zu erläutern. Abgesehen von der augenscheinlich eher geringen Nachfrage nach Fahrplanauskünften sind die Aufgabenfelder der Kundenbetreuer recht diffus. Die Erfüllung ihrer Pflichten im Bereich „Steigerung des Sicherheitsempfindens“ und „Vandalismusvorbeugung“ leisten die BogestratInnen jedenfalls eigentlich schon in dem Moment, in dem sie das ihnen zugewiesene Verkehrsmittel uniformiert betreten. Wenn dann wieder keiner nach dem Weg fragt, bleibt eben nur die Kartenkontrolle als Ausweg aus der Tatenlosigkeit. („Nun FRAGEN Sie mich doch IRGENDWAS! Wollen Sie wissen, wie man am besten nach Wanne-Eickel fährt? Nein? Na gut. Haben Sie ein Ticket?“)

Kontrolle gut, alles gut

Von der Bogestra wird das Projekt Kundenbetreuer indes mit einer PR-Kampagne begleitet, die treffend mit dem Begriff euphemisierend zu beschreiben ist. Auf den Pressefotos weisen fröhliche BetreuerInnen andere fröhlichen Menschen auf bestimmte Seiten in der Fahrplanauskunft hin, und ein launiges Gewinnspiel soll die gute Stimmung aller Beteiligten sogar noch weiter verstärken: Wer bei sechs verschiedenen MitarbeiterInnen sechs unterschiedliche „Service-Aufkleber“ sammelt (nicht so schwer, man trifft ja genug), kann diese anschließend auf eine Postkarte kleben und an die Bogestra schicken. Das Motto des Projektes lautet: „Immer an Ihrer Seite“. Angesichts der bisher zu beobachtenden Diskrepanz zwischen der eher geringen Servicebedürftigkeit der Fahrgäste und dem Überangebot an BetreuerInnen (respektive: KontrolleurInnen) wirkt dieses Motto beinahe bedrohlich. Dass eine Flut von 225 neuen Servicekräften den tatsächlichen Hilfsbedarf übersteigen könnte, überrascht jedenfalls wenig – die Vermutung liegt daher nahe, dass verstärkte Kontrollen in den Überlegungen der Bogestra eine mindestens ebenso große Rolle spielen wie die propagierte Steigerung der Kundenzufriedenheit.

Soziale Verantwortung?

Nicht zuletzt verdient der sozialpolitische Aspekt des Betreuungsprojektes Aufmerksamkeit. Die Zusammenarbeit der Bogestra mit Land, EU und den ARGEN der Region soll den als KundenbetreuerInnen eingesetzten Langzeitarbeitslosen die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Ob und wenn in welchem Umfang dies gelingen kann, ist jedoch noch nicht abzusehen und hängt auch davon ab, ob sich der Einsatz der BetreuerInnen wirtschaftlich bezahlt macht. Sicher ist eben nur, dass die Bogestra sieben Monate lang auf ein Heer von zusätzlichen Arbeitskräften zurückgreifen kann, deren Bezahlung mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Von Seiten der Bogestra wird indes betont, dass man ausdrücklich nicht auf der Suche nach Tarifschlupflöchern sei. Das Projekt diene vor allem der Qualitätsverbesserung des ÖPNV und basiere auf den guten Erfahrungen, die man mit KundenbertreuerInnen in Gelsenkirchen sammeln konnte. Es sei zudem nur eine Frage der Zeit, bis diese „Qualitätsverbesserung“ auch mehr umfassen könne als verstärkte Kontrollen – die neuen BetreuerInnen befänden sich momentan noch in einer Eingewöhnungsphase.

Der Bogestra scheinen unterdessen die Ideen zur Nutzung der subventionierten Mitarbeiterflut nicht auszugehen. Pünktlich startete dieser Tage die Initiative „Nicht hier“, mit der Essen, Trinken und laute Musik aus den Bahnen verbannt werden sollen. Kontrollierende zur Überwachung dieser Verbote gibt es ja nun genug…

haje

Seit Mai sind 225 Langzeitarbeitslose als KundenbetreuerInnen für die Bogestra im Einsatz. Das Pilotprojekt beruht auf einer Zusammenarbeit der Bogestra mit den ARGEN der Region, des Landes NRW und der EU. Ziel ist es, die eingesetzten Langzeitarbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Insgesamt wird das Projekt mit 5,3 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln gefördert. Für die Ausbildung der BetreuerInnen war die Bogestra selbst verantwortlich. Im November endet das Projekt – dann entscheidet sich, wie viele der KundenbetreuerInnen weiter für das Verkehrsunternehmen tätig sein werden.

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