0:0 gegen Irland bedeutet die Welt
Erst sind wir Papst, dann zum zweiten Mal Weltmeisterin und jetzt werden wir auch noch Österreich und die Schweiz überrollen. Mit einem Lederball zumindest. Glaubt man den Lobeshymnen über die deutsche Nationalmannschaft, dann bedeutet ein 0:0 gegen Irland inzwischen die Welt – ganz bestimmt aber den EM-Titel. Eine Tirade wider die schwarz-weiß(-malend)en Jubelorgien.
Theo Zwanziger ist „stolz auf diese Nationalmannschaft“. Oliver Bierhoff weiß nicht, „wann wir zuletzt so souverän waren“. Harald Schmidt weiß tatsächlich „nicht, was ich sagen soll“. Und hätte man Eva Hermann gefragt, der Grundstein für den deutschen Durchmarsch wäre garantiert – aber lassen wir das. Fußball-Deutschland darf mal wieder patriotisch aufflammen. Schön das. Die Weltmeisterin entdeckt ihre Männer zurück. Denn, auch ein Beckenbauer-Zitat darf nicht fehlen, „wir fahren mit einem Riesen-Vorsprung zur EM“.
Dabei bleibt allerdings nicht nur die Frage offen, ob jemand dem Kaiser erklärt, dass es leider keine Boni für die vorzeitige Qualifikation bei Nationenturnieren gibt. Auch wenn Kritiker im Freudentaumel sich meist der Gefahr hingeben, als Zwangsindividualist zu gelten, darf hoffentlich der objektive Versuch einer kleinen Analyse geprobt werden. Was war eigentlich los da in Dublin? Was verursachte diesen kollektiven Endorphinrausch im Blätterwald? Bösartig, wer unterstellte, die sonst so bärbeißige Kommentatorenschar hätte erst vier Pints geleert, um danach Kreide zu fressen – aber was sonst steckt hinter der Hochkonjunktur für rosarote Brillen?!
Fangen wir von hinten an. Da war‘s nämlich toll. Torwartprobleme kennt Deutschlands Fußball wahrlich nicht – obwohl „wir“ (immer wieder ein wohliger Schauer, dieses pathetischen Personalpronomina für „meine“ Elf) uns das im Vorfeld fast von Arsene Wenger oder FC Valencia-Fans haben einreden lassen. Aber „unser“ Keeper Jense hat‘s allen gezeigt. Doof war nur – heute kein Lob ohne Einschränkung – die gelbe Karte am Ende. „Wenn ich den Schiri gebeten hätte, sie wegzulassen, hätte er‘s sich überlegt“, bellte Lehmann am Ende ins Mikrofon. Es grenzte schon fast an Kahn‘sche Blöd… äh Sturheit, dies auszuschlagen und sich stattdessen ins Schicksal „Sperre“ zu ergeben. Vor ihm gab‘s auch wenig Tadel – Mertesacker und Metzelder sind eine Bank. Die Null stand gegen angriffslahme Iren. Was aber stellen Holland, Italien oder die starken Schweden mit Werders Vorstopper und Reals Edelreservisten an? Soviel Skepsis sei erlaubt – Irlands Sturm-Opa Robbie Keane ist dafür einfach kein Gradmesser.
Defensivblock aus Mitläufern
Dagegen sollte deren Defensivblock aus Premier-League-Mitläufern durchaus selbiger für die deutschen Angriffsbemühungen sein. Ja, klar – „wir“ brauchten nur ‚nen Punkt, logisch. Aber ‚ne „Schmach von Cordoba“ war das doch wohl auch nicht, oder? Also. Unverblümt hingeschaut kam absolut kein Offensivdrang über die Außen, schon Friedrich und Jansen hätten dafür aus der Abwehr heraus Zeit genug gehabt, waren sie doch gnadenlos unterbeschäftigt. Dieses Defizit, bei Europas Topteams wie Chelsea oder Real Grundpfeiler schneller Tempo-Gegenstöße, zieht sich seit Jahrzehnten als Schwachpunkt durch das deutsche Spiel. Fritz und Trochowski – da muss ich meinem ewig revisionierenden Großvater Recht geben – wären in den 70ern wohl kaum Nationalspieler geworden – am Samstag zeigten sie, warum. Mein Trainer sagte immer, ich soll dem Ball entgegen gehen, wenn mir jemand einen Pass zuspielt – warum eigentlich, diese Auswahlspieler tun‘s doch auch nicht. Zuletzt Kuranyi und vor allem Gomez: So handzahme Spitzen hatte die deutsche Nationalmannschaft selten – gottseidank natürlich auch nicht in der sonstigen Qualifikation, das sei zugestanden.
Von wegen souveräner Vorsprung… Schweden und Kroatien haben zumindest eine ähnlich souveräne Quali gespielt – keiner zählt die aber zum Favoritenkreis. Und wer jetzt wagt, mich „Netzer“ zu schimpfen, dem zeig‘ ich meine linke Klebe.
bp
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