Ein Jahr nach dem Sommermärchen
Was ist von der Stimmung geblieben?
Im Sommer 2006 bestimmte in Deutschland die schwarz-rot-goldene Flagge das Straßenbild. Nicht zu vergessen ist die Zeit, als sich Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen in den Armen lagen, miteinander feierten, träumten, hofften und weinten. Selbst unsere sonst eher pragmatisch vorgehende Kanzlerin fieberte bei den Austragungen mit. Auf dem Campus begegneten uns Studierenden täglich die verschiedensten Trikots. Studentinnen und Studenten der RUB verließen vorzeitig die Seminare und Vorlesungen, um sich gemeinsam die Fußballspiele beispielsweise auf der Leinwand des Kulturcafés anzuschauen.
Kurz: Eine Phase, als ganz Deutschland sich in eine riesige Party- und Fußball-Nation verwandelte und „die Welt zu Gast bei Freunden“ war.
Wie sieht es ein Jahr nach der Weltmeisterschaft aus? Hat die Stimmung bzw. Euphorie nicht doch Spuren in eines jeden Leben hinterlassen?
Als positiven Aspekt der WM-Hochstimmung lässt sich aus medizinischer Sicht auf jeden Fall der Anstieg der Geburten neun Monate nach dem Sommermärchen nennen. Gemäß den Angaben von n-tv (25.4.2007) soll laut einer Umfrage der Wochenzeitung „Die Zeit“, die in unterschiedlichen Krankenhäusern in der gesamten BRD durchgeführt wurde, vereinzelt sogar ein Geburtenzuwachs von bis zu 30% gegenüber dem Vorjahr erkennbar sein. So sei die Zahl der Neugeborenen im Bremer Zentralkrankenhaus im März um 28,6% angestiegen. Und das gerade in einer Zeit, in der Deutschland offenbar dringend einen Geburtenzuwachs benötigt.
Imageverbesserung
Zudem scheint auch das Ansehen der deutschen Nation in der Welt an Wert dazu gewonnen zu haben. Der Blickwinkel unserer Nachbarländer hat sich geklärt: Aus dem tristen Deutschland mit seinen oft als spießigen, unfreundlichen und dem preußischen Ideal entsprechenden Bewohnern ist eine weltoffene, heitere und zuvorkommende Gemeinschaft geworden. Ein Land, dass sich selbst in einem Hitzeloch, wie wir es sonst nur von den kanarischen Inseln oder den sehr weit südlich liegenden Urlaubszielen kennen, sowie in einer friedlichen Atmosphäre fast ohne Auseinandersetzungen mit Hooligans oder anderem pöbelndem Volk präsentierte, hat Deutschland wieder als Reiseziel beliebt gemacht. So spricht touristikpresse.net am 15.5.2007 von einem „Volltreffer für den Deutschland-Tourismus“ sowie einer Senkung des Reiseverkehrsbilanzdefizits von 2,8 Milliarden Euro im WM-Jahr.
Aber nicht nur die anderen Nationen, sondern wir selbst sehen uns in einem neuen Licht. Gemäß idw-online.de vom 6.6.2007 sei es zu einer „Image-Verbesserung auf den Exportmärkten und Stimmungswandel im Inland“ gekommen. So habe die WM-Euphorie zu einer größeren Konsumbereitschaft und optimistischeren Zukunftsstimmung geführt, was folglich auch den gegenwärtigen Konjunkturaufschwung beflügelt habe.
Studi-Sport
Die Erkenntnis, dass auch die Deutschen Fußball spielen können, sei noch nebenbei anzumerken. Dennoch hat der Fußball in Deutschland einen wesentlich höheren Stellenwert als vor der WM. So besteht in der Gesellschaft ein viel größeres Interesse an der Teilnahme fußballerischer Veranstaltungen. Daher soll nach Angaben des AStA-Sportreferenten Peter Käpernick der neue Rasenplatz hinter der G-Reihe Studenten und Fachschaften kostenlos zur Verfügung gestellt, Fußballtuniere organisiert und das Public-Viewing Angebot bei Sporthighlights mittels Premiere/Arena im Kultur-Café gefördert werden.
Auswirkungen auf das
Campus-Leben
Noch vor einem Jahr konnten wir feststellen, dass selbst unsere Profs, von denen wir meist glauben, dass sie außerhalb der Uni kein Leben mehr führen, ihre Seminare und Vorlesungen pünktlich zum Anpfiff auf dem Rasen vorzeitig beendeten. Da hatten selbst Gegner des runden Leders ihre Vorteile und konnten bei strahlendem Sonnenschein die Uni ein Stündchen eher verlassen.
Diese Zeiten scheinen aber längst zum Archiv der Universität zu gehören und nur noch in der Überlieferung am Leben zu bleiben. Das Leben auf dem Campus hat sich längst normalisiert. An ein Sommermärchen glaubt wohl keiner mehr. Auch wenn einem das bei dem anstehenden Klausuren schon mal ganz lieb wäre, nicht in der Realität zu sein…! Aber das ist ein anderes Thema.
Kurzum: WM-Fieber und Campus-Leben scheinen außer dem Bindestrich im Namen keine Gemeinsamkeit mehr zu haben. Trotzdem können wir sicher noch auf zahlreiche Veranstaltungen auf dem Campus hoffen, die die Möglichkeit bieten, zusammen zu feiern und ein bisschen von diesem Feeling wieder aufleben zu lassen.
Dennoch können wir als Studenten nur hoffen, dass uns eine Stimmung, wie die vor einem Jahr, möglichst bald wieder ergreift. Der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl können wir bis zur WM und darüber hinaus aber trotzdem beibehalten.
Denn nach der WM ist vor der EM!
                    Â
m kh / jen
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