Bild: Veraltete Dogmen statt modernen Argumenten

Pro-Kommentar. Am Sonntag wird nicht gearbeitet. Gemeinhin die Regel? Für die Privilegierten gilt das, alle anderen malochen.

„Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun […]“ (2. Mose, 20: 10). So steht’s in der Bibel. Ein Argument, dass 2017 noch angeführt werden kann, um ein Verbot von verkaufsoffenen Sonntagen durchzubringen? Für mich ganz klar nicht. Die Zahl der Kirchenaustritte ist hoch, die Zahl der KirchgängerInnen gering. 10,4 Prozent der KatholikInnen besuchten die Sonntagsmessen, 766.000 Menschen gingen zu evangelischen Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen, so die Zahlen von 2015/2016. 

Religion ist auf dem absteigenden Ast. Der Rettungsring, der die Gesellschaft jahrhundertelang zusammenhielt, hat ein Loch und säuft ab. In einer Zeit, in welcher der patriarchalische Einverdienerhaushalt die Gesellschaft dominierte, half der Sonntag dabei, sich zu besinnen und Zeit für die Familie zu finden. Beides ist heute nicht mehr gegeben. Emanzipation hat Frauen ins Berufsleben gebracht, das klassische Rollenbild gilt gemeinhin als überholt. Dennoch halten Gewerkschaften wie ver.di an religiösen Dogmen fest; Nike-tragende KapitalismusgegnerInnen rebellieren mit religiösen Argumenten gegen die bösen Unternehmen, die auch am Heiligen Sabbat nur Profit im Kopf haben.

Den Privilegierten noch mehr geben

Die Realität sieht derweil so aus: Außer im öffentlichen Dienst und im Einzelhandel ist der Sonntag schon lange nicht mehr heilig. Nicht nur Angestellte der Krankenhäuser, Feuerwehr und Polizei arbeiten sonntags. Auch ArbeitnehmerInnen die ausschließlich der Unterhaltung dienen, haben am siebten Tage keine Freizeit. Kinos, Freizeitparks, Zoos, Restaurants, sogar Versicherungen arbeiten am gottgeweihten heiligen Tag, teils mit mehr, teils mit weniger Personaleinsatz.

Nicht zuletzt wird die Arbeit am Tag des Herrn fürstlich entschädigt mit bis zu 150 Prozent auf den Grundlohn (IG Metall, Manteltarifvertrag für Beschäftigte zum Entgeltrahmenabkommen, 2005). Gegen die Zuschläge rebelliert niemand. Aber den Einzelhandel auf das Niveau des Rests der Welt zu holen und ihm das Privileg des freien Sonntags an fünf Tagen im Jahr nehmen zu wollen, das ist Gotteslästerung. 

:Kendra Smielowski

Lest dazu auch den Contrakommentar von unserem Redakteur Justin!

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