Das Auftreten von VRR-Vorstand José Luis Castrillo bei der Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) der Fachhochschule (FH) Dortmund war an Dreistigkeit kaum zu überbieten: Rund drei Stunden redete sich der Betriebswirt am 20. November vor mehreren hundert Studierenden in der vollbesetzten Mensa der Uni Dortmund um Kopf und Kragen – ohne viel Konkretes zu sagen. Nur eines wurde überdeutlich: Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ist offensichtlich nicht bereit, den vor Monaten vorgelegten neuen Vertragsentwurf zum Semesterticket nochmals grundlegend zu überarbeiten.
„Ich möchte Ihnen ein Kompliment machen“, klang es ein wenig wie im populären Programm des Kabarettisten Marc-Uwe Kling aus dem Publikum: „Sie stehen die ganze Zeit hier – reden mit uns, sagen aber nichts.“ So brachte nach über zwei Stunden ein Studierender die Quintessenz der Diskussion auf den Punkt, zu der das StuPa der FH Dortmund eingeladen hatte. Nur auf eines legte sich Castrillo fest: „Es wird kein zweites Angebot kommen.“ Und die Frage, ob er „als Geschäftsmann“ einen Vertrag für ein Produkt unterzeichnen würde, bei dem sich über einen Zeitraum von fünf Jahren kontinuierlich der Preis um über 40 Prozent erhöht, ohne dass eine Steigerung der verbrieften Leistung festgeschrieben ist, beantwortet der VRR-Vorstand eindeutig mit „Ja“ – was im big business zweifellos ein Kündigungsgrund sein dürfte.
Bald über 200 Euro fürs Semesterticket?
Obwohl bislang erst acht kleinere Hochschulen im Einzugsbereich des VRR den neuen Vertragsentwurf unterzeichnet haben, geht Castrillo davon aus, dass die übrigen nun nachziehen würden, um den Rahmen für die weitere Ausgestaltung des Tickets abzustecken. Tim Wirl, zweiter Vorsitzender des AStA der FH Dortmund, fühlt sich über den Tisch gezogen: „Ich hatte das Gefühl, dass wir niemals über Preise verhandelt haben. Jetzt geht es nur noch um die Stückelung – der Preis ist nun in Stein gemeißelt. Man hätte uns bei den Verhandlungen warnen müssen.“ Bei einer der Diskussion vorausgehenden Präsentation hatte Wirl deutlich gemacht, dass der Preis für das Semesterticket von derzeit 156,16 Euro bis zum Wintersemester 2019/20 auf mindestens 212 Euro angehoben werden soll. „Sie sind dabei, unsere Studierendenschaft auszunehmen – und zwar bis auf den letzten Cent“, bringt es Sonja Lohf, Koordinatorin des Landesastentreffens (LAT) auf den Punkt.
VRR-Verkündigungspolitik
„Was Sie hier machen, ist eine Verkündigungsveranstaltung“, ruft der Vater eines RUB-Studenten erzürnt Richtung VRR-Vorstand und wendet sich entschieden dagegen, den Studierenden die Pistole auf die Brust zu setzen: „Holen Sie sich das Geld bei der Politik in Düsseldorf!“ Finanzielle Spielräume hierfür dürften derzeit vorhanden sein, nachdem der Bund dem Land die Budget-Last fürs Bafög abgenommen hat. Der VRR beruft sich jedoch seinerseits darauf, dass das Land Fördermittel für den ÖPNV zurückgefahren habe und argumentiert mit den aktuellen Tarifabschlüssen für seine Angestellten. Diese aber bekommen ab 2015 auch nur 3,8 Prozent mehr Gehalt, was ungefähr den durchschnittlichen Steigerungen des Semesterticket-Preises in den letzten Jahren entspricht.
„Wir fahren alle schwarz“
„Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was wäre, wenn wir das Ticket kündigen und sagen: ‚Wir fahren alle schwarz‘?“, ruft eine Studierende erbost. Die Bahnen seien zu Stoßzeiten sowieso alle so voll, dass keine KontrolleurInnen mehr durchkämen. „Wir haben fast schon japanische Verhältnisse“, beschreibt ein weiterer Studierender die Situation in Dortmund, wo die S1 auch zur Rushhour nur im 20-Minuten-Takt verkehrt. Auch Castrillo räumt „Defizite“ ein, die im Rahmen von „Qualitätsmessungen“ festgestellt worden seien: „Wir stoßen an Grenzen, was die Kapazität betrifft“, gibt der VRR-Vorstand zu. Die Studentin jedenfalls rennt mit ihrem Appell offene Türen ein: „Ein breit getragener und ernstgemeinter Aufruf zum ‚Schwarzfahren‘ im VRR könnte dazu beitragen, diesen zum Einlenken zu bewegen – und die Frage nach dem Menschenrecht auf Mobilität nicht nur für Studierende zu stellen“, heißt es auch seitens einer neu ins Leben gerufenen Initiative für bezahlbare Busse und Bahnen.
Am Mittwoch, den 3. Dezember, wird José Luis Castrillo ab 18 Uhr im Hörsaal HZO 10 bei der nächsten Sitzung des Studierendenparlaments der Ruhr-Uni Bochum zu Gast sein. Erscheint zahlreich!
Weitere Infos:
http://schwarzfahren.noblogs.org
https://www.facebook.com/SoNichtVRR
https://www.asta-bochum.de/asta/vrr-vorstandsmitglied-am-031214-zu-gast-der-ruhr-uni
http://asta-dortmund.de/so-nicht-vrr-eine-zusammenfassung-des-heutigen-abends/
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Bitte um Nachprüfung
„Obwohl bislang erst acht kleinere ASten im Einzugsbereich des VRR den neuen Vertragsentwurf unterzeichnet haben, geht Castrillo davon aus, dass die übrigen nun nachziehen würden, um den Rahmen für die weitere Ausgestaltung des Tickets abzustecken. “
So wie ich Herrn Castrillo bei der Veranstaltung in Dortmund verstanden habe, hat noch kein Asta irgendetwas unterzeichnet.
Es ging (so wie ich das gehört habe) um 8 kleine Hochschulen, in denen die Verwaltung dafür zuständig ist und nicht die Studierenden.
Das würde dann bedeuten, dass alle Studierenden die einen Asta haben noch geschlossen gegen das neue Angebot sind.
Vielen Dank für den Hinweis!
Für den sehr aufmerksamen Kommentar möchte ich mich hiermit als Verfasser des Beitrags "Dreister Verkehrsverbund" herzlich bedanken! Natürlich muss es in dem oben zitierten Satz "Hochschulen" heißen statt "ASten". Dies habe ich in der Online-Version des Artikels umgehend korrigiert.
Viele Grüße: Ulrich Schröder