Ganze zehn Minuten hat es gedauert: Der Verwaltungsrat des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) hat am Freitag, den 27. Juni, im Rathaus Essen Semesterticketerhöhungen bis 2020 abgesegnet. Neben den regulären Tariferhöhungen um 3,3 Prozent wurde eine Sondererhöhung für das Semesterticket beschlossen: Bis zum Winteresemester 2015/16 soll der Preis um 2 Euro angehoben werden, ab dem Sommersemester 2016 kämen bis 2020 um die 45 Cent pro Monat hinzu. Schon im Vorfeld kritisierten StudierendenvertreterInnen eine Intransparenz in den Tarifgesprächen mit dem VRR. Erst nach dem Beschluss boten Verantwortliche einen Dialog an. Da zog es die rund 100 empörten Studierenden, die der Verwaltungssitzung beiwohnten, aber schon in einer Demo zum Essener Campus auf die Straße.
Am Ende wurde stur gemahnt, miteinander zu kooperieren: Lothar Beine von der SPD-Ratsfraktion versuchte, den Studierenden, die sich mit wütenden Zwischenrufen bemerkbar machten, weiß zu machen, warum die Extra-Aufschläge für das Semesterticket notwendig seien. Vor allem mit den anderen Tarifen, die deutlich höher seien, wie etwa das Young-Ticket für Azubis, wurde argumentiert: „Sie dürfen zur Kenntnis nehmen, dass das Semesterticket im VRR bundesweit konkurrenzlos günstig ist“, so Beine. Der SPD-Politiker wollte vortragen, was Studierende für andere Tickets zu blechen hätten und wurde von wütenden Zwischenrufen Studierender übertönt: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ Beine fuhr beharrlich fort. Und wenn man sich jetzt nicht kooperativ gäbe, könne man zusehen, wie man fährt. „Es fährt doch eh nichts!“, schallte es frech zurück.
Zur Erklärung eilte auch Grünen-Politiker Norbert Czerwinski ans RednerInnenpult. „Wer war mit dabei? Die grüne Partei!“, so der laute Kommentar. Czerwinski versuchte, die Fahrpeiserhöhungen mit den steigenden Fahrgastzahlen zu begründen – und stolperte: „Wir können noch immer nicht unbedingt nachvollziehen, wie die Zahlen zustande gekommen sind, was die Nutzung angeht.“ Ein höhnischer Applaus der Studierenden ertönte im Ratssaal.
Protest auf dem Essener Campus, Kritik durch StudierendenvertreterInnen
StudierendenvertreterInnen beklagen das unkommunikative Verhalten des VRR. So heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung des AStA der RUB: „Schon am Eingang der ZuschauerInnentribüne hat uns ein Vorstandsmitglied des VRR eröffnet, dass wir als ZuschauerInnen nichts zu sagen hätten und sie sich bestenfalls am Ende der Sitzung eine Diskussion mit uns vorstellen könnten.“ Maurizio Graw, AStA-Referent für Mobilität (Jusos) spricht von einer „einseitigen Kündigung des Vertrags“ und kritisiert ebenso die Intransparenz: „Bis auf die Tatsache, dass wir von Anfang an wussten, dass der VRR mehr Geld will, war nichts transparent. Nicht einmal die Frage, wie der VRR die geforderte Preiserhöhung berechnet, wurde beantwortet. Die zugrunde liegenden Zahlen hält der VRR unter Verschluss.“ Auch die Argumentation des VRR wird vom AStA abgelehnt: „Die vorgetragene Begründung für die Preiserhöhung unseres Tickets ist abenteuerlich. Der VRR begründet die geplanten Preissteigerungen mit denen, die die restlichen ÖPNV-Nutzerinnen erdulden mussten“. Ähnlich sieht das Graw in seiner Kritik an die Begründung des VRR: „Der Vergleich mit dem Young-Ticket zeigt ja nur, dass dieses für Auszubildende günstiger werden muss und nicht umgekehrt das Studi-Ticket teurer.“
Wie es weitergeht, soll in den nächsten Tagen geklärt werden.
:bsz-Historie
1968 verlief eine Demo gegen Fahrpreiserhöhungen erfolgreich; die :bsz titelte „Wasserwerfer im Einsatz – Aber 3000 Demonstranten ließen sich nicht einschüchtern“. Die eingescannten Artikel der historischen Ausgabe findet Ihr in der Galerie.
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