Liebe NSA,
Entschuldigen Sie, dass ich mich erst jetzt persönlich an Sie wende, wo Sie doch schon so lange an meiner Korrespondenz teilhaben. Dieses rege Interesse schmeichelt mir natürlich. Ich hoffe sehr, dass Ihnen nicht zuviel Mehrarbeit entsteht durch die vielen Rechtschreibfehler und die mitunter ungelenke Handschrift in an mich gerichteten Briefen. Es sind eben Kinder, meistens jedenfalls. Die beigefügten Zeichnungen enthalten im Übrigen, zumindest nach meiner laienhaften Einschätzung, keine Hinweise auf Verstecke von Massenvernichtungswaffen oder Ähnlichem. Bild- und Schriftanalyse können sich Ihre Fachleute also getrost sparen, geschweige denn das Knacken irgendwelcher Codes. Knacken Sie lieber ein paar Nüsse! Hohoho, kleiner Scherz.
Aber Spaß beiseite, ich habe doch ein ernstes Anliegen. Ich möchte Sie, also die National Security Agency, und im weiteren Sinne auch die mit Ihnen kooperierenden Geheimdienste, ganz offiziell um Amtshilfe ersuchen. Ja, ganz richtig, Amtshilfe. Wir spielen doch eigentlich im gleichen Team. Wir teilen die Welt noch ganz altmodisch in Gut und Böse ein, oder, wie ich es bevorzuge, in Artig und Unartig. Das wäre jedenfalls schon eine ganz gute Arbeitsgrundlage. Und ich bin wirklich auf Ihre Hilfe angewiesen, sonst fällt Weihnachten aus. Sehen Sie, seit den Enthüllungen von diesem Edward Snowden erreichen mich hier in … na ja, Sie wissen wo … kaum noch Wunschzettel. Da mag zwar auch die Portoerhöhung der Post mit zu tun haben, aber ich gebe vor allem diesem Snowden die Schuld. Ihnen wohlgemerkt mache ich da keinen Vorwurf außer vielleicht dem, dass das publik geworden ist. Jedenfalls traut sich niemand mehr, mir zu schreiben. Nun, und da mein bisheriger E-Mail-Provider aus Hasenfüßigkeit dichtgemacht hat, erreichen mich die lieben Kinderlein noch nicht einmal mehr elektronisch. Wie soll ich denn nun all die Menschen beschenken? Da kommen Sie ins Spiel, liebe Damen und Herren von der NSA. Wenn Sie mir erst einmal alle noch vorhandenen Mails aus meinem geschlossenen Account zusenden könnten, wäre das schon ein guter Anfang. Eigentlich könnten Sie aber noch viel mehr tun, um mir bei der besagten Einteilung der Menschheit in Artige und Unartige unter die Arme zu greifen. Idealerweise würden Sie mir die Browser-History sämtlicher von Ihnen erfasster Menschen übermitteln, wobei ich mich vorerst mit meinem bisherigen Kundenstamm begnügen würde, sprich der Christenheit. So könnte ich allen genau die Geschenke machen, die sie sich insgeheim wünschen, beziehungsweise sie möglichst passgenau zu bestrafen, was auch immer mir da für illegales Streamen und Porno-Konsum, Cyber-Bullying oder Terrorismus so in den Sinn kommt.
Ich wäre durchaus auch bereit mit der NSA gemeinsam eine Knecht-Ruprecht-Drohne zu entwickeln oder die Bestrafungssparte meines Unternehmens gänzlich an Sie outzusourcen. Des Weiteren stehen Ihnen vom ersten bis zum dritten Quartal jeden Jahres meine Weihnachtselfen als Leiharbeiter zur Verfügung, zum Beispiel zur Datenanalyse; in der Vorweihnachtszeit sind sie freilich nicht verfügbar, da sie bereits mit dem Paketepacken in meinen Warenlagern – beziehungsweise denen meines amazonischen Tochterunternehmens – vollends ausgelastet sind. Apropos Südamerika: Dieser argentinische Asketenpapst Franziskus vermiest mit seinen Armutspredigten ganz schön das Weihnachtsgeschäft; das ist katholischer Antikonsum-Terrorismus, wenn Sie mich fragen. Wenn Sie da mit einer Drohne Abhilfe schaffen könnten, würde ich im Gegenzug ein NSA-Team nach Moskau mitnehmen, um auch Herrn Snowden eine schöne Bescherung zu bereiten. Das wäre doch ein prima Einstieg in unsere Partnerschaft. Kleiner Haken: Sie müssten dabei Rentierkostüme tragen.
Dann auf gute Zusammenarbeit und ein frohes Fest,
Ihr Weihnachtsmann