Die Universität mit Blick auf die Ruhr hat Prinzipien und Ideale. Oder zumindest eine vage Vorstellung davon, wie Lehre aussehen soll. Die große Zeit der Manifeste ist nun aber leider vorbei – deshalb hat das „Leitbild Lehre“ der Ruinversität Bochum bislang wenig Beachtung gefunden. Die Ähnlichkeit zu Filippo Tommaso Marinettis Futuristischem Manifest ist manifest: „Wir werden die großen Menschenmengen besingen, welche die Arbeit, das Vergnügen oder der Aufruhr erregt“, hieß es anno 1909; etwas nüchterner liest sich im Jahre 2013: „Wir würdigen herausragende Leistung“. Um diesen Mangel an poetischer Kraft auszugleichen – oder einfach, weil man in den Chefetagen der Richtig Ulkigen Bildungseinrichtung (RUB) dieses Dokument hinter dem Getränkeautomaten wiedergefunden hat – wurde nun eine „Ideenbox“ veröffentlicht. Diese enthält neben einem Bleistift vom Format „Schwedisches Krempelhaus“ und einer Postkarte mit Platz für Vorschläge auch eine bunte Broschüre. In dieser wird mit Hilfe sechs sequentieller Grafiken erklärt, wie ein gelebtes „Leitbild Lehre“ aussehen kann.
Zuallererst: Studierendenuniformen sind Pflicht. Ich meine nicht den Umstand, dass alle drei Mädels und alle drei Jungs im Hörsaal jeweils gleich aussehen. Das ist der grafischen Vereinfachung geschuldet. Nein, sobald sich ein Studi erhebt, sieht man: Auf ganzer Körperhöhe prangt auf dieser Uniform ein großes S. Damit haben die Oberen der Darmkrankheits-Uni zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zum Einen denken alle, der Buchstabe stünde für Studi, derweil die MachthaberInnen sich ins Fäustchen lachen, denn sie schlüsseln den Buchstaben zu „Spacko“ auf. Zum Anderen haben sie für die Wahl der Schrifttype ordentlich Kohle kassiert, denn sie sieht aus wie das Logo des Kinderbuchverlags Schneider.
Aus studentischer Sicht recht unpraktisch ist hingegen der augenscheinliche Vorschlag, eine Sehhilfenpflicht für Lehrende einzuführen. Im Gegensatz zu den Studierenden tragen diese nämlich durchgängig eine Brille auf ihrer nicht vorhandenen Nase. Dies erschwert das Abschreiben in Klausuren und die Kommunikation mit KomillitonInnen per Mobiltelefon oder den klassischen „Zettelchen“ ganz erheblich.
Erheblich dürften indes auch die Kosten für den Umbau der Hörsäle sein, die da auf das „Riesige Ungetüm aus Beton“ (ebenfalls RUB) zukommen. Denn um langweiligen Veranstaltungen entgegenzuwirken, so ist den Infografiken der Infobox zu entnehmen, sollen Hörsäle mit halbrunden Konferenztischen statt der üblichen Sitzreihen ausgestattet werden, von denen aus einem Referat zugehört wird. Die Dozentin sitzt in einer Ecke ganz hinten und kann von dort aus unbemerkt – der Student vorne hat ja keine Brille – whats-appen. Allerdings: Steht da nicht „Langweiliges Seminar? Mach aktiv mit!“? Sollen die Studis etwa den Umbau durchführen? Das könnte natürlich die Kosten senken. Mal ganz davon abgesehen, werden die meisten Seminare doch erst durch Referate so richtig langweilig.
Auch für Lehrende hält die Infobox Tipps bereit: „Keine neuen Lehrideen? Bilde dich weiter!“, lesen wir. Was wir aber sehen, ist, dass die Räume, in denen den Studierenden etwas beigebracht werden soll, stark überfüllt und schmutzig sind, während Lehrendenfortbildungen in Kleingruppen und in gepflegten Räumlichkeiten stattfinden. Noch dazu in entspannter Atmosphäre: Der (externe?) Coach hat keine Hightech-Vergrößerungs-Apparatur mit Ablenkungs-Sucher und -Vernichter vor den Augen.
Doch wehe, wenn DozentInnen diese tatsächlich zum Einsatz bringen. Dann halten wir Studierenden doch mit Marinettis Manifest dagegen (das wir wirklich nur auf diesen Auszug beschränkt gebrauchen wollen): „Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören!“