Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesellschaften und ihre Finanzierung durch Rundfunkbeiträge blicken auf eine lange Tradition zurück. Ein altes Regime, sozusagen. 1923 nahm die Funk-Stunde Berlin als erster Hörfunksender in Deutschland den Betrieb auf. Die 1924 festgelegte Jahresgebühr von 60 Mark entsprach etwa einem Drittel eines durchschnittlichen Monatseinkommens. Das Telegraphengesetz sah nicht nur Geldstrafen, sondern im schlimmsten Fall auch eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten für Schwarzhören vor. Schöne alte Welt. Doch die gute alte Zeit der absoluten Macht währte nicht lang genug. Die Privatsender und mit ihnen die unerträgliche Seichtigkeit des Scheins flimmerten über die bundesdeutschen Matschscheiben.

Dass das Land der Dichter und Denker nicht vollends in der Niveaulosigkeit versank, haben wir dem Volksbildungs- und Aufklärungsauftrag, der staatsbürgerlichen und kulturellen Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Sender zu verdanken. Wer sonst hätte uns objektiv-informativ von den „Döner-Morden“ erzählt? Wer hätte uns sonst den Polit getalkt? Sichergestellt, dass neoliberale Ideen auch genügend Raum bekommen? Wer hätte sonst den Wahlsieg der CDU herbeigetalkt? Unkenrufe, wie etwa des Soziologen Bourdieu, dass das Wesen der Talkshow die Pseudo-Debatte sei, wurden und werden geflissentlich überhört. Man kann es ja schließlich nicht jedem recht machen. Bildung lassen wir uns natürlich gerne etwas kosten. Natürlich zahl ich, denkt sich der brave Bürger. Für den Rest gibt es natürlich keine „GEZ-Fahnder“, sondern „Rundfunkgebührenbeauftragte der Landesrundfunkanstalten“, wie es richtig heißt, sonst wird auch gerne mal geklagt. Doch die Legitimationskrise war nicht aufzuhalten, die Zeichen standen auf Sturm – trotz des schönen Internetauftritts für die Fernsehlosen. Der Anlass, ähnlich profan wie ein Halsband: das bisschen Linke vorführen. Was denn? Darf man sich denn nicht mal mehr gepflegt über Linke lustig machen? Nicht mal, wenn es sich um eine gebildete Frau handelt? Das sind doch die mit den absurden Ideen, oder? Mindestlohn und so.

Wie einst der französische Adel verstehen nun die Rundfunk-Mächtigen ihre antiquierte Welt nicht mehr, während die Massen an die virtuelle Bastille klopften. Moderatoren-Köpfe sollten rollen. Nicht mehr mit der Guillotine, dafür mit einer Online-Petition. Die Hofschreiberlinge, pfiffig, wie sie nun einmal sind, verbrüderten sich mit dem aufgebrachten Mob. Dass Lanz scheiße ist, hatte man schon immer gewusst – das Stigma der Privatsender haftet ihm schließlich an. Dass Thomas Gottschalk ebenfalls scheiße, langweilig und immens sexistisch war, wurde geflissentlich übergangen. Ebenso die weitverbreitete gähnende geistige Leere der Talkrunden. Doch bald drehten sich die Fähnlein im Wind und sprangen den Ihrigen zur Seite: Jan Fleischhauer etwa zweifelt im Spiegel die Richtigkeit der Zahlen dieser ‚infamen Petition‘ an. Das Blatt rät zum Umschalten oder wahlweise Kuchenessen. Zeit-Herausgeber Josef Joffe, der Fuchs, wollte, dass sich diese enervierenden Wut-Bürger richtig schämen und fantasierte Ähnlichkeiten zur Nazi-Kampagne gegen jüdische Geschäfte herbei. Hofnarr Ottfried Fischer mahnte sogar „Menschenjagd“ an. Die Petition ist vorzeitig gestoppt. Die Initiatorin hat sich dafür entschuldigt, „Gefühle verletzt zu haben“. Vielleicht haben die wütenden Unterzeichner aber erreicht, dass Lanz seine teuren Koffer packen muss. Und dann? Der Talkmaster ist tot? Lang lebe der Talkmaster.