(USch) New York 1960: Die renitenten 60er Jahre hatten gerade erst begonnen, als der für seine ‚autodestruktiven Skulpturen‘ im Zuge des Nouveau Réalisme berühmte und berüchtigte schweizer Künstler Jean Tinguely im Museum of Modern Art die Feuerwehr auf den Plan rief: Vor inzwischen 53 Jahren errichtete er dort ein gigantisches Maschinenkunstwerk, das sich bei der Vernissage planmäßig selbst in Brand setzte und damit unter anderem die industrielle Produktion ‚unnützer Dinge‘ spektakulär in den kritischen künstlerischen Fokus rücken sollte. Wenig später kulminierten Tinguelys bissige Kunstattacken auf die Industriegesellschaft in ‚Kunstsprengungen‘ in der Wüste von Nevada, die weltweites Aufsehen erregten.
Bochum 2013: Die bislang weitgehend zahnlosen Zehnerjahre haben – wie schon die nichtssagenden Nullerjahre – kaum nachhaltige Spuren in der Kunstwelt hinterlassen. Und nun auch noch dies: Nachdem im Nachklang des Duisburger Loveparade-Desasters die Brandschutzbestimmungen drastisch verschärft worden sind, wird nicht nur bei Theateraufführungen penibel darauf geachtet, dass möglichst sämtliche Requisiten aus feuerfestem Material bestehen; nein, selbst bei der künstlerisch begleiteten ExtraFahrt zur diesjährigen ExtraSchicht sollten die teilnehmenden KünstlerInnen vor dem Besteigen der zur rollenden Bühne umfunktionierten U-Bahn eine brandschutzimprägnierende Dusche über sämtliche mitgebrachten Gegenstände ergehen lassen, die das Volumen eines Gitarrenkoffers überstiegen. Und mehr noch: Nach einer Brandschutzbegehung durch den Bau- und Liegenschaftsbetrieb wurde der Leitung des Musischen Zentrums (MZ) der Ruhr-Uni Bochum per Bescheid vom 7. Juli gar eine zweitägige Frist gesetzt, um sämtliche potentiell brennbaren Stellwände samt aufgebrachter Kunstgegenstände umgehend aus dem MZ zu entfernen.
Nach zweiwöchigem Kunstvakuum im Musischen Zentrum ist dort inzwischen wieder die erste – feuerfest montierte – (Foto-)Kunst zu sehen. Doch man fragt sich zwangsläufig: Wird die Reproduktion von Pablo Picassos „Guernica“ vor der Uni-Bibliothek bald vielleicht in einen feuerfesten Asbestmantel gehüllt? Und wäre Kunst generell nicht in einem nur im Ernstfall zugänglichen Atombunker wesentlich besser aufgehoben? Dann brennt sie auch höchstens in einem menschenleeren Keller und irritiert auch im nicht-brennenden Zustand niemanden mehr. (Leider kann das Brandschutzargument bei Richard Serras „Terminal“ unweit des Bochumer Hauptbahnhofs angesichts des schwerst entflammbaren Materials kaum geltend gemacht werden – den korrodierten Metallklotz wird Bochum somit wohl noch einige Jahrzehnte ertragen müssen.) Und last but not least: Muss die :bsz demnächst auf Stahlplatten gedruckt werden, nachdem der :bsz-Ständer im Musischen Zentrum als Kollateralschaden der Brandschutzbegehung gleich mit konfisziert wurde?