Für mich geht nichts über eine gut gemachte Serie oder einen spannenden, informativen und bestenfalls unterhaltsamen Film. Auch Dokumentationen können mitunter sehr fesselnd und sehenswert sein. Für einen Menschen wie mich, der sich in seiner Freizeit mit der Geschichte des Films, der Schauspielerei und den inhaltlichen Aspekten der visuellen Medien beschäftigt, ist eigentlich keine Sekunde bewegtes Bild eine verschenkte Sekunde. Alles hat irgendwo seinen Wert und seine Daseinsberechtigung. Wie und mit welchem Maß diese gemessen wird, ist fast immer ein höchst subjektives Unterfangen.
Ich muss aber zugestehen, dass ich das tägliche Fernsehprogramm mittlerweile so gut es geht meide. Dieser visuelle, einem sich täglich wiederholenden Kreuzigungsprozess ähnelnde Unsinn hat seinen Reiz für mich verloren. Wenn man dem Grauen täglich begegnet, verliert es irgendwann seinen Kitzel. Menschen, die sich in aller Öffentlichkeit entblößen, miteinander kopulieren, Tierexkremente fressen und dies dann stolz in irgendwelchen Talk-Shows erzählen, ertrage ich einfach nicht mehr. In der tristen Finsternis der medialen Verdummung scheint es jedoch einige Wenige zu geben, die sich den immer zahlreicher werdenden Quotendrachen stellen. Die deutsche Schauspielerin Katrin Sass zum Beispiel. Ende Januar traf man sich bei Markus Lanz um über die „Sexismus-Debatte“ und die Grimme-Preis-Nominierung für das RTL-Dschungelcamp zu diskutieren. Mit stolz geschwellter Brust verkündete der Dschungelkönig von 2011, Peer Kusmagk, dort, dass er das „Camp erhobenen Hauptes verlassen habe“ und zu dem stehe, was er getan habe. Nur ein Punkt, der die routinierte Schauspielerin auf die Palme brachte. Mit den Worten „die sagen alle, die da drin waren, naja, so ’ne gewisse Kunst hat’s auch schon, jetzt sind wir im Grimme-Preis (…) Ein Unfug ist das alles“, brachte Sass es auf den Punkt. Mehrfach versuchte Lanz die Wogen zu glätten. Erfolglos. Umso deutlicher wird dieser „Unfug“, wenn man sich die fadenscheinigen Rechtfertigungen der meisten TeilnehmerInnen des Dschungelcamps anhört. Man wolle sich weiterentwickeln, austesten, wie weit man gehen könne, oder ein Abenteuer im australischen Regenwald erleben. Dass es hierbei in Wirklichkeit um üppige Honorare und latentes Marketing für die eigene, bröckelnde „Karriere“ geht, ist kein Geheimnis – es ist die gnadenlose Wahrheit.
Dass die Staffel von 2011 des RTL-Dschungelcamps für den 49. Grimme-Preis nominiert wurde, ist für mich keine Überraschung. Längst hat dieser Preis seinen renommierten Charakter verloren. Das Statut des Grimme-Preises, „die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise zu nutzen und nach Inhalt und Methode Vorbild für die Fernsehpraxis sein zu können“, lässt mich in die Zusammenhang müde lächeln. Im gefühlten monatlichen Turnus verleihen sich irgendwelche Menschen irgendwelche Preise. Völlig belanglos. Völlig überflüssig. Mit Freude erinnere ich mich an das Jahr 2008 und die damalige Verleihung des deutschen Fernsehpreises. Nachdem Marcel Reich-Ranicki den Preis ablehnte und seine Entscheidung mit den Worten „Blödsinn, den wir hier heute Abend zu sehen bekommen haben“ rechtfertigte, brach eine heftige Diskussion um den Gehalt und das Niveau der deutschen Fernsehlandschaft los. Gravierende Veränderungen brachte sie jedoch nicht hervor. Vielleicht ist es dafür auch bereits zu spät. Der Philosoph Friedrich Nietzsche schrieb bereits 1886 in seinem Werk „Jenseits von Gut und Böse“: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ Eine melodramatische Sichtweise, der ich mich nicht anschließe. Schließlich bin ich ein taffer Mensch und stehe Mitten im Leben.