Gespenstisch hallte das Hundegebell und das Gerassel der Baumaschinen über den Campus; sie kamen in den frühen Morgenstunden – Bautrupps, die den geheimen Auftrag hatten, das Unvermeidliche, jedoch niemals real für möglich Gehaltene zu vollziehen: die endgültige Trennung von Mensanien und Transmensanien.

Der Tag des Mauerbaus fiel auf einen Freitag, den dreizehnten – Mitten im Dezember. Egon Kranz gehörte zu den wenigen, die das Glück hatten, im Morgengrauen gerade noch rechtzeitig rüberzumachen, bevor gar nichts mehr ging: „Man hatte zu dieser Stunde noch in einer Nacht- und Nebel-Aktion an den Übergängen am Forum Nordost oder dem Hörsaalzentrum Ost in den Westen flüchten können. Doch bereits gegen 7 Uhr ging gar nichts mehr“, wird er drei Jahrzehnte später der :bsz verraten. Die Erinnerung an die Campusmauer würde für Egon K. noch lange ein kaum zu überwindendes Trauma bleiben: „Am Anfang hätte man nie erwartet, dass die Mauer überhaupt so lange steht. Aber als die Mauer später immer stabiler und fester wurde, wurden einem die Folgen schon so langsam bewusst. Die Hoffnung jedoch gab man nie auf!“

Und dabei sollte der Mauerbau doch eigentlich dem Campusfrieden dienen: Als der Abriss der N-Gebäude angedacht wurde und jener der I-Gebäude unmittelbar bevorstand, war es hochschulpolitisch nicht mehr haltbar, sich den im Kern durchaus nachvollziehbaren Forderungen der bereits 2005 an einer AStA-Koalition beteiligten Satireliste „Die Liste“ nach einer „Neugliederung des Campusgeländes“ länger zu widersetzen. Diese Idee war damals nicht konsequent umgesetzt worden, wenngleich Die Liste seinerzeit bereits erkannt hatte, dass zumindest „die N-Gebäude sehr viel stärker vom Zerfall bedroht“ seien als „andere Gebäudekomplexe“ der Ruhr-Uni. Da sich diese Erkenntnis angesichts der angeblichen Unsanierbarkeit der PCB-verseuchten I-Gebäude insbesondere für die ältesten transmensanischen Bauten bewahrheitet hatte, galt der Mauerbau fortan als alternativlos – einerseits, um das existenzgefährdete Transmensanien künftig autonom zu administrieren; andererseits, um die physikalischen Auswirkungen des Abrisses auf Mensanien abzumildern. „Eine niemals aufgeklärte Einbruchsserie in den I- und N-Gebäuden, bei der zahlreiche PCs samt sensibler Daten verschwanden und mutmaßlich in den Westen abflossen, tat ihr übriges“, untermauert Egon Kranz die Entscheidung für die Campusmauer.

Weiler sei Dank war mit dem Service-Gebäude hinter der Uni-Verwaltung gerade die nötige Infrastruktur geschaffen worden, um die eigenständige Administration des abgetrennten Ostteils des Campus dauerhaft sicherzustellen. Auch eine eigene Mensa-Baracke wurde in Transmensanien schnell aus dem Boden gestampft, die sich – wie einst das mensanische Querforum West sowie das einer Tennishalle gleichende Mensaforum – in den Folgejahren als Dauerprovisorium erweisen sollte. Selbst für den ÖPNV wurden eigenständige Regelungen gefunden: Die U35 wurde in die künftig in Mensanien endende „GM-Bahn“ sowie die transmensanische „IN-Metro“ geteilt. 

Der Mauerbau bedeutete für viele Studierende eine besondere Härte: „Anfangs konnten wir uns zumindest an den Übergängen vor FNO und HZO noch zuwinken“, berichtet Egon K. – „doch als die Mauer immer höher wurde, um Mensanien vor den Lärm- und Staub­emissionen während des I-Gebäude-Abrisses zu schützen, war auch das nicht mehr möglich." Dennoch wird im Rückblick manches verklärt: „Als die nach fast 30 Jahren schließlich baufällig gewordene Mauer endlich fiel, hatten wir keinerlei Probleme, uns wieder einzuordnen, da es ja ständig heimliche Kontakte nach Mensanien gegeben hatte“, blickt Egon Kranz melancholisch zurück. „Wir waren einfach nur glücklich, dass nun endlich alles ein Ende hatte.“ Ende.