Sie kreisen über Dir. Beobachten jeden Atemzug. Verfolgen jeden Deiner Schritte. Spionieren jeden Deiner Gedanken aus. Sie klemmen sich an Deine Fersen – und sie werden diese nie wieder loslassen. Helikoptereltern. Du überlegst, wie Deine Zukunft aussehen soll, was Du studieren möchtest und wer Du sein willst? Sie haben es bereits für dich entschieden. Du hast ihnen seit 20 Minuten keine SMS geschrieben, sie nicht angerufen und keine Rauchzeichen gesendet, die versichern, dass Du noch am Leben bist? 1-1-0. Du willst Dir nur kurz eine Kaugummipackung an der Bude um die Ecke holen? Viel zu gefährlich – es könnte ja ein Pädophiler in den Büschen hocken, der ganz allein darauf wartet, dass Du vorbeischaust. Und dabei bist Du schon 25! Deiner Mutter immer und immer wieder erklären, dass Du schon seit Jahren aus dem Beuteschema eines Pädophilen fällst? Sinnlos.
Sie legen Dir morgens Deine Anziehsachen bereit, streichen Dir zwangsneurotisch imaginäre Flusen von Deinem Pullover und spucken in die Hände, um den unsichtbaren Dreck besser von Deinem Gesicht rubbeln zu können. Sie machen Dein Bett, lesen Deine Tagebücher, öffnen Deine Briefe, belauschen Deine Telefonate, beantworten Deine empfangenen SMS, bringen Dir Frühstück ans Bett, putzen Deine Schuhe, machen Deine Hausaufgaben, fahren dich zur Universität und sehen Dir am Fenster nach, wenn Du das Haus verlässt. Während Du Sex hast, betreten sie Dein Kinderzimmer und fragen ob Du gerade verhütest. „Wenn nicht, ich habe Dir extra Kondömchen besorgt, mein Goldhase.“
Deine Zuckerbroteltern versuchen heute noch, bei Dir die Windeln zu wechseln? Es bleibt Dir nur ein Ausweg: Lauf so schnell wie Du nur kannst! Denn sie werden alles tun, um dich wieder in ihre zärtlichen Finger zu kriegen. Anhand der winzigen Peilsender, die sie Dir fünf Minuten nach Deiner Geburt einoperiert haben. Mithilfe der Mikroüberwachungskamera, die sie wenige Millimeter über Deiner rechten Augenbraue installiert haben. Durch die Miniaturabhörgeräte, die sie in Deine Unterhose eingestickt haben. Aber keine Sorge. Wenn Dir das alles allzu bekannt vorkommt und Du kurz vor einem Überbehütungskollaps stehst, bist Du immer noch nicht am allerschlimmsten dran.
Das Schrecklichste, was einem passieren kann, ist nämlich folgendes: Dass man gar nicht bemerkt, wie zugedröhnt man durch eine Überdosis von Mamas Muttermilch durchs Leben hüpft. Einige chronische Nesthäkchen sind nämlich davon überzeugt, dass es nichts Selbstverständlicheres gäbe, als mit 27 noch Mutters Brust zu bekommen. Eine Plage für alle Mitmenschen. Muttersöhnchen, Papas und Mamas Lieblinge, Schoß- und Schürzenkinder, ImitatorInnen, Marionetten, Unmündige – wenn man genau hinschaut, dann erkennt man sie: In der Mensa essen sie ohne Ausnahme Gemüse, den Campus überqueren sie mit geradem Rücken, nach einer Klausur verschwinden sie klamm und heimlich auf der Toilette, um zu telefonieren. Das Unileben kann so viel mehr sein. Man hat schon früh genug das volle Paket an der Backe: die 40-Stunden-Woche, die drei Blagen und die nach Aufmerksamkeit lechzende Ehefrau oder den furzenden Ehemann. „Unabhängigkeit“ ist ein Fremdwort für dich? Deine Unterwäsche ist gebügelt? Jeder zweite Deiner Sätze beginnt mit „Mein Papa hat aber gesagt…“? Du bist Dir ganz sicher, dass hinter jedem Busch ein Vergewaltiger sitzt? Wenn Du mit Deiner besten Freundin feiern gehst, bedeutet dass, dass Mutti und Du mal wieder das Tanzbein schwingen? Zieh endlich aus, verdammte Scheiße!