In meinen Sätzen wimmelte es vor lauter Schwänzen, Obelisken und Pershing-II-Raketen, aber die sind jetzt alle explodiert und ich sehe nur noch Sterne.
Ich vermute, das bedarf einer Erläuterung. Ich habe nie Penisse in meine Hefte gezeichnet, wohl aber mal eine Strichliste darüber geführt, wie oft eine Mitschülerin nach einem einjährigen USA-Aufenthalt die Wörtchen „stuff“ und „like“ sagte. Nennen wir es eine Neckerei – mit Flirten hatte das wenig zu tun – doch inzwischen habe ich die sexuelle Dimension dieser Buchführung erkannt. Mein Heft war voller Penisse, säuberlich in Fünfergrüppchen in Reih und Glied, und immer, wenn sie die Reizwörter sagte, kam – zack! – noch ein Penis daneben. Krank! Teenager halt, aber heute wirkt es auf mich etwas sexuell übergriffig. Oder vielleicht wäre das zuviel gesagt. Es wäre sexuell übergriffig gewesen, wenn ich jedesmal „Penis!“ gerufen hätte, aber ich hielt damals mein Penisarsenal nur für eine Strichliste. Ist ja auch Wurst, nein, schlechte Wortwahl. Ist ja auch Bana…nein, also sagen wir Wirsing.
Wie dem auch sei, hier in der :bsz verwenden wir ja die Binnen-Majuskel, besonders das Binnen-I. Es geht um gendergerechte Sprache. Ich bin total dafür, obwohl es angeblich den Lesefluss hemmt, weil man darüber stolpere. Totaler Blödsinn. Man stolpert über eine Unebenheit am Boden oder eine Stufe, aber doch nicht über Großbuchstaben, die wie Obelisken und Laternen plötzlich aus dem Boden schießen. Nein, man läuft dagegen. Und das ist lustig. Wenn ich also was für linguistische Gleichberechtigung tun, und dabei noch Lesende gegen Laternen laufen lassen kann, bin ich dabei. So gendere ich munter und mit mir im Reinen meine Texte. Nur gibt es auch andere Varianten gendergerechter Sprache, eine Zeitung muss sich aber festlegen.
Ich könnte auch das Gender Gap benutzen, den Unterstrich. Von der Logik passt der Stolper-Einwand hier viel besser, es ist schließlich ein tief gespannter Stolperdraht, oder nach dem Wortsinn eine Lücke, in die man stürzt – Mind the Gap! Bei der Variante für sprachhandelnd Fortgeschrittene taucht eine wandelnde Fallgrube beli_ebig in Wö_rtern auf, wie in Chau_vinistinnen statt Chauvinist_innen. Es ist wie bei einem Jump ‘n’ Run, und Le_serin_nen in Gruben stürzen zu lassen, macht Spaß. Als weitere Alternative hat jüngst ein Wissenschaftler die x-Endung vorgeschlagen: Professx und Studierx, gesprochen Professix und Studierix. Nur weckt das bei mir Assoziationen mit einem gallischen Dorf, wo ein fetter Hinkelsteinmetz phallische Obelisken herumträgt. Das wirkt auf mich wie ein Idefix, eine fixe Idee. Da bleibe ich lieber beim Binnen-I. Doch eine Kollegin machte mich auf etwas Erschreckendes aufmerksam. Die Binnen-Majuskel ist böse geworden, weil sie Zweigeschlechtlichkeit zementiert – leuchtet noch ein. Dann sagte sie, dass man besser ein Sternchen benutzen sollte, ein Asterisk. Nebenbei, jetzt verstehe ich endlich, dass Obelix’ Kumpel deswegen Asterix heißt, weil die Römer immer Sternchen sehen, wenn der mit Dopingcocktails aufgeputschte Gallier sie verdrischt. Ich schweife ab. Ein weiterer Grund, das Asterisk vorzuziehen, ist folgender: Das Binnen-I erinnert an einen Phallus. Es ragt so aus dem Textbild raus, so aggressiv, so martialisch-maskulin, so Pershing-II, so Penis… Ich hatte – in bester Absicht – Penisse in meine Texte eingebaut, ohne es zu merken. Ich Sexistix! Penisse! Ahh!
Was dann passierte, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam und benommen auf den Bildschirm blickte, stand da folgender Satz: In meinen Sätzen wimmelte es vor lauter Schwänzen, Obelisken und Pershing-II-Raketen, aber die sind jetzt alle explodiert und ich sehe nur noch Sterne.
Ab heute kenne ich keine Gender mehr, sondern nur noch Schwänze – upps, freudsches Versehen – nur noch Sterne.