Platz für den Hintern „Habt ihr denn auch genug Platz zum Tanzen?”, säuselte Inga Humpe aus der „2Raumwohnung” kokett. Die Bands nahmen die geringen Zuschauerzahlen auf der Mensaparty locker und reagierten mit gut gelaunter Ironie. Kein Wunder: Diejenigen, die dabei waren, hatten ihren Spaß. Auf und vor der Bühne. „Wisst ihr, dass es wichtig ist, Platz zu haben, um seinen Hintern zu bewegen?”: Inga Humpe war sichtlich gut drauf. Die Frontfrau der (auch und gerade studentischen) Kultkombo „2Raumwohnung” nahm es mit Humor, dass sich vor ihrer Bühne nur knapp ein Drittel der sonst üblichen Fanmengen tanzend tummelten. Die großen Lücken, die sich im Publikum nach den ersten Reihen immer deutlicher auftaten störten sie wenig. Dem hymnischen Auftritt der Ex-NDW-Röhre schadeten sie auch nicht. Im Gegenteil: Humpe war in Hochform. Bei „Ich und Elaine” lud sie zunächst „alle Homosexuellen hier” auf die Bühne, bei „Sexy girl” kamen dann noch „alle Mädels bitte” dazu. Die Stimmung nicht nur auf der Bühne war grandios, die Lücken füllten sich alleine dadurch, dass alles nach vorne stürmte. Spätestens als Humpe dann „Miss Freie Liebe” suchte, die zum gleichnamigen Kult-Hit „richtig hemmungslos” mit dem Schlagzeuger herumknutschen sollte, war das Gegröle riesig. Östrogenbeladen, aber groß, das. Auch Juli-Frontfrau Eva Briegel ließ sich nicht davon beirren, nur 2000 „verlorene Seelen” im Publikum zu erblicken. Was wohl auch daran lag, dass diese zu Unrecht so bezeichnet würden. Die (kleine) Partymeute ließ sich vom melancholischen Drive des Briegelschen Deutsch-Pops schnell gefangen nehmen. Songs wie „Warum” oder „Das gute Gefühl” gerieten der blondierten Sängerin noch gefühlvoller als die bekannten Singles. Auch Culcha Candela zündeten ihr „tightes” Programm mit genauso viel Engagement wie sonst. Joy Denalane schließlich kann gar nicht ohne Soul in der Stimme. Fazit: Schade eigentlich, dass nicht mehr Leute die 28 Euro investieren. Über den „Wert” dessen hätte sich nach diesem Party-Programm durchaus diskutieren lassen. bp

Klein aber fein Nach Wochen der Vorfreude und Spannung war es am Samstag endlich soweit: Die lang ersehnte Mensaparty öffnete Tür und Tor für Jedermann. Was als Riesenevent geplant war, wirkte in der Zeit von 13 bis 18 Uhr eher wie eine Privatveranstaltung für fünf bis zehn Auserwählte, die das Privileg genossen, zwischen ebenso vielen Bars wählen zu können und von einem riesigen Aufgebot an Sicherheitspersonal und Rettungssanitätern beschützt zu werden. Bands wie Krempels, Son et Lumière und Marnie waren bei ihrem Auftritt fast alleine in der Mensa und dennoch bemüht, gute Laune zu verbreiten. Mit Sprüchen wie „Ihr seid so ein geiles Publikum“ versuchte man das Ganze mit Humor zu nehmen. Gods of Blitz kamen dann gegen Ende ihres Auftritts doch noch in den Genuss einer sich füllenden Mensa. Nicht zuletzt hing dies allerdings auch mit dem nahenden Auftritt von Culcha Cundela zusammen, deren Musik zwar nicht zwangsläufig besser ist, aber Popularität ist eben alles. Und los ging’s. Wie angekündigt gaben sich nach 18 Uhr Culcha Cundela, Joy Denalane, Zweiraumwohnung und Juli in der Mensa die Mikros in die Hand und brachten zwar kein ausverkauftes Haus, dafür aber ausgelassene Stimmung. Während sich das AKAFÖ um die Verpflegung der Stars kümmerte, konnten Besucher der Party an zahlreichen Ständen und Bars für ihr leibliches und geistiges Wohl sorgen. Dies führte dazu, dass die Stimmung mit fortschreitender Stunde, mal von den hektisch herumrennenden AStA-Mitgliedern abgesehen, immer entspannter wurde. Nach zehn Stunden Konzert endete der Abend schließlich mit der groß angekündigten „Aftershowparty auf zwei Ebenen“ zu der dann tatsächlich noch ein paar Leute dazu stießen. Auch wenn die Party nicht so gelaufen ist wie geplant und der AStA nicht wirklich zufrieden damit sein wird, waren doch die zufrieden, die ihre Hüften bewegen und nach rechts und links gehen konnten, wenn die Bands es, im Rahmen von „Mitmachspielchen“, von ihnen verlangten. Die Sympathiepunkte des Abends gebühren aber auf jeden Fall den Jungs von Culcha Cundela. Nach einer guten Show, in der sie die „Menge“ zum Mitmachen bewegt haben, mischten sie sich unters Volk, wohingegen Zweiraumwohnung schon vor ihrem Auftritt mitteilten, dass sie gerne eine Viertelstunde nach ihrem Auftritt abgeholt werden wollten. Aber nun mal ehrlich: ob nun 1000 oder 4000 Zuschauer anwesend waren, spielt im Endeffekt vielleicht für die Finanzen und Politik des AStA eine Rolle, aber für den, dem es in erster Linie darauf ankam, einen schönen Samstagabend zu haben, ist doch am Ende entscheidend, dass die Stimmung auf der Mensaparty durchweg gelöst, und es, zumindest für einen Großteil der Anwesenden, eine tolle Party war. jst

Yan Liankes „Dem Volke dienen“ Sex und Liebe im Zeichen der Revolution – der verbotene Kultroman aus China Zwischen 1966 und 1976 – die Zeit der Kulturrevolution in China – wird der zielstrebige, aber einfache Soldat Wu Dawang zur Ordonanz und Haushaltshilfe in das Haus seines Divisionskommandeurs gerufen. Der Divisionskommandeur ist ein erfolgreicher und ehrgeiziger Diener des Landes. Jedoch wurde er während eines Kampfes im Genitalbereich angeschossen. Auf Grund seiner fehlenden „Männlichkeitg verlässt ihn seine erste Frau und auch seine zweiten, Liu Lian, fehlt die körperliche Zuneigung. Wu Dawang ist verheiratet mit Zhao Ezi, einer Frau aus einem Nachbardorf seiner Heimat, mit der er auch einen kleinen Sohn hat. Jedoch kam es zu der Heirat nur auf Drängen seiner Mutter auf dem Sterbebett und unter der schriftlichen Versprechung Wu Dawangs dem Schwiegervater gegenüber, seine zukünftige Frau in die Stadt nachzuholen, ihr eine gute Arbeit zu verschaffen, seine Aufnahme in die Partei und die Beförderung zum Offizier anzustreben. Wu Dawang hat keine Ahnung, was Liebe bedeutet und auch Sex ist für ihn nur eine Befriedigung seiner Triebe. Dienst am Volk? Während einer langen Abwesenheit des Divisionskommandeurs befiehlt Liu Lian Wu, sobald er bemerkt, dass eine Holztafel mit der Aufschrift “ Dem Volke dienen“ nicht mehr an seinem gewohnten Platz in der Küche liegt, in das sonst für ihn verbotene obere Stockwerk zu kommen, da sie Hilfe braucht. Bald darauf ist es so weit: Wu findet die Tafel und geht mit sehr gemischten Gefühlen die Treppe hinauf. Als Wu das angeblich kaputte Licht im ihrem Schlafzimmer reparieren soll und es hell wird, ist Liu nur mit einem blau-rot gemustertem seidenem Nachthemd bekleidet. Wu ist so überrascht und irritiert, dass er sich sofort abwendet. Liu fragt ihn nach seinem Gehorsam dem Kommunismus gegenüber aus, so dass Wu anfängt zu glauben, dass der Dienst an ihr Dienst am Volke ist und somit sein schlechtes Gewissen zu beruhigen versucht. Jedoch ist Wu mit dem von ihm geforderten Taten nicht ganz im Reinen und verlässt am folgenden Tag die Villa ohne Lius Wünschen Folge geleistet zu haben. Sie beschwert sich bei Wus Instrukteur, der ihm mit dem Rausschmiss droht. Daraufhin begibt sich Wu wieder in die Villa, mit dem Gedanken an die Versprechen, die er seinem Schwiegervater gegeben hatte. Wu entschuldigt sich in aller Aufrichtigkeit für sein Verhalten und Liu erinnert ihn immer wieder daran, dass er für den Kommunismus und für den Leitspruch „Dem Volke dienen“ lebt. Liu regelt, dass Wu so lange bei ihr wohnen darf, bis der Divisionskommandeur zurückkommt. Wu und Liu sind voneinander fasziniert und verbringen Tage im Bett, Kleidung ist überflüssig geworden. Wu fängt an Liebe und Sex zu verbinden, und Liu geht es nicht anders. Sie experimentieren und verhalten sich wie ein frisch verliebtes Pärchen, das von Luft und Liebe leben kann…ohne Klassen- und Rangunterschied. Jedoch ist beiden klar, dass sobald der Divisionskommandeur zurückkommt, alles vorbei ist und dass niemand erfahren darf, was in der Villa Nr. 1 vor sich gegangen ist. Sie schwören sich trotz allem die Liebe und, wenn möglich, die Heirat. Liebe und Hass Während ihrer gemeinsamen Zeit kommt es jedoch dazu, dass Wu eine Gipsstatur von Mao, dem Führer der Kulturrevolution, zerbricht. Auf dieses Vergehen steht die Todesstrafe. Doch der Gedanke an den Tod stachelt die beiden weiter an, und um ihren Schwur der Liebe zu verfestigen, zerstören sie alle Abbilder und Figuren Maos sowie jegliche Spruchbänder und Tafeln mit kommunistischen Weisheiten. Sie verbringen eine Zeit der Liebe und des Hasses, der Zuneigung und des Abwendens, sowie der Gewissheit der Folgen und trotzdem des Hoffens auf eine Zukunft. In dem Buch “ Dem Volke dienen“ wird deutlich, wie sehr das eigene Denken während der Kulturrevolution verboten und das Leben nach den Lehren Maos als das Ideal gelebt wurde, in dem das Individuum nicht zählt, obwohl der Wunsch nach Freiheit und Respekt nie verloren geht. Yan Lianke gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart. Seine Werke wurden vielfach ausgezeichnet zum Beispiel mit dem Lu-Xùn und Lao-ShÄ› Literaturpreis. Jedoch bekommen die Chinesen nicht die Möglichkeit alle seine Werke zu lesen, da er das chinesische Gesellschaftssystem anprangert, indem er zum Beispiel auf das verdeckte Aidsproblem aufmerksam macht. ank

Welten Folge eins:
World of Warcraft

Was könnte schöner sein als die Innenstadt von Bochum? Manche würden sagen: Die Innenstadt von Wattenscheid. Andere würden vielleicht antworten: Ich. Wieder andere entgegnen: World of Warcraft.

Viele Menschen (Zahlen: siehe wikipedia.org) spielen heutzutage sogenannte Online Rollenspiele, wie eben auch besagtes World of Warcraft. Zunächst mag es verwundern, dass das stundenlange Sitzen vor einem Bildschirm derart faszinierend wirkt, dass die Spieler alles andere um sich herum vergessen, inklusive und nicht zuletzt auch ihren eigenen Körper, der mit zunehmender Spieldauer immer mehr der Verwahrlosung anheim fällt. Rasiert wird nicht mehr (das gilt für beide Geschlechter!). Der Trainingsanzug wird auch nicht mehr gewechselt. Die Ernährung wird typischerweise auf schnell Zuzubereitendes reduziert (Nudeln, Telepizza, Schokolade). So kann die Spielzeit optimiert, das heißt maximiert werden.
Auch ein erster Blick auf das Geschehen auf dem Bildschirm bringt keine Klärung: In regelmäßiger Folge werden Bestien und Monstrositäten dahingemetzelt. Die Bestienkadaver müssen dann noch nach Gold, Geschmeide und anderen Kostbarkeiten des Abenteurerlebens durchsucht werden. Gerade dieser zentrale Aspekt des Leichenfledderns wird vom Programm allerdings nicht besonders detailliert dargestellt. Wer einmal nachts ein smirgolartiges menschliches Wesen beim Durchstöbern eines gelben Sacks nach Einwegpfandflaschen im Schein einer Straßenlaterne aufgestört hat, weiß, wovon die Rede ist. Das viehhafte des Fledderns und Grabbelns bleibt also außen vor (man kann es aber in der sogenannten Realität durchaus noch im Winterschlussverkauf der Esprit-Läden beobachten).
Das Sammeln von Ausrüstungsgegenständen hat überhaupt eine zentrale Position im Spiel. Es scheint keinen der Spieler zu stören, dass die Suche nach passenden Gegenständen aus einem Set irgendwie an die Leidenschaft gemahnt, mit der zu anderen Zeiten (aber nicht: in anderen Schichten?) die Nippfigürchen aus den Überraschungseiern gesammelt wurden. Die immer weitere Optimierung (und auch hier das Mengenprinzip; siehe die Bemerkung über die Spielzeit weiter oben) des Charakters (beispielsweise Oger), das heißt seiner Werte, mittels der Akkumulation von Boni, die von den getragenen Gegenständen verliehen werden, scheint dabei der einzige Zweck der ganzen Schlachtorgie zu sein.
Endlich Oger sein
Bleibt der kommunikative Aspekt. Das Spiel bietet die Möglichkeit, sich Textbotschaften zu senden. Diese beschränken sich aber nach einer gewissen Spieldauer auf hastig getippte Abkürzungen von einzusetzenden Fähigkeiten und Zaubertricks, die, man ahnt es schon, die Angriffswerte des Helden im Zusammenspiel optimieren sollen, das heißt in schwindelerregende Höhen treiben.
Legen wir unsere Suchparameter also tiefer: Die Art, wie der Computer Bilder erzeugt ist eigentümlich direkt. Man weiß im Grunde, wie die Bilder sich prozessieren und das auch noch im Zusammenspiel mit den eigenen Handlungen, die man mittels der Bedienelemente des Computers ausführt, und die in dieser Ausführung als kontingent erscheinen müssen („oh hätte ich doch lieber den Feuerball geschleudert anstatt des Blitzes, dann läge das Viech nun tot da, anstatt Ich“). Man kann sehen, dass das Geschehen auf dem Bildschirm also abhängig von den Entscheidungen des Spielers ist. Und mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad verlängern sich die Ketten von Entscheidungen, die zum Ziel führen (dies meint die Niederstreckung immer mächtigerer Gegner und Gegenspieler und keineswegs die Beendigung des Spiels an sich).
Das Immerweiter scheint somit das Prinzip zu sein, nach dem das Spiel funktioniert. Es scheint, als habe sich die moderne Gesellschaft damit einen Simulator für ihre eigene Funktionsweise errichtet. Auch Geld muss man schließlich immer wieder neu ausgeben, ohne dass man einen Gegenstand angeben könnte, der tatsächlich den letzten Kauf darstellen wird. Spitzfindige Naturen werden merken, dass es diesen letzten Kauf eines Individuums aber doch empirisch gebe, nämlich in dem Gegenstand, den ein Mensch zuletzt vor seinem Tod kauft. Und genau in diesem Punkt wird die lebensphilosophische Botschaft von World of Warcraft deutlich: Der Einzelspieler kann austreten und aufhören zu spielen, aber das Spiel wird auch ohne ihn weitergehen, so wie auch das gesellschaftliche Geschehen „Geldausgeben“ immer weitergeht, unabhängig wer gerade lebt und in der Lage ist, einen Nutzen aus den für das Geld ausgehändigten Gegenständen zu ziehen.
Denn auch wenn es ärgerlich ist: Auch ein aufgemotzter Pixeloger haucht irgendwann sein Leben aus, und dann geht alles wieder von vorne los. Und genau hier liegt der entscheidende Bezug zur Realität: Der Oger steht immer wieder da, Wiederbelebung macht es möglich. Ist heutzutage nicht auch jeder Mensch dazu aufgerufen sich selbst zu erfinden, möglicherweise gleich mehrmals, sich für eine Karriere zu entscheiden, oder zumindest in der Lage zu sein, sein Verhalten als Karriereentscheidung darzustellen? Und man kann schon jetzt jeden Personalchef dazu beglückwünschen, dass er sich in nicht allzu ferner Zukunft die Erklärungen für die fehlenden zwei Jahre im Lebenslauf manch eines wiederauferstandenen World of Warcraft-Junkies anhören darf („Von 2007 bis 2009 bin ich als Oger durch ein Wolkenkuckucksheim gelaufen und habe mit einer magisch verzauberten Keule Monstrositäten niedergestreckt, um daraufhin ihre Kadaver nach Gold und Geschmeide zu durchsuchen!“).Â
Auch und gerade wenn Menschen so leben, als gäbe es kein Ende: was bleibt ihnen Anderes übrig? Das Ende werden sie wohl kaum erleben. Denn das Ende ist etwas ganz anderes, als das, was jetzt ist.
-Ende-
Benz

Dass Jonathan Davies seine Stimme als Chorknabe mit klassischen Arien schulte, sieht man nicht gerade. Man hört es aber am Sound seiner Band „Korn“. Die fiesen Freaks des US-Metal zogen 4000 Fans im ausverkauften Kölner Palladium mit einer elegischen Rock-Oper in ihren Bann.

Bei auffallend vielen der vorwiegend schwarz gekleideten jungen Menschen, die sich an diesem im Palladium versammelt hatten, prangte eine riesige Solidaritätserklärung zur konzertierenden Band auf dem Rücken: „Still a f…. freak“ (Immer noch ein verdammter Sonderling). Man merkte, schon bevor die Gitarren dröhnten und Drums zerschossen wurden, dass diese Fangemeinde vor allem eins wollte: Abgehen und schwitzen.
„Eine gute Voraussetzung für einen gelungenen Metal-Abend“ dürfte sich Jonathan Davies, der Mann mit den tausend Tätowierungen, gedacht haben. Mit ein wenig Starappeal-geschuldeter Verspätung stolzierte er um 22.15 Uhr im Schottenrock auf die Bühne und brachte mit dem straight nach vorn strotzenden Starter „Hushabye“ gleich sämtliche Headbanger in Wallung. Die Haare sollten in Bewegung bleiben, genau wie die meisten Körper. Im Laufe eines äußerst kurzweiligen Hardrock-Abends folgten schnell aufeinander die Reißer des neuen Albums „Untitled“, gepaart mit immerwährenden Klassikern wie „Freak on a Leash“ oder „Follow the leader“.
Davies und seine Mitstreiter begeisterten dabei vor allem mit viel Körperlichkeit. Wenn schon bei den Fans „Schwitzen“ ein Grundmotiv des Konzertbesuchs ist, auf der Bühne war es dies um so mehr. Wie das Batteriemännchen hüpfte der Frontmann auf und ab, nur unterbrochen von den kurzen Songpausen. Auch die Riff-Künstler James „Munky“ Shaffer und Brian „Head“ fuhren quietschende und ächzende Panzergitarren an die Soundfront – und wechselten dabei ständig den Standort, tauschten Seiten, Saiten und schließlich sogar ihre Instrumente.
Die Eskapaden der letzten Jahre – Frontmann Davies litt und andere an Alkohol- und Tablettensucht – scheinen jedenfalls hinter der Band zu liegen. Die Heroen des „NuMetal“ klangen wie zu ihren Hochzeiten und hüllten sich und ihre Hörer in eine nur vom fluoreszierenden Laserlicht ab und an illuminierte Finsternis. Ihr Ur-Thema in Texten und Videos – das vernachlässigte Mittelstandskind, allein gelassen mit seinen Ängsten – dürfte genau wie der Korn-Sound so schnell kaum an Aktualität verlieren.

bp

Der schmale Grat zwischen Gewaltglorifizierung und Gesellschaftskritik
Grand Theft Auto IV
Am 29. April erschien der aktuelle Ableger der GTA-Reihe: Grand Theft Auto IV. Von der Fangemeinde geliebt und gefeiert, von konservativen Medien und Instanzen gehasst und verachtet. GTA wagt eine gefährliche Gradwanderung zwischen maßloser Gewaltglorifizierung und zynisch-intelligenter Gesellschaftssatire. Notwendig oder gefährlich? Kunst oder Kommerz?

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Tschechow, Badenweiler, Die NOKIA-Bahn und eine gelungene Inszenierung.
Nach Moskau!
Nach ausverkauften Vorstellungen werden im Bochumer Künstlerprojekt „Rottstraße 5“ vier weitere Vorstellungen von Tschechows „Drei Schwestern“ gegeben. Was Tschechow dazu gesagt hätte? Wir wissen es nicht.

Die Schwestern Olga, Mascha und Irina sitzen im Haus ihres Bruders und wünschen sich ein besseres Leben. Die Erfüllung im Beruf und in der Liebe können sie in der russischen Provinz nicht finden und wollen deshalb zurück „nach Moskau“, in ihre geliebte Heimatstadt, wo sie sich mehr Aufregung und Selbstverwirklichung erhoffen. Daraus wird nichts: Alle drei stecken in ungeliebten Berufen, Ehen und Liebschaften fest und werden unglücklich. Dass die „Rottstraße 5“, in der das Stück aufgeführt wird, unter den Gleisen der NOKIA-Bahn liegt und die Szenerie dann und wann von kleinen Erschütterungen aufgrund der darüber hinweg fahrenden Züge heimgesucht wird, finden die über die Aufführung berichtenden Journalisten dabei höchst erwähnenswert. Verzweiflung bei den Schwestern UND bei den bald arbeitslosen Arbeitern, raffiniert!

Nun hatte Anton Tschechow beim Schreiben seines Stückes sicher vieles im Sinn, aber einen raffgierigen finnischen Hersteller von Mobiltelefonen vermutlich nicht (aber: wir wissen es nicht). So ist der Bezug auf die Arbeitslosigkeit im Deutschland des 21. Jahrhunderts ein eigenwilliger, aber offenbar doch wenig origineller Gedanke, denn mindestens drei Redakteure hatten denselben. Tschechow sagte „In dreißig Jahren wird jeder Mensch arbeiten! Jeder!“, aber Arbeitskämpfe und Tarifverträge waren nie der Mittelpunkt seines literarischen Schaffens. Nun kann ihm natürlich mangelndes revolutionäres Bewusstsein vorgeworfen werden. In vielen seiner Werke beschreibt er das kleinbürgerliche, zaristische Russland, in dem Individuen auf der Suche nach Selbstverwirklichung regelmäßig an der Realität scheitern. „Eine Krise kann jeder Idiot haben. Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag.“, meinte er. Und um den Alltag in einer Gesellschaft mit wenigen Perspektiven drehen sich auch seine Stücke. Nun war Tschechow sicher kein Feind der Arbeiter – einer der Liebhaber in den „Drei Schwestern“ gibt etwa seinen Posten als Offizier auf, um seine berufliche Erfüllung fortan in einer (oha!) Ziegelei zu suchen – aber auch kein politischer Aktivist, der sich zu jeder Zeit und Unzeit an die Seite der Unterdrückten stellte, um lauthals Parolen zu krakehlen, mit Fahnen zu schwenken oder auch nur betroffen dreinzuschauen (siehe auch: Oskar Lafontaine, Hannelore Kraft). Tschechow hat den Menschen dann geholfen, wenn er es konnte. Als Arzt behandelte er arme Patienten umsonst, und er ließ den Schriftsteller Maxim Gorki in seinem Haus nahe der Stadt Jalta übernachten, als der zu einem Schlafverbot in Städten verurteilt wurde. In seiner Arbeit als Künstler pflegte er eher den eleganten Ton und übte trotzdem Kritik an der russischen Gesellschaft während der Zarenzeit. „Der Kluge lernt, der Dummkopf erteilt Belehrungen“, lautet eines seiner Zitate, und daran hat er sich gehalten.

Wer Tschechow unbedingt mit Kausalitäten in der BRD in Zusammenhang bringen will (NOKIA!), der wird in seiner Biografie trotzdem fündig. Seine letzte Reise führte den schlauen Fuchs ins südbadische Badenweiler. Tschechow, seit seinem 24. Lebensjahr lungenkrank, reiste im Jahr 1904 auf Anraten seines Arztes in den Kurort, den er absonderlich fand. „Badenweiler ist ein sehr origineller Kurort, aber worin seine Originalität besteht, ist mir noch nicht klar geworden.“, schrieb er nach Russland. Lange musste er dort nicht ausharren, denn bald nach seiner Ankunft war er tot. Badenweiler – bis heute fast in dem Zustand konserviert, den der Schrifsteller damals gesehen haben muss – hatte ihn auch nicht mit offenen Armen empfangen. Aus dem großbürgerlichen „Hotel Römerbad“ wurde er weggeschickt: dort wünschte man keine Lungenkranken. Als „…reich, aber sehr unbegabt.“ beschrieb Tschechow seiner Schwester die Musik im Kurpark, „Man verspürt keinen Funken Talent, in nichts, keinen Funken Geschmack, aber dafür Ordnung und Ehrlichkeit im Überfluss.“ Eine Statue haben ihm die Bewohner der Stadt trotzdem gebaut, kurz vor dem Ende des ersten Weltkriegs wurde sie allerdings zu Rüstungszwecken eingeschmolzen. Zu einem Gedenkstein zwischen „einer Morinda-Fichte und einer Sumpfzypresse“ hat es Mitte der Sechziger gereicht, eine neue Statue für den verlassenen Sockel gab es erst 1989 wieder. Vier übernächtigte Russen brachten sie in einem Militärlastwagen von der ehemaligen Verbannungsinsel Sachalin in Ostsibirien. So steht also heute ein bronzener Riesentschechow in einer Stadt, die er nicht mochte, und drei junge Schauspielerinnen auf der Bühne unter der NOKIA-Bahn. Kathrin Ebmeier, Studentin der Theaterwissenschaften, hat sich das Ergebnis angeschaut:

„Martin Fendrich hat einen nichtnaturalistischen Stil gefunden, um die Frage hinter dem Zerbrechen auf der Bühne zu stellen. Warum gehen sie nicht? Musik, Licht und Bühnenbild sind von ihm geschickt komponiert. Fendrich lässt die Schauspieler auf der Bühne rauchen, essen und trinken. Genau da liegt eine große Qualität der Inszenierung. Essen, Alkohol trinken und auch Rauchen sind Bedürfnisse. Und können süchtig machen. Er inszeniert Bedürfnisse und Sucht. Sehnsucht. Ein menschliches Bedürfnis? Ein Traum der nicht wahr wird, den man immer wieder träumen kann, motiviert so sehr, wie er kaputt macht. Ein Ziel, das man sich setzt, aber nie erreicht, hält einen in Bewegung, genauso sehr, wie man kurz vorm Aufgeben ist. Dieses Spannungsfeld lässt sich in einer kleinen Galerie mitten in Bochum in einer Off-Theater Inszenierung miterleben. So sehr wie jeder es auch irgendwie von sich selber kennt.“ Die zusätzlichen Vorstellungen finden am 19. und 20. April und am 11. und 24. Mai jeweils um 20 Uhr statt. Mehr Infos: www.rottstr.5.de
sjn

RUB-Studierende als TheatermacherInnen
Sanfte Revolution
auf der Bühne
Eine kleine Sternstunde des (studentischen) Theaters konntet Ihr Ende März sowie am vorvergangenen Wochenende bereits fünfmal im Ringlokschuppen Mülheim erleben: In einer Inszenierung von Alexander Kerlin, Fabian Lettow und Mirjam Schmuck (Regiemitarbeit: Jasmin Stommel, Lisa Overmann) wurde dort Einar Schleefs 1986 uraufgeführtes, hochpolitisches Bühnenstück „Die Schauspieler“ gezeigt, das soziale Zerfallsprozesse in Zeiten ökonomischer Prekarisierung unter die Lupe nimmt. Ein Thema, das nicht zuletzt aus der Perspektive der ,Generation Praktikum‘ aktueller denn je erscheint!

„Kann man einen richtigen Penner mit einem richtigen Schauspieler verwechseln?“ Diese zentrale Replik des Stückes legt den Finger in die klaffende Wunde gegenwärtiger gesellschaftlicher Verwerfungen: Zunehmende ökonomische Ausgrenzung hat eine Prekarisierung immer größerer Teile der Bevölkerung zur Folge, die bei Schleef im Versuch der Aufführung eines Theaterstücks über Wohnungslose in einem Obdachlosenasyl (in Gestalt der Gruppen »Schauspieler« versus »Penner«) wechselweise miteinander interagieren und dann wieder schroff aufeinanderprallen. Das Experiment des Stücks im Stück kommt daher einer beinahe übermenschlichen Zerreißprobe gleich: Kaum erträgliche Spannungen prägen die Interaktion der »SchauspielerInnen« (Burkhard Forstreuter, Hans-Christian Mühlmann, Mi-Sah Rehnolt, Julia Dillmann) mit den »AsylbewohnerInnen« (Kolja Schmidt, Detlev Seitz, Patrick Dollas, Bianca Künzel, Mirjam Schmuck). Um in die „Gemeinschaft der sozial Degradierten“ aufgenommen zu werden, müssen sich die AkteurInnen Initiationsriten unterziehen, die immer wieder die Grenze menschlicher Würde antasten. Ein solidarisches Miteinander wird durch Hierarchiebildung und Ausgrenzung innerhalb der Prekarisierten unmöglich gemacht. Als die Hoffnungslosigkeit am größten scheint, tritt – ähnlich wie in Gerhard Hauptmanns „Die Weber“ – der Chor (Frauke Daum, Kathrin Ebmeier, Marina Eichler, Kama Frankl, Petra Hollstein, Caroline Martiny, Kirsten Möller, Rasmus Nordholt, Sebastian Radermacher, Feeke Rascher, Gregor Runge, Sebastian Schröer, Lisa Schwalb, Jascha Sommer, Dobrina Trifonova, Nadine Voß, Julia Warnemünde, Klaas Werner, Manuel Zauner) auf den Plan…

Von der (gesellschaftlichen) Pest kündet der Sprechgesang des sich aus dem Bühnenhintergrund heraus rasch formierenden Chores, aber auch von Straßenkampf und der Notwendigkeit revolutionären Wandels, motiviert durch existenzbedrohenden Mangel an elementaren Gütern: „Gebt zu essen. Gebt zu wohnen. Gebt zu trinken. […] Wohnung und Nahrung.“ Im gleichen Atemzug jedoch wird – in Zeiten der Prekarisierung künstlich verknappte – „Arbeit“ sowie „Wissen“ als – gegenwärtig zunehmend der Ökonomisierung unterworfenes – Gut eingefordert, das für die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit bereitzustellen ist. Die Rezitative des Chores wechseln sich ab mit bekannten Gesängen der Arbeiterbewegung wie dem „Einheitsfrontlied“ sowie dem „Solidaritätslied“ von Bertolt Brecht und Hanns Eisler. Die Aufforderung zu einem solidarischen Miteinander erreicht die RezipientInnen wie ein mahnendes Echo aus dem Off: Nachdem der Chor mit dem zur Endlosschleife reduzierten „Vorwärts – und nicht vergessen“ auf den Lippen den Bühnenraum verlassen hat, erklingt das Schlüsselwort „Solidarität“ erst als leiser Nachklang aus dem Foyer, wo sich der Chorgesang gleichsam als Kommentar zur weiteren Bühnenhandlung fortsetzt. Jeder weitere Versuch einer egoistischen Existenz des Individuums außerhalb des Kollektivs erscheint vor diesem (akustischen) Hintergrund in zunehmend fragwürdigem Licht. Durch den innovativen Einsatz des Chores wird die somit sehr unaufdringlich daherkommende politische Dimension der „Schauspieler“ in künstlerisch sehr überzeugender Weise akzentuiert.
In einer sicherlich über Einar Schleefs ursprüngliche Konzeption hinausgehenden postmodernen Brechung der harten politischen und zwischenmenschlichen Konflikte des Stückes wird zudem die Möglichkeit einer wunderbaren Auflösung in Gestalt einer ‚sanften Revolution‘ spürbar. Eine Adaption des Refrains des Tocotronic-Songs „Pure Vernunft darf niemals siegen“ versetzt die Bühne zeitweise in harmonische Schwingungen: „Wir sind so leicht, dass wir fliegen.“ Die hierin anklingenden harmonischen Zwischentöne ergänzen kontrapunktisch die im Publikumsgespräch nach der jüngsten Aufführung in Mülheim konstatierte „gelungene Radikalität des Körperlichen“. Zugleich konterkarieren sie die dort geäußerte Kritik, die Aufführung habe „unter der Wucht der Bilder gelitten“. Kritische Distanz zur „bedeutungsschweren Performance“ der Inszenierung, wie sie in einer WDR-5-Rezension im Kulturmagazin „Scala“ (31.3.08) geäußert wurde, erscheint somit eher unangemessen. Die sanft-revolutionäre Botschaft der als Kollektiv brillant ins Spiel kommenden »Schauspieler« jedenfalls wird von den AkteurInnen derart professionell umgesetzt, dass zwischen etatmäßigen Bühnenprofis und diesem freien, zu einem großen Teil studentischen Ensemble keinerlei Qualitätsunterschied spürbar ist. Das u. a. in Zusammenarbeit mit dem Institut für Teaterwissenschaft der RUB aufgeführte Stück ist am 3. und 4. Mai ab 19.30 Uhr noch zweimal im Schloßtheater Moers zu sehen. (Tickets könnt Ihr direkt unter www.schlosstheater-moers.de bestellen.) Ihr solltet es Euch nicht entgehen lassen!

Bilder: Andreas Backhaus
USch

Literaturcafé
Heute: Studienliteratur

An dieser Stelle findet sich sonst üblicherweise eine Rezension aus dem Bereich der aktuellen Literatur. Heute wollen wir die Perspektive mal ändern und uns mit Studienliteratur auseinandersetzen, genauer mit Literatur über Literatur.

Unser heutiges Werk ist das Metzler Lexikon Literatur, das in keinem studentischen Bücherregal fehlen sollte, sofern der Besitzer oder die Besitzerin Germanistik oder Komparatistik studiert. Besagtes Werk ist inzwischen in der dritten Auflage erschienen und hat sich über die Jahre als ein Standardwerk für Germanistikstudierende, DeutschlehrerInnen und KomparatistInnen etabliert.
In der neuesten Auflage wurden 600 Artikel neu aufgenommen und einige aktualisiert, sodass zu insgesamt über 4000 Stichwörten in den Bereichen Metrik, Poetik und Rhetorik sowie der Buch-, Verlags- und Sprachgeschichte und der Geschichte der Philologie und Literatur eine schnelle Orientierung ermöglicht wird. Abgedeckt wird die Literaturgeschichte von der Antike bis heute. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der europäischen und besonders der deutschen Literatur.
Die knappen Artikel informieren präzise über relevante Begriffe, während hilfreiche Querverweise innerhalb sinnvoller Zusammenhänge und vielfältige, aktuelle Literaturhinweise eine Unterstützung bei der kompetenten Orientierung zum Thema bieten.
Der Umfang der Einträge orientiert sich an der Wichtigkeit der Begriffe und ist dementsprechend kürzer gefasst, wenn es um die Erläuterung randständiger Begriffe geht. Bei wichtigen und allgemeineren Begriffen wird das Lexikon ausführlicher.
Da der Schwerpunkt zwar auf der deutschen Literatur liegt, aber die gesamte Literaturgeschichte Europas überblickt und in den Bereichen Metrik, Poetik und Rhetorik die gleichen AutorInnen herangezogen werden, lohnt sich dieses Werk auch als Anschaffung für die KomparatistInnen unter uns. Oftmals steht man der deutschen Literatur ja aus Schulzeiten noch nah und kann durch die Verweise auf die restliche europäische Literatur sehr gute Querbezüge darstellen.
Als Fazit kann man sagen, dass sich die Anschaffung als Studienliteratur auf jeden Fall lohnt und preislich auch für Studierende noch erschwinglich ist, wo sonst vielbändige Lexika außerhalb jedes Gedankens verbleiben.

Metzler Lexikon Literatur
Begriffe und Definitionen
Begründet von Günther Schweikle und Irmgard Schweikle
Dieter Burdorf/Christoph Fasbender/Burkhard Moennighoff (Hrsg.)
3., völlig neu bearbeitete Auflage
IX, 845 S., Gebunden
Preis: EUR 29,95
ISBN: 978-3-476-01612-6
FF

Newcomerfestival 2008
Die vier Finalisten stehen fest
Am vergangenen Freitag wurden im KulturCafé bei der zweiten Vorrunde des diesjährigen Bochumer Newcomerfestivals der dritte und vierte Teilnehmer des Finales ermittelt.

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