Persönlicher Reisebericht, Teil 2

In der letzten Woche erfuhrt ihr an dieser Stelle über meine geographische Exkursion in die Nationalparks von Colorado und Utah, über die Schönheiten der höchsten Sanddünen der Vereinigten Staaten und die bemalten Schluchten des Black Canyon of the Gunison Nationalparks. In dieser Woche möchte ich die bsz-LeserInnen einladen, mit mir nach Utah zu fahren: zu meinem persönlichen Höhepunkt der Reise: Dem Canyonlands Nationalpark.

Der Park wird durch den Green River und den Colorado in drei Teile geteilt, welche nicht miteinander verbunden sind: Den einsamen, wenig erschlossenen Maze-District im Osten, den Needles im Süd-Westen und den beliebtesten Teil Island in the Sky im Norden des Parkes. Die verschiedenen Sedimentgesteine, wie zum Beispiel der Cedar Mesa oder der White Rim Sandstein, sind durch mehrere Jahrmillionen von Wasser und Wind in die verschiedensten Formen gefeilt worden. Es gibt die tiefen, mäandrierenden Canyons der Flüsse, die großen Plateaus der Mesas und Buttes, die feinen Nadeltürmchen, pilzförmige Formationen aber auch Arches (Steinbögen), prägen die Landschaft. Alles in allem eine Menge roter Stein, der einst durch einen Ozean an dieser Stelle sedimentiert wurde. Diese vielen Schichten leuchteten uns im Licht der Septembersonne bei unserer Einfahrt entgegen und gaben einen kleinen Vorgeschmack auf die nächsten Tage.

Cowboys in Zelten?!

Mit ein bisschen Glück durften wir auf einem der warscheinlich schönsten Zeltplätze der Welt campen, dem Split Top Campground. Zwischen pilzförmigen Steinen verborgen bilden zwei Felsvorsprünge eine Höhle mit gespaltenem Dach – hier schliefen viele von uns die nächsten zwei Nächte auch ohne Zelt gut. Sehr zum Unmut der vertriebenen Fledermäuse und zur Freude der Mäuse, die uns in der zweiten Nacht durchs Gesicht krabbelten – auf der Suche nach den Schokoriegeln, die nicht weggeräumt worden waren. Jedoch gewöhnten wir uns langsam an das Schlafen im Freien und die Geräusche der Nacht, genau wie die Indianer und später auch Cowboys. Wir besuchten ihr historisches Lager am nächsten Morgen, noch bevor wir uns zur Tageswanderung aufmachten.

Wanderung Wild West

Die Nacht war empfindlich kühl, sodass wir morgens meist mit Handschuhen und Mützen aufbrachen, doch noch vor Mittag in unseren Shirts schwitzten. Die Sonne wurde auf der Wanderung in der unglaublichen Landschaft über Stock und Stein zum quälenden Hindernisfaktor: Wer keinen Hut oder weniger als drei Liter Wasser dabei hatte, war schon gegen Mittag zum Aufgeben gezwungen. Unsere Wanderwege führten uns quer durch den Park, sie waren gekennzeichnet durch Steinhaufen – fehlte einer, stellte uns dies oft vor ein Rätsel. Dennoch birgt diese Art zu wandern viele spannende Momente, wie das Laufen durch Flussbette, das Klettern auf bloßem Stein, Springen über Felsbrocken, Erklimmen von Leitern oder das Balancieren durch nicht mal schulterbreite Schlitze. Was macht es denn schon, wenn man vor lauter Wandern in eine Art Trance verfällt, die Schultern verspannt schmerzen und jeder falsche Schritt eine Katastrophe bedeuten könnte? Schließlich wartete hinter jeder neuen Biegung eine neue architektonische Meisterleistung der Natur auf uns. „Quäl’ dich, du Sau!“ war die Devise, und die Beine liefen einfach weiter, Schritt für Schritt. Die letzten vier Meilen erschienen endlos bis wir gegen 18 Uhr am Zeltplatz ankamen, nach zehn Stunden auf den Beinen. Der nächste Tag mit grandiosen Ausblicken vom Dead Horse Point State Park versprach Entspannung mit nur einem kleinen „Spaziergang“ von fünf Meilen (8 km) bis zum Highlight am Abend: Dem Sonnenuntergang am Ende des Grand Viewpoint Overlooks.

Wo sind denn die Arches?

Die nächsten Tage verbrachten wir im benachbarten Arches Nationalpark. Nur wenige Kilometer entfernt, zeigte sich hier wieder ein neues Landschaftsbild. Auch hier waren das Urzeitmeer und die abgelagerte Salzschicht mit darüberliegenden Sandsteinschichten die Erbauer der Landschaft, nur bildeten sich durch Verschiebungen Rippen. Diese wiederum wurden durch Wind und Kälte ausgehölt, und es bildeten sich Bögen, Arches – der Größte ist 93m breit (wie ein Fussballfeld) und in Teilen nur 1,80m dick. Nicht für die Ewigkeit gemacht also, denn die Erosion ist immer noch am Werk – im ganzen Park gibt es etwa 2000 der Prachtexemplare. Wir erschlossen die meisten Arches zu Fuss und dabei trafen wir auf viele Touristen aus aller Welt, die sich diese beliebten Fotomotive ebenfalls nicht entgehen lassen wollten. Wie lange wir schon in der Natur lebten, bemerkten wir am Duft der frisch parfümierten Reisenden im Kontrast zu unseren verschwitzten, sandigen Wanderklamotten. Ein Mekka für FotographInnen war der Delicate Arch, ein Wahrzeichen Utahs, welches wir nach einer schönen Wanderung im Sonnenuntergang genießen konnten. Nach vier Tagen voller roter Erde, Hitze und Sandstein waren wir trotz fantastischer Eindrücke übersättigt und die Vorfreude auf die Rocky Mountains dementsprechend groß.

Rocky Mountains

Temperaturschwankungen von 30 auf 0 Grad innerhalb von 24 Stunden sind in den USA kein Problem. Gestern hatten wir noch im trockenen Sand geschlafen, am nächsten Tag bauten wir Schneemänner auf dem Independence Pass, der amerikanischen Wasserscheide. Nach einer langen Fahrt trafen wir im berühmten Rocky Mountains Nationalpark ein und erfassten die Größe und Mannigfaltigkeit des Vulkangesteins mit einer ersten Rundfahrt. Auch die scheinbar karge Natur überhalb der Baumgrenze bot genügend Raum für Lehrstoff. Warum formen herabrollende Steine eigentlich beim Liegenbleiben Ringmuster? Eine Parallele zu Kornkreisen? Trotz über 3000m Höhe mussten wir unsere Hirne ganz schön anstrengen. Einfach nur Staunen konnten wir über die Tiervielfalt: Hatten wir in den trockenen Canyonlands noch jede Eidechse bewundert, begegneten wir hier Streifenhörnchen, Blauhähern und großen Herden Wapitihirschen. Es war Brunftzeit und das Röhren weithin zu hören – leider allerdings kein tiefes Hirschgebrüll, sondern ein Geräusch ähnlich quitschender, rostiger Eisentüren, welches uns in den Schlaf begleitete.
Die zwei Wochen Exkursion waren so vollgepackt mit Impressionen, Wanderungen, Besichtigungen, Staunen und neuem Lehrstoff, dass sie schnell vorbei gingen. Ich bin an meine körperlichen Grenzen gegangen, habe sie vielleicht sogar überschritten – trotzdem war die Exkursion Urlaub vom Alltagsstress, von der Zivilisation, einfach nur Natur. Und ich bin sogar auf den Geschmack gekommen…

jkae

Festival Video und Film im endstation Kino

Zum 14. Mal lädt das Filmfestival blicke aus dem ruhrgebiet am Donnerstag, den 23. November um 19 Uhr herzlich zur Eröffnung im endstation Kino in Bochum Langendreer ein. An den vier Festivaltagen stehen 41 Filme auf dem Programm, die sich um Erinnern, Reisen, Freundschaften, Musik, Arbeit und natürlich auch um das Ruhrgebiet drehen: Dokumentationen, gefolgt von kleineren Spielfilmen und Animationsstreifen. Auch kreative Musikvideos und skurrile Experimentalfilme prägen den Gesamteindruck des diesjährigen filmischen Angebots.

Allein 27 Beiträge sind von Filmemachern aus dem Ruhrgebiet eingereicht worden. Die „Blicke“ gingen dieses Jahr von Bochum, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim, Oberhausen und Recklinghausen aus. Dabei blieb „das Revier“ nicht immer in Sichtweite. So sind z.B. Hossam Ali und Daniel Sondermann aus Mülheim für ihren Film „Ägyptische Geschichten“ in das Land am Nil geflogen. Fritz Gnad aus Bochum wiederum entführt das Publikum mit seinem Animationsfilm „less students“ in eine bisher unentdeckte „vierte Dimension“ der Ruhr-Uni.
Die Filmgruppe Herne zeigt mit ihrem Beitrag „schwarz, rot, gold“, welche lustigen Dimensionen im Fußballpatriotismus zu finden sind. Carsten Pütz Film „Make Up My Life“ verwandelt die Dortmunder Nordstadt in die Kulisse für sein ganz eigenes Remake von „Außer Atem“.
 An die zehn Wettbewerbsblöcke, die von Donnerstag bis Sonntag laufen, schließen sich halbstündige Diskussionsrunden an, in der jede BesucherIn Fragen an die Filmemacher stellen oder Kritik und Lob spenden kann.

Rahmenprogramme

Zwischen den Wettbewerbsblöcken finden drei Rahmenprogramme statt. Darin stehen der Amateur(film) und sein Schaffen im Mittelpunkt. Am Samstag Nachmittag um 17.15 Uhr erzählen Hilde Hoffmann und Eva Hohenberger (Institut für Medienwissenschaft der RUB) im Rahmen ihrer ‚Rede- und Zeigeveranstaltung’ Kleines Geld und große Träume. Lang lebe der Amateur die Geschichte des Amateurfilmers und fragen nach seinen Zukunftsaussichten. Eine Besonderheit mit Tradition ist die Samstag um 23.30 Uhr stattfindende Lange N8 der 8mm. Hier werden mitgebrachte Fundstücke oder Selbstgedrehtes auf die große Leinwand projiziert. Jeder Besucher kann seine „Rollen“ mitbringen und damit das Profil des Abends selbst mitgestalten. Ralf Forster, Filmwissenschaftler und Schmalfilmsammler aus Berlin wird außerdem Schätze aus seiner Sammlung zeigen.
Am Sonntag wird ab 15 Uhr im abschließenden Rahmenprogramm Video- und Bildbewegung gestern und heute: politisch, solidarisch, vernetzt auf die durch Amateure geschaffene ‚Gegenöffentlichkeiten’ eingegangen. Die beiden Initiativen „Medienzentrum Ruhr e.V.“ (Essen) und „Umbruch Bildarchiv“ (Berlin) stellen sich vor und beleuchten ihre Arbeiten.
Für alle an Bochum interessierten Filmemacher, die die Stadt als möglichen Drehort für einen der nächsten Filme kennen lernen möchten, bietet blicke aus dem ruhrgebiet in Zusammenarbeit mit dem Presseamt der Stadt am Samstag um 10 Uhr eine Bustour entlang einiger filmenswerter Punkte Bochums an. Auch für Nicht-Filmer eine Gelegenheit, neue Ecken kennen zu lernen. Ausgehend vom endstation Kino startet die vierstündige, kostenlose Fahrt. Wer Interesse hat, bitte im Festivalbüro anrufen, da die Plätze limitiert sind.

Zu gewinnen

 Das große Finale erwartet die Besucher am Sonntag ab 20 Uhr bei der Preisverleihung. Die unabhängige Jury vergibt insgesamt 6000 € Euro Preisgeld. Das Publikum ist an allen vier Festivaltagen aufgerufen, für den Publikumspreis zu stimmen, der ebenfalls an dem Abend vergeben wird. Nach der Verleihung werden alle prämierten Werke ab 20:30 Uhr zu sehen sein. Sollten Filme einmal verpasst werden, bietet die Präsenzvideothek von Freitag bis Sonntag alle Filme und Einreichungen zur Sichtung an.

Nina Selig

Infos:
blicke aus dem ruhrgebiet
Wallbaumweg 108
44894 Bochum
0234-26616
info@blicke.org
www.blicke.org

Warum loben?

In die Massenmedien ist ein zauberhafter Mechanismus eingebaut, der es unmöglich macht, per Geschmacksurteil zu vernichten. Ein Verriss ist nicht so schlecht wie die schlichte Ignoration. Eine Erregung hilft dem Erregungsauslöser immer noch mehr als das Schweigen. Auch wenn das Buch XY von Reich Ranicki in der Luft zerrissen wird, dass die Spucketröpfchen nur so fliegen, der/die ZuschauerIn/ LeserIn wird es trotzdem kaufen.

Offenbar wirken in den Kritiken lesenden Menschen Trotztriebe, die sie dazu auffordern, sich eine eigene Meinung zu bilden. Was weiß schon der Kritiker? Der liest den ganzen Tag nichts als Bücher. Das muss dem doch auch irgendwann zu den Ohren raushängen. Da muss er ja fast zwangsläufig an den Punkt kommen, an dem ihm jedes Buch zum Ekel wird. Und selbst wenn dem nicht so ist: Warum dann nicht irgend etwas anderes, das der feinen Kritikerseele die Lesefreude eintrübt: Hund tot, Oma verschollen, Tochter mit Haschisch erwischt? Man kann sich also nicht auf die Worte des Kritikers verlassen. Zuviel Unwägbarkeiten, Zufälle und Störfaktoren lassen seinen Thron, von dem er seine Geschmacksurteile verkündet, wanken.
Und generell muss man sich schon fragen: Hat er überhaupt (noch) auch nur ein ähnliches Leseinteresse (also Geschmack) wie man selbst (als Leser).
Was den Kritiker aber in den Wahnsinn treiben muss, ist aber nicht die Tatsache, dass seine LeserInnen/ZuhörerInnen/ZuschauerInnen, was auch immer (Publikum!), seinen Beiträgen aufgrund der Unpersönlichkeit massenmedialer Kommunikation zu misstrauen haben, sondern vielmehr seine Unmöglichkeit zu vernichten. Eine vernichtende Kritik kann es gar nicht geben, wie die Erfahrung beweist. Niemandem hilft eine Kritik mehr, als dem/der Kritisierten. Die schlimmste Strafe muss also die Nichtbeachtung sein. Nur sie schafft, was alles Zetern und Moralisieren nicht schaffen kann: die Vernichtung.

Ein Hoch
aufs Runtermachen

Und doch fällt auf, dass es sehr viele negative Kritiken gibt, dass es meist sogar die Negativen sind, die lieber gelesen werden. Das mag daran liegen, dass ein Meinungsdissens aufgebaut wird und so ein Konflikt allemal spannender zu verfolgen ist, als ein einmütiges Beipflichten und Rumgeschmuse rund um das Kritisierte.
Doch was macht der Kritiker, wenn er sieht, dass sich die Leute trotz seiner Kritik das von ihm verrissene anschauen/lesen/anhören? Liegt er dann zu Hause auf dem Sofa und sticht auf eine Voodoopuppe, der ein Foto des Künstlers (ausgeschnitten aus der eigenen Kritik?) auf dem Gesicht klebt, ein und verflucht diesen Künstler noch schlimmer, als er es schon öffentlich in seiner Kritik getan hatte?

Lederpeitsche &
 Astrologieberatung

Wird er sich in einsamen Höhen des Geschmacks wähnen, seine Kritiken als Unrat betrachtend und auf den Publikumsverstand auskübelnd? Wird er die einschlägigen Verkaufstabellen ausschneiden und sich vor ihnen mit einer Lederpeitsche geißeln, dabei ausrufend: „Ich bin zu schwach! Oh Gott (meint er damit den vermeintlich guten Geschmack ?!)! Ich habe es nicht geschafft! Das Elend regiert die Köpfe! Die Verschlammung der Hirne ist an einem Punkt angelangt, von dem aus es kein zurück mehr geben kann!“
Das alles wohl schon, vorausgesetzt er hat das Gefühl wahrgenommen zu werden. Hat er dieses Gefühl nicht, kann er ganz unbeschwert zetern und trotzdem der Meinung sein, damit dem Kritisierten nicht geholfen zu haben. So schreibt er dann womöglich Sätze wie: Madonnas Musik ist die Abgeschmacktheit einer schmierigen Waldklinikgroschenromanheftserie im kittelschürzigen Cholesterin- und Kalorientabellengewand inklusive Zahnlücke und Astrologieberatung. Wohl wissend, dass niemand diesen Satz verstehen kann, weil ihn niemand liest, kann ein Kritiker, der einen solchen Satz schreibt, ganz beruhigt schlafen, ohne dass Größenwahn-oder Paradoxieproblematik seine Träume zu trüben vermögen.

Juden &
Zigeuner

Um noch schnell auf den eigentlichen Sinn dieses Artikels aufmerksam zu machen: Es sei hiermit der Besuch des Kinofilms „Borat“ anempfohlen. Im Vordergrund meiner Empfehlung steht das Kino als Ort und nicht der Film an sich, da die Reaktionen des (deutschen) Publikums auf die Witze, die Juden und Zigeuner betreffen, das Lustigste am Film sind, was nicht heißen soll, dass der Rest des Streifens nicht zu überzeugen wüsste, ganz im Gegenteil.

Benz

Ein bisschen Werbung für die „bodo“

Wer von euch kennt das Straßenmagazin „bodo“? Ungefähr DIN A 4 groß, vorne drauf bunt und oben mit einer kleinen, dicken, schwarzen Lesemaus verziert. Bitte einmal melden! Ah, Ok, schon ein paar. Und wer von euch hat sie schon mal gelesen? Wer von euch kauft sie? Womöglich noch regelmäßig? Ah, ja, dachte ich mir.

Dabei ist die gerade einmal im Monat erscheinende „bodo“ mit einem Preis von 1,50 Euro nicht wirklich teuer. Eigentlich kostet sie sogar weniger als ein coffee to go bei Kamps am Hauptbahnhof. So gesehen hieße das, man müsste nur einmal den Kaffee zu Hause trinken und schon kann man etwas für das Wohl Anderer tun. Denn (mindestens) 60 Cent pro verkauftem Heft gehen an den Verkäufer selbst (wenn man mehr als 1,50 Euro zahlt, bekommt auch der Verkäufer mehr) und das ist dringend benötigtes und zu recht verdientes Geld.

Wenig Geld…

Warum scheuen sich dennoch so viele Menschen davor, 30 Sekunden ihrer Zeit und 1,50 Euro ihres Einkommens monatlich in das Leben eines anderen Menschen zu investieren?
Der Inhalt des Magazins kann es schwerlich sein, denn der ist ziemlich unterhaltend und witzig.
Angefangen bei „bodo“– internen Angelegenheiten, wie in der jetzigen Ausgabe die Eröffnung eines „bodo“-Trödelmarktes oder die allmonatlich erscheinenden, wechselnden Tagebucheinträge eines/R Verkäufers/In, über politische Neuigkeiten aus aller Welt und der näheren Umgebung der jeweiligen Stadt, bis hin zu Veranstaltungsankündigungen mit eigenem Veranstaltungskalender, Verlosungen, Rezensionen und Kritiken. Auch traut sich „bodo“ z.B. hinter die Kulissen der Constantin Schule für Gesang, Schauspiel und Tanz oder erinnert den Leser an die immerwährenden Gefahren des Drogenhandels. Selbst die Kinder kommen nicht zur kurz: Witze, Suchbilder, und kindergerechte Artikel finden ebenfalls Platz in der ca. 30-seitigen „bodo“.
Klingt wie jede andere gute Zeitschrift? Das ist sie auch.

…für viel Inhalt

Wo ist also der Grund für die sinkenden Verkaufszahlen? Liegt es etwa daran, dass hinter den AutorInnen, genauso wie hinter den VerkäuferInnen Obdachlose, sprich, in der politisch, und auch im Bezug auf die Menschenwürde, inkorrekten Sprache so genannte „Penner“ stecken? Heißt das, nur weil diese Menschen durchs allgemeine Raster gefallen sind, keinen Job, wie jeder andere ausüben und vielleicht sogar keine Wohnung ihr Eigen nennen können, sind sie nicht fähig zu schreiben? Schwachsinn! Um ehrlich zu sein, sind viele der Artikel sogar humorvoller, bissiger und direkter, als manch ein Anderer aus einer „seriösen“ Zeitung. Sie zeigen die Welt aus einem unbekannten Blickwinkel, deuten auf neue Perspektiven hin und sind dennoch für jeden verständlich.
Meinen die Leute, die achtlos in der Fußgängerzone an den VerkäuferInnen vorbeigehen etwa, sie müssten ihr Gesicht wahren? Indem sie allerdings mit hochgehaltener Nase in den nächsten Douglas zischen, handeln sie eher gegenteilig.

Wo bleibt die Hilfsbereitschaft?

Wir als heranwachsende Elite Deutschlands sollten als Erste über unseren Schatten springen. Ist euch euer Kaffee wichtiger als Mithilfe? Es ist verständlich, dass man ohne Koffein schwerlich den Vorlesungen folgen kann, dass diese aber, so wird es uns gesagt, wichtig für den späteren Abschluss sind. Eine Alternative wäre natürlich auch einmal früher ins Bett gehen. Einmal morgens einen Orangensaft. Lieber ’n Kippchen vorm Hörsaal. Macht auch alles wach.
Und in den Freistunden kann man dann, mit der „bodo“ unterm Arm, ohne schlechtes Gefühl, sogar mit Wissen, welches nicht in der Uni vermittelt wird und mit der Sicherheit nicht nur seinem Kopf, sondern auch einem Mitmenschen etwas Gutes getan zu haben, in den nächsten Kamps schlendern und sich mit dem Kaffeevorrat für die nächste Vorlesung versorgen.

aw

Neues vom Prinz-Regent Theater

In diesem Jahr beging das Prinz-Regent Theater sein 15-jähriges Jubiläum. Eigentlich ein gehöriger Grund zum Feiern. Doch leider wird die Freude von einer unschönen Tatsache überschattet: die Besucherzahlen gehen seit längerem kontinuierlich zurück. Die große Frage nun: warum?

Das Programm des Prinz-Regent Theaters reicht vom allseits bekannten Kabarett, über erheiternde Lesungen, intelligente Kinderstücke und sehr bissige Komödien, bis hin zu äußerst schwerverdaulichen Dramen, die den Zuschauer mehr fordern, als manch ein Stück am hiesigen Schauspielhaus. Zu Letzterem gehört das dokumentarische Stück „Der Kick“ von Andreas Veiel und Gesine Schmidt, in welchem der Mord dreier Neonazis an einem Jugendlichen behandelt wird. Es handelt sich hierbei um einen Fall, der 2002 in Potzlow wirklich stattgefunden hat und bis heute zahlreiche Fragen aufwirft. Dem Stück liegen Interviews und Gerichtsprotokolle zu Grunde, die ein erschreckendes Bild der heutigen Jugendkriminalität und des dazugehörigen (familiären) Hintergrundes liefern. Ohne aufwändige Bühnendekoration und viel Tamm Tamm, fordern die Schauspieler die vollkommene Aufmerksamkeit und Phantasie des Zuschauers, dem eine Welt gezeigt wird, vor der heutzutage am Liebsten die Augen geschlossen werden. Die brutale rechtsradikale Realität.
Klingt nach einem sehenswürdigen Stück? Ist es auch.

Wo sind die Zuschauer?

Die Besucherzahlen wollen aber etwas Anderes sagen.
In der Regel spielt ein Theaterensemble ab einer Zuschauerzahl von zehn Leuten. Dass die Mindestgrenze, darunter ist verständlicherweise nicht drin. Und an und für sich sollte die Besucheranzahl schon über die 50 reichen. Die Darsteller von „Der Kick“, sowie einiger anderer ansprechenden Stücke, mussten in letzter Zeit vor einem Publikum spielen, das sich zwischen 15 und 25 Personen einpendelte oder die Vorstellungen ganz ausfallen lassen, da gerade einmal vier Karten im Vorverkauf unter das Volk gebracht werden konnten. Der Spielbetrieb ist teilweise kaum noch möglich. Was ist nur los?
Das Prinz-Regent Theater ist nur ein Beispiel von vielen kleinen Theatern, die um ihre Existenz kämpfen müssen. Dabei sind es doch gerade diese Bühnen, die Orte für experimentelle Kunst darstellen. Sie fördern, im Gegensatz zu vielen großen Schauspielhäusern, die kulturelle Vielfalt und den künstlerischen Reichtum einer Stadt. Sie bieten Abwechslung vom immer gleichen Angebot der berühmten Häuser, zeigen andere Formen des Ausdrucks, ermöglichen Kleindarstellern Aufführungen und erste Schritte vor (normalerweise) recht ansehnlichen Zuschauermengen.

Auf der Suche

Aber wo sind sie auf einmal, die dringend benötigten Kulturinteressierten? Liegt es am Winter? Die Ausrede kann man dieses Jahr nicht gelten lassen. Schließlich ist zeitweise eher Sommer. Das Angebot ist, wie oben aufgezeigt, ebenfalls nicht gerade langweilig.
Ist es vielleicht einfach möglich, dass die Bevölkerung nichts mehr von den Off-Theatern, den Schaubühnen und den kleinen Kultureinrichtungen mitbekommt? Sie also in Vergessenheit geraten sind? Wenn man den Antworten einiger Befragten Glauben schenkt, dann ist es in der Tat so. Entweder hat man, wie im Fall vom Prinz-Regent Theater, ein falsches Bild des jeweiligen Theaters („Die spielen ja eh nur Comedy!“) oder kennt sie einfach nicht („Prinz-Was? Kenn ich nicht.“). Nach einem Spaziergang durch die Innenstadt weiß man auch warum. Kaum Werbung.

Nachgefragt

Nach einem aufschlussreichen Telefonat mit Udo Thies, einem Schauspieler des Prinz-Regent Theaters, gibt es auch hierfür eine Antwort. Die städtischen Plakatsäulen, die man einst nutzen konnte, wurden an Privatanbieter verkauft und sind mittlerweile nur noch für horrende Summen, die sich eventuell das Schauspielhaus Bochum leisten kann, zu mieten. Das heißt im Klartext: ein Großteil der Werbefläche ist weg. Nur, wie sollen die Leute dann auf das Programm aufmerksam gemacht werden? Wie soll man ihnen zeigen, dass das Prinz-Regent Theater mehr zu bieten hat, als nur „Cellulita – die Königin der Nachtcremes“? Zwar gehört das Kabarett zum festen Bestandteil des Prinz-Regent Theaters und ermöglicht durch seine Zuschauermassen die weitere Finanzierung solcher Stücke wie „Der Kick“, doch kann es nicht sein, dass Bochumer BürgerInnen nur noch auf Spaß und Unterhaltung setzen. Hier also der Aufruf für einen guten Vorsatz für das kommende Jahr: Geht ins Theater! Und geht nicht nur in die Großen – nehmt euch Zeit (nur kein Stress), lasst euch auf die Stücke und Thematiken ein und zeigt der Welt, dass gerade die kleinen Theater mehr als nötig für die heutige Gesellschaft sind.

aw

Where the meaning ends, still the spirit reaches
Es ist Musik, die durch Mark und Bein geht, die zutiefst die Seele berührt und bis zum Innersten vordringt. Es ist nicht nur Rock’n’Roll – es ist mehr. Es ist Leben. Es ist Liebe. Es ist Leidenschaft. Musik zum Träumen, Tanzen und Fallenlassen. Alles auf einmal. Und diese Musik hat einen Namen: „Lacasa del Cid“.

Kopf und Herz dieser Band ist der 1969 geborene und seit langem in Berlin wohnhafte Carsten Klatte, freischaffender Gitarrist und ehemals bei u.a. „Goethes Erben“, „Girls Under Glass“, „Project Pitchfork“ und „Wolfsheim“ tätig, um nur einige von vielen Bandnamen zu nennen.
Seine ganze Energie und Hingabe steckt Herr Klatte nun jedoch seit geraumer Zeit in sein Soloprojekt „Lacasa del Cid“ – sein spezielles „Baby“, wie er es gerne nennt. Unterstützt wird er abwechselnd von verschiedenen Musikern, nicht zuletzt von der Sängerin und Schauspielerin Serena Gruß, welche ihm auch beim letzten Konzert am 02. Dezember 2006 im Bochumer Zwischenfall mit ihrer bezaubernden Stimme tatkräftig zur Seite stand.

If you like Johnny Cash

Die Musik ist schwer zu kategorisieren. Klatte selbst beschreibt sie als eine Mischung aus den Animals, Bauhaus, Johnny Cash und Donald Duck on dope, was dem Ganzen schon recht nahe kommt. Man könnte dazu auch philosophisch-melancholischen Gitarren- und Percussionrock sagen. Aber selbst diese Umschreibung wäre noch nicht ausreichend.
Eine Ahnung, was diese Musik sein könnte, bekamen die ZuhörerInnen bei oben erwähntem Konzert. Leider hatte die Werbung dafür nicht wirklich gegriffen und so tummelten sich nur etwa zwanzig Leute im Raum um die Bühne, was jedoch dazu führte, dass die Stimmung recht gemütlich und vertraut, wenn nicht sogar ein wenig intim, wurde.
Als eine Art Vorband trat Myk Jung, begleitet von Carsten Klatte an der Gitarre, mit einer Zusammenstellung seiner schönsten Balladen auf. Anders, als bei „normalen“ Rockkonzerten wurde das Publikum hier nicht angeheizt oder gar aufgeheitert, sondern für die Tiefe der (nachfolgenden) Musik sensibilisiert. Man lehnte genüsslich an den Stehtischen, schlürfte das ein oder andere Bier, schloss die Augen und ließ sich von der wunderbaren Traurigkeit mitreißen.

If you love Leo Cohen

Eine angenehme Weile später verließ Myk Jung die Bühne und die Ohren durften sich an Klattes rauer Stimme erfreuen. Begleitend zu seiner Gitarre gab es ein Bass und einen zu einer Trommel umfunktionierten Kasten, sowie eine recht lustige Art von Tröte, die dem Publikum des Öfteren einen Lacher entlockte. Gespielt wurden die Songs des aktuellen Albums „Who killed Barbie?“. Das Programm reichte von „Thinking of Sin“, über „Hey Dude“ und „The Idiot“, bis hin zu „Out of Nothing“.
Ohne großartiges Tamm Tamm schmetterte Klatte entweder seine Wut, Verzweiflung oder einfach nur seinen umwerfenden Humor ins Mikrofon, stets untermalt von seinem grandiosen Gitarrenspiel. Ein Kritiker sagte einst, dass es ein Wunder sei, dass Carsten Klatte noch nicht mit seiner Gitarre verwachsen sei. Recht hat er. Die Mischung aus perfekter Instrumentbeherrschung und Improvisation klappt einwandfrei – man spürt förmlich den Spaß und die Begeisterung der Musiker.

If you want to have good Songwriter music in
your life

Auch wenn die Besucherzahl recht gering ausfiel, war dieser Auftritt ein voller Erfolg – für die ZuhörerInnen sowieso. JedeR wollte Zugaben (auch wenn die Zugabenchöre nicht so recht klappten), klatschte und jubelte was das Zeug hielt. Vielleicht, weil es gerade keine überfüllte Veranstaltung war, wurde es zu einem sehr bewegenden und entspannenden Konzert.
Wer nun, hoffentlich, auf den Geschmack gekommen ist und die Chance wahrnehmen möchte, „Lacasa del Cid“ live zu sehen, kann unter www.endless-promotion.de Karten bestellen.

aw

Nächste Auftritte:
16. Dezember 2006, 21 Uhr, Movie, Am Bahnhof 6, Bielefeld
17. Dezember 2006, 21 Uhr, Zeche Carl, Wilhelm-Nieswandt-Allee 100,
Essen, Eintritt: 10 Euro
22. Dezember 2006, 21 Uhr, Oxident, Frankfurter Allee 53 (2.Hof),
Berlin Friedrichshain, Eintritt: 5 Euro
23. Dezember 2006, 20 Uhr, Kir,
Hamburg, Eintritt: 10 Euro

Systemische Weihnachten mit Niklas Luhmann
Er ist in vollem Gang – der Run auf die (virtuelle) Warenwelt. Auch ihr werdet wahrscheinlich mittlerweile dem bevorstehendem Konsumgütertausch zum Opfer (ge)fallen sein. Noch immer eine Ideenleere, worüber sich die Liebsten freuen, hilflos im Trubel so kurz vor der Mehrwertsteuererhöhung vor ausverkauften Regalen gestanden, und auch die virtuellen Warenhäuser verfügen derzeit nur über ein eingeschränktes Sortiment? Was soll ich dem/der kleinen Bruder/Schwester schenken, der/die zum WS ihr Studium aufgenommen hat bzw. zum SoSe aufnehmen wird? Oder geht es eher um eure eigene Genügsamkeit? Vielleicht gehört ihr zu den Exemplaren, die einfach wunschlos glücklich sind und die schenkfreudigen Verwandten damit in den Wahnsinn treiben?!

Wie wäre es dann mit unterhaltsamer Uni-Literatur? Vielleicht nicht gerade quadratisch, aber dennoch: praktisch, gut.
Auch im Jahre 2006 zählt Niklas Luhmann, ehedem Professor der Soziologie und Lehrstuhlinhaber der Universität Bielefeld, noch immer zu den bedeutendsten Soziologen des 20. Jahrhunderts – der zeitlebens durch Stellungnahmen zu zeittypischen Phänomenen überrascht hat.
Mit seiner letzten Vorlesung „Einführung in die Theorie der Gesellschaft“, gehalten an der Universität Bielefeld 1998, verfolgte Luhmann das Ziel, eine schlüssige Theorie der modernen Gesellschaft zu präsentieren.  Dies stellt seine letzte Vorlesung dar, bevor er im November 1998 an Krebs verstarb.
 Hierzu unterteilte er seine „Einführung in die Theorie der Gesellschaft“ in fünf zentrale thematische Schwerpunkte: 1. die Gesellschaft als soziales System, 2. die Rolle der Kommunikationsmedien, 3. den Bereich der Evolution, 4. Differenzierung und 5. Selbstbeschreibung der modernen Gesellschaft.
Um herauszustellen, inwiefern sich die moderne Gesellschaft von traditionellen Kulturen und deren Strukturen unterscheidet, führt Luhmann zunächst einen Vergleich von der Heutigen und Gesellschaften vor mindestens 500 Jahren. Zur Beschreibung und Charakterisierung der Gesellschaft, wie sie heute existiert, greift Luhmann auf der Soziologie bis dato fremde Begriffe der Biologie sowie der System-, Kommunikations- und Informationstheorie zurück. Diese in seine Theorie eingewobenen Fachtermini veranschaulicht Luhmann jeweils an konkreten Beispielen aus der (Finanz)-Politik und Medienwelt. Dies macht es dem/der LeserIn leicht, seine Gedankengänge nachzuvollziehen.
Eine besondere Berücksichtigung erfährt in diesem Zusammenhang die Rolle der Medien, die untereinander vernetzt sind. Sie sind der Filter zwischen dem Ereignis selbst und den EmpfängerInnen. Das, was wir heute über die Gesellschaft wissen, wissen wir vor allem aus den Medien, betont Luhmann. Um herauszustellen, wie sehr diese das moderne Leben bestimmen, beschränkt er den Terminus des „Mediums“ nicht allein auf die Massenmedien, sondern greift ihn weiter: So ist es doch in erster Linie das Geld als Tauschmedium, welches das Leben mit dem Zweck der Existenzsicherung heute determiniert.

Fazit: Da die „Einführung in die Theorie der Gesellschaft“ ein in Buchform veröffentlichtes Vorlesungsskript darstellt und daher auch sehr flüssig zu lesen ist, amüsiert den/die aufmerksameN LeserIn vor allem die Tatsache, dass Luhmann wiederholt betont, dass es sich um eine Vorlesung handelt.
Ein interessanter, gut lesbarer Klassiker, und nicht nur für SozialwissenschaftlerInnen geeignet, da die Thematik JedeN EinzelneN von uns betrifft. Schließlich besteht nach Luhmann die Gesellschaft aus Kommunikation und dieses Buch stellt eine davon dar, die es lohnt, verstanden zu werden.

jbö

Niklas Luhmann:
Einführung in die Theorie der Gesellschaft
29,95 Euro, Carl-Auer Verlag
Fachliteratur Sozialwissenschaften
ISBN: 3-89670-477-X

Horror unterm Gabentisch

Die Versuchung war groß, auf all den aktionistischen Blödsinn, den bundesdeutsche PolitikerInnen nach dem letzten Amoklauf so von sich gaben, hier an dieser Stelle mal mit einem sachlichen, wissenschaftlich fundierten Text zu antworten, ähnlich dem, der schon vor sechs Jahren, nach dem Amoklauf in Erfurt in der bsz erschienen war. Je länger die Stoibers und Becksteins, und wie sie alle heißen, aber Zeit hatten, sich über Computerspiele zu echauffieren, desto mehr drängte sich die Erinnerung an ein denkwürdiges Zitat des damaligen Bundeskanzlers Schröder in den Vordergrund, das wie kein anderes die gegenwärtige „Debatte“ umschreibt. Sinngemäß hatte dieser damals, nachdem er einräumen musste, dass sich der unterstellte negativen Einfluss von Spielen nicht (wissenschaftlich haltbar) nachweisen lässt, erklärt „Muss man das überhaupt?“

Die Antwort auf diese Frage hängt natürlich ganz vom Zusammenhang ab, in dem sie gestellt wird. Im Zusammenhang des Wissenschaftsbetriebs, in einer Unizeitung ein offensichtlich naheliegender, muss dies sicherlich geschehen. Anders als noch vor sechs Jahren gibt es inzwischen auch mehr als nur eine Handvoll Studien zum Thema, und genauso wie vor sechs Jahren gibt es auch heute noch keinen erwiesenen, signifikanten Zusammenhang zwischen dem Spielen von Spielen, und seien es „Killerspiele“, und Verhalten außerhalb dieser Spiele. Um mal aus dem sechs Jahre alten Text zu zitieren: Der Sozialpädagoge Jürgen Fritz fasst seine Meinung darum auch wie folgt zusammen: „Egoshooter produzieren keine Mörder, keine Totschläger und keine Schießwütigen. Egoshooter produzieren Leute, die in Labyrinthen mit anderen ihren Spaß haben wollen, und diesen Spaß finden, indem sie Situationen vorfinden, in denen sie reaktionsschnell handeln müssen, in denen sie geschickt mit Waffen umgehen müssen und in denen sie die anderen virtuell zum Verlöschen bringen und dadurch Punkte sammeln.“

Wer denkt denn mal an die Kinder?

Die vermeintliche Diskussion um vermeintliche Killerspiele spielt sich aber auch in einer anderen Arena ab. In unserer geliebten, repräsentativen Demokratie reicht es schließlich im Allgemeinen aus, dass PolitikerInnen so tun, als ob sie etwas wüssten und machen würden, gemeinhin als Aktionismus bekannt. Frisch vom aktionistischen Kampf gegen den Terror geht es jetzt halt an die Heimatfront, angeblich im Kampf um unsere Jugend, in Wirklichkeit natürlich nur im Kampf um einen Platz bei Christiansen. Ironischerweise trifft eines der Stichworte, die in solchen Gesprächen dann oft benutzt werden, den sprichwörtlichen Nagel auf den ebenso sprichwörtlichen Kopf.

Goethe, der Killerautor

Um die Spannung gleich wieder aufzulösen, Medienkompetenz ist das Wort, also „die Fähigkeit, Medien und die durch Medien vermittelten Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend effektiv nutzen zu können.“ (Zitat Wikipedia) Angeblich fehlt diese Kindern und Jugendlichen, von denen bekanntlich nicht Tausende, sondern Millionen völlig unbeschadet fröhlich in Spielen herummorden. In Wirklichkeit fehlt sie natürlich der älteren Generation, der Fernsehgeneration, den aktuellen PolitikerInnen und besorgten Eltern, die froh und stolz sind, wenn sie es schaffen E-Mails zu verschicken oder bei ebay ein Buch zu ersteigern. Dieselben Leute also, die sich vor 30 Jahren über Negermusik beschwert haben und vor über 200 Jahren über diese neumodische und gefährlich Erfindung namens „Roman“. Wir können das Thema durchaus in Perspektive rücken, indem wir uns vergegenwärtigen, dass wir mal wieder vor einem Werther-Effekt Angst haben sollen, dem Nachahmen von in Medien vermittelten Inhalten. Und der Begriff bezieht sich in der Tat auf Goethes „Leiden des jungen Werther“ von 1774. Nur mal zum Vergleich Stoiber heute: „Sie animieren Jugendliche, andere Menschen zu töten. […] Das sind völlig unverantwortliche und indiskutable Machwerke, die in unserer Gesellschaft keinen Platz haben dürfen.“ und der Leipziger Stadtrat damals: „es wird hier ein Buch verkauft, welches den Titel führt „Leiden des jungen Werthers“. Diese Schrift ist eine Empfehlung des Selbstmordes“.
In beiden Fällen liegen die Ursachen für individuelles Handeln nicht in der Person selbst oder gar der Gesellschaft in der sie lebt, sondern wird beiden, Person und Gesellschaft, von böswilligen, fremden Medien aufgedrängt. Solange das Thema der Debatte bleibt, Werbung der Bundeswehr in Spielezeitschriften für Minderjährige, und die Bundeswehr lehrt bekanntlich das echte Morden von echten Menschen mit echten Waffen, kein Problem ist, die Darstellung von Gewalt gegen Darstellungen allerdings schon, lohnt es sich ehrlich gesagt gar nicht, über dieses Thema so viele Worte zu verlieren.

dek

Mit dem Alfa Romeo
in die Zukunft
Sehe ich eigentlich auch so bescheuert aus, wenn ich Kaugummi kaue, fragte ich mich als ich mit der Straßenbahn durchs nächtliche Essen unterwegs war. Ein noch komischeres Gesicht als der junge Mann mit dem Kaugummi machte allerdings die ältere Dame, welche mit hingebungsvoll rhythmischen Kieferbewegungen ein Lutschbonbon mit Zunge und Gaumenmuskulatur bearbeitete.

Trotz spannender Begleitliteratur auf meinem Schoß, konnte ich die Blicke nicht von diesen eigentlich etwas Unwohlsein hervorrufenden und an wiederkäuende Kamele erinnernde Grimassen lassen.
Fast pünktlich erreichte ich mein Ziel und sah noch aus dem Augenwinkel den kauenden Jüngling seine karies- und speichelfördernde Zwischenmahlzeit auf den Boden vor der Straßenbahn spucken. Ich bin mir nicht sicher, ob hier von Mahlzeit die Rede sein darf, wo doch der tiefere Sinn nicht in der Verdauung der selbst produzierten Verdauungssekrete besteht, sondern wohl in der Ablenkung von persönlichen Dingen, wie einer Nikotinsucht oder einem nahenden Appetitgefühl, herbeigeführt durch die überdimensionierten Konsumbitten der Erzeugerindustrie entlang der Bahnstrecke.

Obdach in Oberhausen

Wenn in einigen hundert Jahren eine neue Zivilisation die Reste der unsrigen entdeckt, werden diese regelmäßig in der Nähe von Bus- und Bahnwartehäuschen anzutreffenden und dort unregelmäßig verteilt klebenden weißen Brocken, den Forschern Rätsel aufgeben. Handelt es sich um Stoffwechselendprodukte der sich auf Schienen bewegenden Stahlriesen? Fuhren die sich fortbewegenden Menschen mit Absicht zu diesen Häuschen am Straßenrande um Zeremonien abzuhalten oder ihren Göttern mit Abgaben in Form kleiner klebriger Knubbel zu huldigen?
Wir werden es genauso wenig erfahren, wie den Grund für die Reklame für das neue Nachtexpressnetz im verspäteten Nachtexpress, der mich zum Jahreswechsel noch zu einem ungewollten halbstündigen Zwischenstopp am in keinster Weise reizvollen Oberhausener Hauptbahnhof zwang.
Vielleicht hätte ich in dieser Situation „Die magische Kraft der Hexenkunst“ gebraucht. Mit der „Aufnahme kosmischer Energie“ hätte ich die „Bösen Mächte fernhalten“ können, die den Nachtexpress in diabolischer Manier verlangsamten oder an der Uhr des Oberhausener Bahnhofs drehten, um so den Anschlußexpress verfrüht abfahren ließen. Hätte ich doch nur dieses „aufsehenerregende Hexenbuch“ von Autor und Erzbischof der Kirche von Wicca B. Sc., Ph. D., D. D. Gavin Frost.“ Es ist bestimmt ein großformatiges Buch, auf welches auch dieser lange pseudowissenschaftliche Titel des Herrn Frost gehört. Seine Mitautorin und Frau schafft es nur zum A.A., D.D. „Sich auflösende Gallensteine“ und Kindergelähmte, die wieder gehen können sind erst der Anfang einer Zukunft mit „automatisch gesichertem Erfolg.“

In 15 Minuten zum Millionär

Die zitierte Reklame ist übrigens schon drei Jahrzehnte alt und fand sich auf der Rückseite eines Perry Rhodan-Heftes. Ganzseitig. Die GWUP hätte ihre helle Freude daran. GWUP ist übrigens die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften. Und Perry Rhodan scheinbar ein Magazin für eine gar seltsame Zielgruppe. Das läßt zumindest auch die übrige Werbung im vergilbten Heftinneren vermuten. Sexualtonikum direkt ab Fabrik zur sofortigen Freistellung der sexuellen Bereitschaft. Nicht vergessen: 15 Minuten vorher einnehmen. „Mein Alfa Romeo ist startbereit,“ verrät uns eine verdächtige Kleinanzeige. „Bine, nettes Mädel, Anfang 20 mit Vermögen und Grundbesitz“ wünscht „eine Liebesehe.“ Diese Anzeigen stammen aus einer Zeit, in der gerade der Besitz eines Automobils auch weiteren Wohlstand und ein gutes Gelingen in der Beziehung verhießen. Im Heft der Vorwoche suchte noch eine „Halbwaise mit Derby GLS-Wagen“ ebenfalls die Liebesehe. Hoffentlich haben sie sich gefunden, die Derby-GLS-Fahrerin und ihr weißer Reiter auf dem goldenen Pferd oder mit Opel Kapitän. Die genauen Vorlieben einer Derby-GLS-Fahrerin sind mir nicht bekannt. Vielleicht interessiert sie sich auch für „Zauberapparate vom Fachmann.“Â Oder für das „neu erschienene 6. und 7. Buch Moses.“
Mir bleibt noch die Überlegung ob ich lieber „in 82 Tagen“ mit „Astronautengerät“ und „Saugnapfgriffen in Panzeroptik“ zu echten „Männermuskeln“ kommen will oder doch lieber „in 91 Tagen zum Millionär.“ Mit der Million könnte mir die Bine mit ihrem Alfa Romeo doch gestohlen bleiben. Da kauf‘ ich mir einen echten Mercedes.

RRR

Itchy, Die Happy und Popkidz
Es war ein Konzert, das man so schnell nicht wieder vergisst: die gefeierte Punkrock-Band aus Eislingen an der Fils mit dem Namen, den man auch nicht mehr vergisst: Itchy Poopzkid, und zwar als Support für die zweifelsohne beste Rock-Combo Deutschlands mit Powerfrau Marta am Mikrofon, Die Happy. Diese beiden Bands haben es tatsächlich geschafft, letztendlich das gesamte Zechenpublikum zum Singen, Pogen, Springen, kurzum den Laden zum Kochen zu bringen und damit ein absolutes Konzerthighlight am Jahresende kurz vor Ende ihrer gemeinsamen Tour hinzulegen.

Itchy Poopzkid legten ordentlich vor, spielten einige Songs ihrer CD „Heart to believe“ von 2005, aber auch schon neue Songs von der CD, deren Titel noch nicht verraten wird, die aber im März erscheinen soll. Besonders die Frontmänner Sibbi und Dani aka Panzer (der mit seiner Aircast-Schiene trotz Bänderriss eine Riesenshow durchzog!) schafften es, das Publikum bei Laune zu halten und zum Tanzen zu animieren, obwohl die meisten Leute wohl eher wegen des Headliners Die Happy angereist waren. Nach wenigen Songs hatten Itchy Poopzkid aber ihren Moshpit organisiert.

Der stille Saikov

Dabei leuchtete die Gitarre, an der sich Sibbi und Dani abwechselten schön golden in der Bühnenbeleuchtung und Danis Haare strahlten mit ihr in Nuancen von rot-orange um die Wette. Es mag ein wenig verwirren, dass Bass (woher dieser stammt erfahrt ihr im Interview mit den Jungs…) und Gitarre öfter mal getauscht werden – mitunter auch mal während des Songs, aber die beiden haben das fest im Griff. Der zweistimmige Gesang war grandios, das ganze also auch für die Ohren sehr tauglich. Und der eher etwas stille Saikov ist der ruhende Pol in der Mitte, allerdings wird das Schlagzeug ordentlich bearbeitet!
Und dann kamen Die Happy nach lustigem Intro auf die Bühne, um die Menge zu begeistern. Das schafften sie von Anfang an ohne Kompromisse, was neben engagierter, spieltechnisch anspruchsvoller Bass-Gitarre-Schlagzeug-Besatzung insbesondere ihrer charismatischen Sängerin zu verdanken ist. Marta ist vielleicht nicht groß, aber absolut großartig. Möglicherweise profitiert sie vom tschechischen Blut, das durch ihre Adern fließt – sollten denn die Tschechen an sich temperamentvoll sein. Denn das ist sie definitiv: ständig auf der Bühne unterwegs, um Kontakt zur Band als auch zum Publikum aufrecht zu erhalten.

Alle singen mit

Selbst bis in die hintersten Ecken der verzweigten Zeche schaffte sie mit ihrer unglaublichen Powerstimme Verbindung und die Band konnte tatsächlich die gesamte Hörerschaft zum singen animieren: „We are the ordinary people!“ und das mehrere Minuten lang. Sowohl ältere Songs wie „I’m like a flower“ oder der Knaller „Supersonic speed“ als auch Lieder von der neuen Platte zur Tour „No nuts no glory“ begeisterten das Publikum. Die Happy haben lots of nuts (auch wenn Marta eine Frau ist…) und die Ehre haben sie sich wahrhaftig einmal mehr an diesem Abend erspielt, mit diesem fantastischen Konzert, indem es sowohl kraftvolle, schnelle Songs als auch gefühlvolle Balladen mit Wunderkerzen gab.
Die Lichtshow in wechselndem Grün, Lila, Rot, Blau, dazu Laserlicht, unterstützt durch Spots kreierte jeweils die passende Atmosphäre zu den Songs und setzte besonders die Sängerin ins rechte Licht. Interessant war, dass neben Bühneneffekten auch öfter mal die Zuhörerschaft beleuchtet wurde, was die Kommunikation mit der Band und die Intention, Alle einzubeziehen deutlich unterstrich.
Alles in allem: ein bezauberndes, faszinierendes Konzert!

Lady Reason