Ein atheistischer, aufgeklärter Mensch, der ein gewisses Tempo braucht, um sich weiter zu entwickeln ist in der Innenstadt einer Großstadt gut aufgehoben. Viele Menschen um einen herum, man erfährt die neuesten Neuigkeiten aus erster Hand, kurz: Man lebt am Puls der Zeit. Im Dezember allerdings geraten die Dinge aus den Fugen, denn es ist Weihnachtsmarkt.

Verhallt sind die lustigen Fangesänge zur FIFA-WMâ„¢, die einem im Sommer noch in die Wohnung schallten. Statt dessen macht sich ein Gemisch aus „Oh du fröhliche“, „Last Christmas“ und „Jingle Bells“ im Zimmer breit. Aber leider sind die geübten Kehlen der Fußballfans deutlich musikalischer als die meisten HobbymusikerInnen, die das Geld für ihre Weihnachtsgeschenke in der Kälte einspielen wollen. Neben den Klängen gibt es noch ein Geruchsgemisch, welches sich aus Zimt, Duftöl und Pferdemist zusammensetzt.
Aber auch die anderen Sinne kommen nicht zu kurz. Sobald man einmal samstags verzweifelt feststellt, dass der Kühlschrank leer ist, bleibt einem nichts mehr übrig, als sich durch das Getümmel zum Supermarkt durchzukämpfen. Wie zuvor erwähnt ist man eigentlich Tempo gewöhnt, wenn man in der Innenstadt lebt. Aber die vielen Touristen aus den anderen Stadtteilen, die unbedingt heute ihre lächerlich kitschigen Weihnachtspullis, Kerzen, Duftlampen und Lebkuchenherzen kaufen müssen, wissen das nicht. Dies führt zu einem kleinen Problem: Während die Mütter und Väter ihren Kindern beim Karussell fahren zuschauen, kommt es dazu, dass man sie anrempeln muss, um einem Besoffenen vom Glühweinstand auszuweichen. Denn den Geschwindigkeitsüberschuss, den man aufbaut, muss man durch geschicktes Ausnutzen der menschlichen Banden beibehalten. Um so schnell wie möglich von A nach B zu kommen, ist es außerdem notwendig die Leute von den glitzernden Sternen und riesigen Weihnachtsbäumen abzulenken. Das erreicht man am besten durch ein breitschultriges Auftreten in Verbindung mit einem durchdringenden Blick, der sagt: „Ich lauf dich auch über den Haufen, wenn es nötig ist.“. Aber dazu kommt es eigentlich nie… na ja, fast nie.
Der Vorteil dieser Strategie ist: Man spart sich das Fitnessstudio. „Christmas Pinball©“ ist ein Sport, der nicht nur die Ausdauer trainiert, sondern auch die Geschicklichkeit und die Balance. Des Weiteren ist die hohe Konzentration, die man aufbringen muss auch ein Training für den Kopf. Schöner Nebeneffekt: Durch die Kälte um einen herum purzeln die Kalorien noch schneller, besonders, wenn man sich viele Schokoweihnachtsmänner und Marzipankugeln in den Rucksack geladen hat.
Fazit: Auch wenn man der Weihnachtszeit sonst nichts abgewinnen kann, man kann sich fit halten und das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.

Me, myself and I

Was macht ein Mensch, wenn er alleine ist? Also, nicht nur alleine, sondern einsam. Gezwungen einsam. Kein Internet, kein Fernsehen, niemanden, den man anrufen oder besuchen kann (weil alle (!) Freunde unterwegs sind bzw. in den Semesterferien nicht in der Stadt). Ach, ja: fürs SMS-Schreiben hat man gerade auch kein Geld. Also: Isolation.

Nun, ich bin vor kurzem, um genau zu sein vor zwei Wochen, aus meiner dritten WG ausgezogen und wohne nun in schöner Abgeschiedenheit und Ruhe allein. Mit zwei Katzen und neun Mäusen. Es ist traumhaft. Kein Lärm, kein Dreck von anderen, keine Diskussionen. Nur ist es eben auch ein wenig einsam. Speziell am Anfang, in der Gewöhnungsphase. Zumal die Internetleitung noch nicht steht.
Was macht man da? Die ersten Tage konnte ich mich noch mit dem Einrichten meiner eigenen vier Wände beschäftigen. Mittlerweile ist alles (!) schon fertig. Habe insgesamt eine Woche dafür gebraucht. Sogar die Bücher und DVDs sind nach Genre und dann auch noch alphabetisch geordnet. Kein Karton mehr zum Auspacken, muss nur noch einen Putzeimer besorgen. Neue Aufgabe her. Ausmisten: Leider Gottes hat auch dies nur drei Stunden beansprucht. Also lesen: zwei Tage und das Buch ist durch. Photoband her: eine Stunde. Gedichtband: drei Stunden. Mäusekäfig verschönern: zwei Stunden. Telefonieren: zwei Stunden, bis der Letzte ins Bett muss. Musik hören: zwei Stunden, dann wird’s öde. Kleiderschrank nach Kleiderstückzugehörigkeit und Farben sortieren: vier Stunden. Küchengeschirr ordnen: drei Stunden. Zeitschriften aussortieren: zwei Stunden und dreißig Minuten. Arbeiten: drei Stunden, dann schmerzen die Finger vom Tippen. Spazieren gehen: eine Stunden, dann friert der Arsch ab. Einkaufen gehen: eineinhalb Stunden, Schulter fast ausgerenkt. Baden? Keine Lust auf verschrumpelte Haut. Postkarten nach „Inhalt“ sortieren: eine Stunde, man kommt sich irgendwann blöd vor. Mit den Katzen schmusen: sieben Stunden, Arm eingeschlafen. Lampenschirme umhängen: zwanzig Minuten. Räucherstäbchen nach Duft sortieren: dreißig Minuten, Schnupfen stellt unüberwindbares Hindernis dar. DVD gucken: sechs Stunden, dann flimmert es vor den Äuglein. Festplatte neu formatieren: fünf Stunden, Laptop wird beinahe Opfer meiner Ungeduld. Werkzeugkasten säubern: zwei Stunden. Schminkutensilien neu ordnen: eine Stunde, langweilig. Alleine ins Kino gehen? Kein interessanter Film. Alleine ins Theater? Zu teuer. Alleine Kaffee trinken gehen: vier Stunden, Koffeingehalt im Blut: überdimensional, an Schlaf ist in dieser Nacht nicht mehr zu denken. Rauchen: zwei Stunden, Lunge teerschwarz. Kühlschrank nach Lebensmitteln sortieren: zehn Minuten, dann wird der Hunger zu groß. Kochen: zwanzig Minuten, Magen voll, zuvor geordneter Kühlschrank leer.
Ich habe, sage und schreibe, eine ganze Woche so durchgehalten. Zugegebenermaßen bekam ich dreimal kurz Besuch, insgesamt fünf Stunden. Aber im Vergleich zum WG-Leben ist Allein-Leben schon ein Akt. Herausforderung trifft es ebenfalls.
Man muss sich selbst andauernd beschäftigen. Zwar kann man auch in Ruhe entspannen, sich erholen, die Stille genießen. Doch, wenn man anfängt sich mit der eigenen Rauhfasertapete zu unterhalten wird es gruselig.
Und die Moral von der Geschicht’: Vertreibe deine FreundInnen nicht!

S(low) P(ainful) D(eath)

Die deutsche Sozialdemokratie steckt in einer tiefen Krise. Nachdem das Ergebnis bei der vergangenen Bundestagswahl noch überraschend gut ausfiel, lief nur noch wenig rund in der ehemaligen „Malocherpartei“. Das Kapitel Schröder endete mit einem wahnwitzigen wie selbstverliebten Auftritt am Wahlabend, der rückblickend die gesamte Ära treffend auf den Punkt brachte.

Seither hat die SPD viele Sympathien, WählerInnen und Parteimitglieder verloren. Schon mit Schröder drohte die Partei unter der Last der „Agenda 2010“-Reformen zu zerbrechen. Doch Dressman Schröder und sein williger Gehilfe Müntefering schafften es immer wieder, ernsthafte Auflösungserscheinungen zu stoppen – notfalls mit Druck und äußerst fragwürdigen Vorwürfen mangelnder Solidarität innerhalb der Partei. Schröder verbreitet seine heiße Luft nun allerdings in Russland, und auch der verbale Kammerjäger „Münte“ hat sich inzwischen von der politischen Bühne verabschiedet. Durch das Aufklaffen dieser Lücke wird nun immer deutlicher, wie sehr sich die Politik der SPD von der eigenen Basis entfernt hat. „Vorarbeiter“ Kurt Beck ist sichtlich bemüht, die unterschiedlichen Flügel und Lager in seiner Partei zu versöhnen und das Kartenhaus der SPD vor dem (sicheren) Einsturz zu bewahren. Doch ihm fehlt, was Schröder auszeichnete: Macht und Ausstrahlung. Wenn die SPD-Linke gegen den neoliberalen Kurs Schröders protestierte, gelang es diesem immer wieder, seine Karten als international geschätzter Spitzenpolitiker auszuspielen. Die Integrität der Partei wurde so Stück für Stück für eine schlichte Machterhaltung geopfert. Das Resultat? Zum ersten Mal in der Geschichte der Partei zählt die SPD heute weniger Mitglieder als die CDU und verliert damit den Rang als mitgliederstärkste Partei der Republik. Was auf den ersten Blick vielleicht halb so schlimm scheint, ist für die Partei ein ernsthaftes Imageproblem und spiegelt die Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie wider. Das einst so fein gegliederte Netz aus Ortsverbänden mit eigenen Sport- und Freizeitvereinen ist zerrissen. Der Partei der „einfachen Leute“ laufen die Menschen davon.

Statt sich deshalb über jedes Mitglied zu freuen, will das Schiedsgericht die NRW-SPD nun auf Antrag des Unterbezirks in Bochum-Hamme den ehemaligen Ministerpräsidenten und „Superminister“ Wolfgang Clement vor die Tür setzen. Während des Wahlkampfs in Hessen kritisierte Clement, der inzwischen zu den Lobbyisten des RWE-Konzerns zählt, die ökologischen Vorstöße der dortigen SPD in der Energiepolitik und riet davon ab, bei der Wahl das Kreuz bei der SPD zu machen. Ein Schelm, wer da Zusammenhänge zu seinem Posten bei RWE vermutet, die maßgeblich von der Kohle- und Atomenergie profitieren. In Bochum und in weiteren Ortsvereinen unterstellte man dem Genossen Clement allerdings wirtschaftliches Kalkül und fehlende Solidarität. Da ist sie also wieder, diese Solidarität, die man unter Schröder so gern einforderte. Schröder und Müntefering wären sicher stolz, mit welcher Konsequenz ihr Erbe weitergetragen wird!

Doch wie geht es nun weiter? Gelingt der SPD eine Rückbesinnung auf soziale Werte oder gar eine schlüssige Neuausrichtung? Wie dem auch sei. Sicher ist nur eins: Totgesagte leiden länger!
jk

Seit dem 12. Januar ist die Ruhr-Uni im Kampf um die Eliteförderung weiter. Das freut uns natürlich. Endlich hält ein internationaler Flair Einzug auf dem Campus, und bald wird die RUB in einem Atemzug mit Harvard, Yale und der Sorbonne genannt werden. Freilich wird die äußerliche Anpassung an unser neues, elitäres Image noch ein bisschen dauern. Obwohl gerade unser Campus aus einem Guss der Betonmischmaschine ein Grund dafür war, endlich exzellent zu sein: „Starke Vernetzung einer kooperationsfreudigen Wissenschaftlergemeinde auf einem geschlossenen Campus mit kurzen Wegen“, erklärt Rektor Weiler den triumphalen Einzug in die Welt der Elite.

In dieser Welt findet sich aber nicht JedeR zurecht. Absolut unabdingbar sind hervorragende Englischkenntnisse. Denn wer sich um eine Stelle als NobeldoktorandIn an der „Ruhr-University Research School“ bewerben und seine Application Form ans „International Postgraduate Center“ schicken will, muss sich erst einmal für einen Academic Aim deciden, äh, entscheiden. Ist die „Aufnahme in die School“ aber erst geglückt, kann man Leute ins „Executive Board der School“ wählen und beim „Research Training“ prima neue Erkenntnisse erforschen.
Englisch ist aber nicht alles. Es gilt auch, allerhand Neologismen ins Hirn aufzunehmen: „Exzellenzcluster“ ist zum Beispiel eine der Wortschöpfungen, die wir der Exzellenzinitiative zu verdanken haben – so brandneu, dass sie noch nicht im Duden steht. Das Erlernen neuer Worte lohnt sich aber. Schließlich sollen die zehn auserkorenen Eliteunis am Ende zu „Leuchttürmen der Wissenschaft“ werden und noch dazu viel Geld einheimsen. Für jeden geförderten Cluster gibt es jährlich 6,5 Millionen Euro, für ein Gesamtkonzept 21 Millionen. Im Kampf um wertvolle Drittmittel aus der Wirtschaft kochen die Emotionen der Unileitungen hoch. In Berlin, dessen Unis in der ersten Runde umgehend rausgeflogen waren – zu Recht, merke ich als ehemalige Studentin der FU Berlin an – wurde schon ein Komplott gegen die ohnehin verarmte Stadt gewittert. Irgendwie, man will da nicht spekulieren, haben es jetzt doch zwei Berliner Unis weiter geschafft.
In Bayern und Baden-Württemberg herrscht Selbstzufriedenheit. Am Größten ist die Freude aber in Bochum. „Ein bisschen Sekt haben wir heute schon getrunken“, erzählte der Rektor verwegen dem SPIEGEL. Unsere Chancen auf den finalen Sieg schätzt er aber als „fifty-fifty“ ein, der clevere Fuchs. Der SPIEGEL bezeichnete die RUB übrigens unverschämt als „Außenseiter“. Das ist sehr frech, wo wir doch alles haben, worauf es bei der neuen Elite ankommt: Studiengebühren, völlig überfüllte Seminare, Bezahlklos und vieles mehr. Schließlich muss das Geld für die paar Projekte, deren Förderung sich für Firmen lohnt, irgendwo herkommen. Wer am Füllhorn der elitären Möglichkeiten teilhaben will, sollte übrigens am Besten Natur- oder Wirtschaftswissenschaften studieren, denn kein Konzern ist so doof und fördert das Erlernen von Altisländisch. Deshalb werden Studiengänge wie Skandinavistik auch fix zum Orchideenfach hochstilisiert und dann abgeschafft. Wenn wir irgendwann nur noch fünf Fakultäten haben, kann endlich wieder toll interdisziplinär gearbeitet werden.

Fitnesspark Bochum, täglich 10 Uhr morgens: Uschi* (Mitte vierzig, blondgelockt, braungebrannt und durchtrainiert) erzählt in der Damenumkleide über den neuen Fernseher, den sie zu kaufen gedenkt. Eine Woche lang. Jeden Tag.

Da gibt es ja auch vieles zu bedenken: LCD, Plasma, 70-Zentimeter-Bildschirm oder 90, schwarz, metallic, weiß, blau oder gold, von Mediamarkt, Saturn oder Aldi. Deshalb studiert sie Websites, erkundigt sich bei Stiftung Warentest, vergleicht Angebote, geht mit ihrem Freund (ich habe ihn noch nicht kennen gelernt, kann ihn mir aber lebhaft vorstellen) nach Feierabend in verschiedene Qualitätsetablissements, um sich die guten Stücke im Original anzuschauen. Ein weites Feld also, auf dem sich Uschi* mit vollem Elan rumtreibt. Damit sie dabei nicht vorzeitig schlapp macht, trainiert sie im Studio. Damit sie dabei gut aussieht, geht sie ins Sonnenstudio. Damit ihre Haut dabei nicht vorzeitig altert, kauft sie verschiedene Pflegeprodukte. Damit sie auch weiß, welche die Besten sind, liest sie wöchentlich zwei bis drei Hochglanzmagazine. Wenn sie die schonmal hat, lässt sie sich von den Mode – und Lifestyleangeboten inspirieren. Damit sie die kompletten Must-Haves (in der aktuellen Ausgabe des Qualitätsblattes InStyle: Hosen-Röcke, Tweed-Jacken, Riemchen-Pumps) auch kaufen kann, muss sie ordentlich arbeiten. Ein Teufelskreis also. Zum Nachdenken bleibt nicht mehr viel Zeit, und so lassen sie und ihre Fitnessfreundinnen es einfach bleiben. Ich habe sie nie, nie, niemals über etwas auch nur dezent Relevantes sprechen hören. Die Tür geht auf, Uschi und Fitnessfreundin Gaby* im Schlepptau kommen rein…“das Problem nämlich, also wegen dem neuen Fernseher“…Sie hat ihn gekauft! Endlich! Es herrscht Ruhe! …“ist, dass wir jetzt einen neuen HiFi-Tisch brauchen, der dazu passt.“ Oh nein. Nach der Fernsehkauf-Telenovela jetzt eine über den Fernseh-Tisch? Ich möchte schnell rüber zu Schaten hechten, ihr ein gutes Buch kaufen und sie die kommende Woche darüber sprechen lassen. Aus Geldmangel lasse ich es bleiben. Und am nächsten Tag ist das Thema sowieso hinfällig. „Wir suchen gerade das passende Urlaubsziel“, erzählt sie einer Freundin, „und ich habe da ein Superhotel in der InStyle gesehen.“ Es folgt eine dezidierte Diskussion über verschiedene Urlaubsziele. „Ist das denn auch all Inc.?“, fragt die eine. „Nee, das ist nur HP.“ „Das ist aber dann so teuer, man muss sich die Getränke da selbst kaufen, ich weiß gar nich, wie die ganzen Leute in diesen armen Ländern dat machen, dat Wasser kann man da ja nich trinken, und die haben alle kein Geld.“

Natürlich gibt es im Fitnessstudio auch vernünftige Leute. Wie der Text vielleicht vermuten lässt, war ich ja auch vor Ort. Man sollte aber besser mit Oropax und Scheuklappen reingehen. Sonst erwischt man sich bald im Gespräch mit Uschi und ihren Freundinnen, alsbald im gemeinsamen Pauschalurlaub, schließlich beim gemeinschaftlichen TV-Kauf im Mediamarkt, und dann ist alles zu spät.

*Namen von der Redaktion geändert

40-Something
Was haben die bsz und das Telekolleg gemeinsam? Den Bildungsauftrag? Ja. Richtig. Außerdem werden sie in diesem Jahre 40. Jubel, Trubel und einen Tusch, bitte. Wie ist das eigentlich, wenn man vierzig wird? Aus eigener Erfahrung kann ich dazu noch nicht viel sagen. Doch zum Glück erklärte sich die gerade vierzig werdende bsz zu einem Interview bereit, um Missverständnisse zu klären und falsche Vermutungen aus der Welt zu räumen.

BSZ: Also liebe bsz, herzlichen Glückwunsch zum Vierzigsten. Stolze Leistung. Wie schaut‘s denn aus mit der Gesundheit nach so vielen Jahren Studentenleben unter nicht immer einfachen Bedingungen?

bsz: Ich fühl mich topfit. Könnte noch vierzig Jahre so weiter machen.

BSZ: Böse Stimmen behaupten ja, du kämst jetzt in deine Wechseljahre oder hörtest gar deine biologische Uhr ticken. Muss die Leserschaft jetzt mit Stimmungsschwankungen rechnen? Oder gibt es gar eine Midlife-Krise?

bsz: Nein, nein. Eure bsz bleibt ganz die alte. Diese Stimmungsschwankungen habe ich schon seit meiner Jugend. Ständig wechselnde MitarbeiterInnen und verschiedene politische Gesinnungen die auf einen einreden und nur mein Bestes wollen. Da bleibt ein bisschen Verwirrung nicht aus. Mal soll ich wöchentlich erscheinen, dann wieder für ’nen Monat in den Redaktionsräumen verschwinden. Und manch Redakteur forderte sogar schon Operationen an meinem Äußeren. Das geht nicht spurlos an mir vorbei aber macht auch hart gegenüber neuen Einflüssen.

BSZ: Was können die LeserInnen also für die nächsten 40 Jahre erwarten?

bsz: Vierzig ist ja die Symbolzahl der Prüfung, Bewährung und Initiation. Man könnte also sagen, ich hätte es geschafft, endlich erwachsen zu werden. Doch weiß ich genau, dass schon ein abstruser Ausgang der StuPa-Wahlen wieder eine völlig neue Zeitung aus mir machen kann. Die verzehnfachte Vier repräsentierte zwar die Vollkommenheit, also eine perfekte bsz, doch muss auch ich mich manchen Stimmungen der Umgebung beugen und jeden Trend mitmachen. Momentan fühle ich mich eher etwas künstlerisch angehaucht und gesellschaftlich interessiert. Vierzig Jahre immer nur Uni-Querelen werden ja auch langweilig.

BSZ: Mit dir Geburtstag feiern am 15. Februar übrigens Galileo Galilei, welcher 443 Jahre alt geworden wäre und Guildo Horn, der nur drei Jahre älter ist als du.

bsz: Die Typen kenn ich nicht. Aber grüßt sie mal schön. Meine Feier findet dann im Sommer statt, wenn man richtig schön grillen kann. Dann opfer’ ich auch ein paar alte Ausgaben von mir zum Feuer machen und würde mich freuen, wenn möglichst viele Schreiberlinge aus meiner Jugendzeit vorbei schauen würden.

BSZ: Viel Spaß beim Feiern und Danke für das Interview

Dieser Zeitung liegen topgeheime Insiderinformationen bezüglich der Pläne zur Verwendung der sogenannten Studienbeiträge vor. So ist unter anderem vorgesehen, die Ekel erregenden Waschbetonplatten auf dem Campusgelände durch Platten aus roséfarben Carraramarmor zu ersetzen. Die Armaturen der Toiletten werden ebenfalls ausgetauscht. Statt ranziger und kalkverkrusteter Baumarktware werden die Studenten in Zukunft glänzend polierte Messingkräne mit Strasssteinbesatz erwarten dürfen. Im Mensafoyer werden schon ab dem ersten Tag des neuen Semesters Hostessen mit Silbertabletts bereit stehen und den Studierenden kandierte Früchte und andere exotische Leckereien darzureichen. Statt des bisherigen Schnitzelkomas erwarten den Beitragszahler schon bald glutamatfreie Schlemmereien, die ein völlegefühlfreies Studieren in den neuen mit Recarositzen ausgestatteten Multimediahörsälen ermöglichen. Für eine freundliche und helle Atmosphäre werden die Kristallleuchter auf den Gängen sorgen. Um das Ambiente noch angenehmer zu gestalten, werden diese Gänge zusätzlich mit dicken roten Seidenteppichen ausgelegt. Um diese Neuerungen angemessen würdigen zu können, werden die Cola-Automaten durch Champagnerbars (Salzstangen gratis!) ersetzt. Wer jetzt immer noch nicht zahlen will, kann nach Bottrop ziehen!

Endlich ist es soweit: ID wird errichtet. Der „architektonische Abschluss“ (RUB-Homepage Jargon) der I-Reihe wird allerdings nicht mit dem klassischen Design der übrigen Hochhausbauten aufwarten, sondern mit einer innovativen U-Form, die Augen der StudentInnen verwöhnen. Wie sich das U gegen das ÙŠ und das Ŷ durchsetzen konnte, ist bisher nicht aufzuklären gewesen.

Die Frage lautet nun: Wie kann man dieses Stück Architektur auch semantisch in die RUB einbauen? Das Konzept ist bekannt: Die RUB ist der Hafen des Wissens, an den die einzelnen Schiffe angedockt haben (außerhalb der RUB hat sich Beton als Baumaterial für Schiffe aber niemals durchsetzen können; aber wer hätte im 18. Jahrhundert dem Stahl eine Zukunft als Werkstoff im Schiffsbau vorausgesagt?!). Das Audimax ist demnach kein unansehnlicher Klotz mit Wasserschaden, sondern eine Muschel, von der man aber noch nicht sagen kann, ob, wenn sich ihr Dach eines Tages komplett aufgelöst hat, eine Perle ans Licht kommt oder lediglich ein wenig faules Muschelfleisch, das eine feine Magenverstimmung verspricht.
Wie soll man also das neue ID-U in dieses muroroaeske Ambiente einbauen? Erste tastende Vermutungen sehen im neuen U drei gestrandete Container, in denen sich das brandheiße Wissen der westlichen Zivilisation befindet (Informationstechnik und Elektrotechnik) und die von fleißigen kleinen chinesischen GaststudentInnen völlig legal geplündert werden.
Wieder andere Beschreibungen sehen in dem ID-U eine Replik auf einen umgestürzten Triumphbogen und also als Abgesang auf alle Träume von Exzellenz und Siegertypentum.
Die Möglichkeit, in diesem U nichts weiter als einen Hinweis auf die per Aberglauben abgesicherte Hoffnung auf Glück mittels des Hufeisens zu sehen, besteht. Ob der Architekt sich bei dem U nicht auch an der Physiognomie einer Winkerkrabbe orientiert hat, ist nicht bekannt, würde aber passen, da das kleine Schalentier sicherlich genügend Nahrung in Form von Algen und Moos in den mit Wasserschäden ausgestatteten Gebäuden der RUB finden wird.
Um eine passende Beschreibung für das U-Konzept an den Start zu bekommen, hat Rektor Weiler einen Wettbewerb ins Leben gerufen. Zu diesem Zweck sind alle Anthroposophen und sonstige Konzeptualisten aufgerufen, das neue U im Hafen der RUB zu begrüßen. Die Vorschläge sind an Rektor Weiler zu schicken: Elmar.Weiler@rub.de. Die besten Ergebnisse werden auf einer gigantischen Gala mit einer Tüte ABC-Kekse prämiert. Dazu gibt’s dann auch noch ein paar warme Worte vom Rektor persönlich („Das U: Der Magnet des Wissens in einer post-bipolaren Weltordnung“). U-lala…

Kill Knut

Vegetarier sind Mörder!, hallt es einem entgegen, wenn man sich auf die Suche nach den Verursachern des Aufrufs zur Hinrichtung des kleinen süßen knuddeligen Eisbären im Berliner Zoo macht. Von extrem fragwürdigen „Rechten für Tiere“ ist zu lesen, und man fragt sich zwangsläufig, ob Knut, wenn er wüsste was für ein Hype um ihn gemacht wird oder er sich seine Klingeltöne anhören müsste, sich nicht das Recht auf Selbstmord einklagen wollte.

Die Moral eines Menschen kann man daran ablesen, wie er mit seinen Untergebenen umgeht, heißt es in einem Sprichwort. Ich frage mich ob sich im Fall Knut irgendjemand wirklich moralisch verhalten hat, oder verhalten konnte. Er musste für alles herhalten, was wir zur Zeit an Problemen haben. Da wäre die Politik der Großen Koalition, die für alle so langweilig erscheint, dass eine solche Geschichte erst aufkommen kann. Da wären die Medien, die ohne Skrupel alles tun um alle zu verdummen. Da wären die möchtegern-Popstars, die aus allem einen Hit machen möchten. Da wären die Klingeltonhersteller, über die man sich schon gar nicht mehr aufregen möchte. Da wäre der Klimawandel, der es demnächst notwendig macht alle Eisbären in den großen schönen Skihallen unterzubringen, weil die Pole schmelzen. Und nicht zu vergessen das Bildungssystem, welches ohne Tiere wie Knut zugrunde gehen muss, weil man keine Zooausflüge mehr machen kann.

Da man mich, als Vegetarier, schon als Mörder bezeichnet, ist es sicher kein schlimmeres Verbrechen, wenn ich jetzt hier zum Mord aufrufe. Ich sage: Kill Knut! Wenn schon nicht durch einen Kopfschuß, dann doch mindestens in euren Köpfen. Es gibt Wichtigeres und Sinnvolleres zu tun, als sich um einen verdammten Eisbären zu kümmern, sei er auch noch so süß und knuddelig. Ihr müsst sogar nicht gleich mit so sinnvollen Dingen wie Umwelt- und Klimaschutz, oder der Abschaffung des Kapitalismus anfangen. So etwas Simples wie das Studium fertig bringen oder mal die WG putzen, reicht in meinen Augen schon, um einem die Nichtigkeit von Knut vor Augen zu führen.

Spätestens in ein paar Wochen kommt er dann hoffentlich endlich auf den Friedhof der Kuscheltiere, zusammen mit Sammy, dem Kayman, den Greenpeacewalen, den BSE-Kühen, Dolly, dem Klonschaf, den Kanzlergänsen, den schwulen Pinguinen, dem Schwan auf dem Aasee in Münster, der Maus mit drei Ohren, dem Themse Wal und allen anderen Pausenfüllern. Auch wenn es traurig ist, so wird es doch bald sicher wieder ein neues Tier geben, welches nichts für seinen Ruhm kann. Wie wäre es z.B. mit Harry, dem haarigen Hering, Bill, dem Bleifuß-Büffel oder Silvio, dem sabbernden Säbelzahntiger.

Es war vorgestern als eine Horde stinkender, behaarter Höhlenbewohner das Nest eines Tyrannosaurus Rex-Weibchens plünderten und in einem unfasslichen Gewaltakt die erbeuteten Eier in die heimische Wohnhöhle zurück schleppten.

Mittels der übermenschlichen Fähigkeiten des stärksten Weibchens der Neandertalersippe (zeitliche Interpolationen wurden in Kauf genommen) die Eier ausgeblasen. Angeritzt wurden die Eier mit einem speziell zu diesem Zwecke geschlagenen Flintstein, um hässliche Frakturen an Eiober- und Unterseite zu vermeiden. Sodann wurden die dicken Eier von fleißigen Höhlenkindern mittels eines Höhlenbärschwanzpuschels und einer Mischung aus Kot, Säbelzahntigerblut, sowie Parabraunerde mit ländlichen Motiven verziert. Diese Eier wurden dann unter unglaublichen Anstrengungen am höchsten Mammutbaum der gesamten Umgebung angebracht.
Im Mittelalter wurde der Brauch des Osterfeuers durch Hexen als Brennmaterial ergänzt und mehr gibt es da auch nicht zu sagen.
Übermorgen gibt es nur virtuelle Ostereier und wenn man auf „reinbeißen“ klickt wird einem von einem Chip im Gehirn der Geschmack von Schokolade vorgegaukelt und wenn der Scheißcomputer einen Virus hat, schmeckt’s halt nach Hackbraten mit Himbeermarmelade. Mit einem „virtual reality“- Anschluss im Zentralnervensystem muss man dann aber nicht mehr klicken, sondern den Befehl an die von Neumann-Maschine nur noch denken. Das heißt dann nicht mehr denken, aber wir können heute naturgemäß noch nicht wissen, wie man diese Aktivität bezeichnen wird.
Heute scheint uns das Osterfest als eine seltsame Institution. Wie an allen anderen Feiertagen auch, erfahren wir alles mehr oder minder Wissenswerte rund um diese Feiertage. So zum Beispiel, ob Schokoladenosterhasen ein paar Wochen zuvor noch Schokoweihnachtsmänner waren, oder wie viele Kilometer man bei welcher Geschwindigkeit nordisch walken muss, um die während der Festtage verputzten Kalorien (vulgo Braten) von den Rippen abzutrainieren. Des Weiteren werden Berechnungen angestellt, wie viele Male die Erde mit den, zur Osterfeier hergestellten, Schokoeiern umrundet werden kann. Wer ganz viel Pech hat, erfährt auch noch, was diverse Prominente so zu Ostern machen (Eier suchen, Eier essen, Eier schaukeln), oder wie viele Menschen neugeborene Tierkörper während der Feiertage im Berliner Zoo anstarren (sehr viele).
All denjenigen, die sich also über die Osterfeiertage furchtbar über die zur Zeit in Verwendung begriffenen Bräuche aufregen seien versichert: Auch diese unterliegen einem steten Wandel. Nichts bleibt bestehen. Nicht ewig wird die Menschheit durch Gärten kriechen und ranzige Süßwaren aufklauben. Es war schon mal anders und es wird wohl auch irgendwann einmal wieder ganz anders sein.