Seit den 60er Jahren finden deutschlandweit die jährlichen Ostermärsche statt, deren TeilnehmerInnen sich zu pazifistischen und antimilitaristischen Werten bekennen. Aber solche Friedensbewegungen haben es zurzeit nicht leicht. Die großen Medien konnotieren Gespräche mit den umstrittenen „neuen Montagsdemos“ kritisch und schenken ihnen nur wenig Aufmerksamkeit. Die Friedensbewegung innerhalb des Ruhrgebiets startete dieses Jahr am Karfreitag. Sie zog von der Urananreicherungsanlage in Gronau bis nach Dortmund, wo sie am Montag an den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki vor 70 Jahren erinnerte. :bsz-Reporter Alexander Schneider war beim Fahrradmarsch am Sonntag von Essen bis Bochum mit dabei.
Die ersten TeilnehmerInnen stehen, als ich ankomme, schon mit ihren Rädern auf dem Willy-Brandt-Platz bereit, der vor dem Essener Hauptbahnhof liegt. Bei sonnigem Wetter ging es um 9:30 Uhr los. RednerInnen erhalten das Mikrofon und sprechen über die Befreiung vom Faschismus und die Notwendigkeit der Abschaffung von Atomkraft und -waffen. Danach ist es soweit: Wir treten in die Pedale. Von Konflikten mit den Montagsdemos sollte an diesem Tag kaum etwas zu spüren oder zu hören sein. Alle sind sehr freundlich und es kommen über den Tag viele Gespräche zustande, ohne dass man sich kennt. Der Marsch verbindet.
Halt, Stopp! Politik!
Von den fünf Stopps des Tages ist der erste direkt am Essener RWE-Tower, vor dem über die aktuellen Probleme des AKW Emsland gesprochen wird. Bei den folgenden Stationen in Gelsenkirchen, Wattenscheid, Herne und Bochum kommen langjährige AktivistInnen wie zum Beispiel Hannes Bienert, Felix Oekentorp oder auch die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen (Die Linke) ans Mikrofon. Die Themenfelder sind vielfältig und ragen von traditionellen Themen, wie dem Umgang mit der Atomtechnologie, bis hin zu aktuellen Begebenheiten, wie dem Ukraine- und Jemenkonflikt. Der Marschtag fährt dann seinem Finale im Bahnhof Langendreer entgegen mit der Rede „TTIP und Krieg“ von Werner Rügemer. Der Tag hat sich gelohnt.
:bsz-Gesprach zum Ostermarsch 2015: Plausch mit Sevim Dağdelen, Bernd Brack und Willi Hoffmeister
:bsz Was bedeutet für Sie der Ostermarsch?
Sevim Dağdelen (Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke) Er ist ein Signal der Hoffnung, das die Sehnsucht der Menschen nach Frieden und Völkerverständigung ausdrückt und sie auf die Straße treibt. Gerade, in Zeiten in denen es eine Eskalationspolitik gegen Russland gibt und in der Ukraine Krieg herrscht, ist es ein willkommenes Zeichen, dass Menschen hier für Frieden und Deeskalation marschieren.
:bsz Wie stehen sie zu den neuen Montagsdemonstrationen?
Sevim Dağdelen Das Problem in Deutschland ist nicht, dass zu viele Menschen für Frieden und Völkerverständigung auf die Straße gehen. Ich begrüße gerne alle Aktivitäten, die die deutsche Außenpolitik zu einer Friedenspolitik machen wollen, würde mir aber eine Anschlussunfähigkeit gegenüber rechten Inhalten und Tendenzen wünschen. Denn das ist für mich eine Grundvoraussetzung etwas zu unterstützen, weil ich denke, dass die Lehre aus den zwei Weltkriegen – die von Deutschland ausgegangen sind – auf jeden Fall heißt „Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus.“ Dieses Doppel muss da drin sein.
:bsz Welchen persönlichen Bezug haben Sie zum Ostermarsch?
Bernd Brack (ProAsyl/ Flüchtlingsrat Essen e. V./ Essener Friedensforum) Für mich ist er eine Tradition. Vor 35 Jahren habe ich damit zum Höhepunkt der Friedensbewegungen in den 80er Jahren angefangen. Ich gehöre seit eh und je dazu.
:bsz Wie sehen Sie die politische Lage?
Bernd Brack Leute, die nur auf die Medien angewiesen sind, sind fehlinformiert. Wir haben Russland eingegrenzt. Die Nato und die EU sind immer näher an die Ukraine ran gerückt. Dass Russland dies irgendwann einmal merkt und sich daher zur Wehr setzen könnte, wird verschwiegen. Bei ProAsyl spüren wir die Auswirkungen, denn von überall dort, wo wir Krieg machen, kommen Flüchtlinge. Darüber wird sich aufgeregt, weil diese angeblich nur unser Geld wollen. Es ist aber so, dass die Menschen vor einem unwürdigen Leben fliehen. Was keiner weiß, ist, dass Flüchtlinge uns nicht einmal viel kosten. Seit Jahren liegen die Ausgaben bei einer Milliarde – was dem Preis eines Uboots entspricht – und dieses Geld wird zudem wieder in Deutschland ausgegeben.
:bsz Welche Erfahrung haben Sie mit den neuen Montagsdemos?
Willi Hoffmeister (Ostermarsch-Urgestein) Da gab es ein paar Schwierigkeiten in der Friedensbewegung. Es wurde versucht, in den Ostermarsch mit Transparenten einzusickern und die Rechtsöffnung war mir zu viel, die es in paar Punkten gab. Zudem wurde gesagt, dass es kein Rechts oder Links mehr gäbe. In Dortmund führte das zu heftigen Diskussionen, die zur Folge hatten, dass die Rechtskräfte von Montagsmahnwachen ausgeschlossen wurden. Pluralität ist wichtig, zum Beispiel sind die einen für das Auflösen der Nato und andere nicht – denn die dürfte nach der Wiedervereinigung gar nicht mehr sein –, aber aus solchen Gründen zerstreitet man sich nicht. Es ist wichtig, etwas für den Frieden zu erreichen.
Das Interview führte
:Alexander Schneider
Lest auch Alexanders Kommentar zum Ostermarsch.
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