Ein Drittel unserer Lebenszeit verbringen wir mit Schlafen. Egal, ob komatös tiefer Schlummer oder unruhige Stunden – jedes Mal begleiten uns Träume durch das Reich der Nacht. Dabei sind sie weit mehr als Zufallsbilder oder Spinnereien des Unterbewussten. Manche Menschen können sie sogar willentlich steuern und so für sich nutzen.
Die alten Griechen bezeichneten den Schlaf als den kleinen Bruder des Todes; sie glaubten, die Götter Hypnos und Thanatos seien Geschwister. Tatsächlich hielt sich die Vorstellung, dass unser Gehirn nachts in eine Art Standby-Zustand verfalle, bis ins 20. Jahrhundert. Doch das frisch entwickelte Elektroenzephalogramm (EEG) zeigte vor knapp hundert Jahren, dass unsere Nervenzellen auch während wir schlummern mehr als aktiv sind. Zwar feuern sie in anderer Zusammensetzung als im Wachzustand, doch ihre nächtliche Arbeit ist gleichermaßen lebensnotwendig und faszinierend – bringt sie schließlich auch das Phänomen der Träume zustande.
Wenn der Organisator schlafen geht
Diese fiktiven Erfahrungen entstehen durch die einzigartige Konstellation aktiver und abgeschalteter Hirnregionen. Obwohl nicht das gesamte System herunterfährt, verabschieden sich dennoch einige Areale, die tagsüber für bewusste Wahrnehmung und besonnenes Verhalten essenziell sind. Dazu gehört etwa der präfrontale Kortex im Stirnlappen, eine Art Organisator unseres Denkorgans. Ist er inaktiv, können wir unsere Wahrnehmungsinhalte nicht mehr mit der Realität abgleichen. Unmögliches erscheint uns wirklich, Unlogisches plausibel und wir zeigen ungewöhnlich sprunghaftes Handeln – wir träumen.
Dies passiert übrigens nicht nur in der sogenannten REM-Phase (von rapid eye movement), wie lange vermutet wurde. In allen vier Schlafstadien bereisen wir phantastische Welten oder erleben bestimmte Situationen des Alltags wieder. Lediglich der Charakter des Erträumten unterscheidet sich je nach Schlafphase und damit auch -tiefe. Dennoch ist der REM-Schlaf etwas Besonderes – nicht nur, weil sich die Augen hinter geschlossenen Lidern rapide hin- und herbewegen, während der Körper gleichzeitig gelähmt ist, sondern auch wegen der ausgesprochen intensiven und verzwickten Träume. Da die REM-Phasen zum Morgen hin länger werden, sind es zumeist genau diese skurrilen Erlebnisse, an die wir uns nach dem Aufwachen erinnern.
Die Kunst des Klartraums
Manchen gelingt das beinahe jeden Tag, anderen erscheint ihr Schlaf als ein Zustand absoluter Bewusstlosigkeit, wenige wiederum können das Erlebte sogar steuern. In luziden Träumen nehmen friedlich Schlummernde nicht nur alles viel klarer und lebendiger wahr; sie sind sich auch darüber bewusst, dass sie träumen. Intuitiv beeinflussen sie das Geschehen und nutzen die fiktive Bühne dazu, Dinge zu tun, die sie schon immer ausprobieren wollten – zum Beispiel das Fliegen, wie berichtet wird. Klar träumende SportlerInnen können auf diese Weise sogar Bewegungsabläufe trainieren und ProbandInnen im Schlaflabor aus ihrem luziden Zustand heraus mittels Atmung oder Augenbewegungen kommunizieren – dank des dorsolateralen Präfrontalkortex.
Der ist eigentlich nur tagsüber aktiv und nachts heruntergefahren. Im Klartraum jedoch erwacht er, sodass Schlafende plötzlich kritisch denken, ihre Aufmerksamkeit lenken und ihren inneren Zustand analysieren können. Während manche das schon seit Kindheitstagen praktizieren, eignen sich zunehmend mehr Menschen diese Fähigkeit gezielt an – denn luzid träumen ist tatsächlich erlernbar.
Mit etwas weniger Aufwand könnt Ihr auch das Erinnern von Träumen trainieren. Jeden Morgen ein paar Fragmente in ein Traumtagebuch zu notieren genügt – und Woche für Woche werden die nächtlichen Szenen immer besser und klarer in Eurem Gedächtnis haften bleiben.
:Melinda Baranyai
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