Mieses Wetter da draußen, denke ich, während ich an jenem Donnerstag im KulturCafé sitze und auf meinen Gesprächspartner warte. In dem Moment kommt auch schon Christoph Zöpel. „Ein mieses Wetter ist das hier“, sagt der 70-Jährige nach einer freundlichen Begrüßung. „Ich komme gerade aus Jordanien, da ist es viel wärmer.“ Zöpel lehrt – wie an der TU Dortmund – an der Deutsch-Jordanischen Universität in Amman, dort zum Thema Räumliche sozioökonomische Entwicklung und Planung sowie Planung von Städten und Metropolen. Auf dem Gebiet hat er viel administrativ-praktische Erfahrung: In den 1980er Jahren war er als SPD-Minister in NRW für Landes- und Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zuständig und hatte damit die Verantwortung für eine der größten Metropolregionen Europas, die Rhein-Ruhr-Region in der letzten Phase der Kohlekrise. Vor dieser Zeit der großen Politik musste aber auch er lernen: Als Student der Wirtschaftswissenschaften in Berlin und an der frisch gegründeten Ruhr-Uni und als dortiger AStA-Vositzender.
„Ich bin nur zufällig Vorsitzender geworden“, erzählt er. Weil ihm die studentische Politikszene an der FU Berlin zu extrem war – und aus persönlichen Gründen – zog es den in Minden Aufgewachsenen nach acht Berliner Semestern wieder nach Westfalen. An der kaum zwei Jahre alten RUB suchte der Sozialdemokratische Hochschulbund noch geeignete KandidatInnen. Zöpel konnte die Wahl mit einer markanten Stellungnahme für sich entscheiden: „Ich bin absolut dagegen, dass hier Studenten erschossen werden.“ Mit diesem Grundsatz spielte er auf die Erschießung des Berliner Studenten Benno Ohnesorg durch die Polizei wenige Monate zuvor, im Juni ’67, an.
Die Uni ist für Kritik da!
Den Höhepunkt seiner Tätigkeit als AStA-Vorsitzender bricht der Expolitiker ebenfalls auf ein Zitat herunter: Als sich die Notstandsgesetze in Deutschland ankündigten, die die Befugnisse des Staates erweitern und die der BürgerInnen einschränken sollten, wurde an der RUB heftig demonstriert, der Senatssitzungssal wurde von Studierenden belagert. Nur der AStA-Vorsitzende wurde vorgelassen. „Sie haben einmal gesagt, dass es die Aufgabe der Universität sei, Gesetze kritisch zu hinterfragen und zu diskutieren“, erinnerte er den damaligen Rektor Kurt Biedenkopf. Auf die Frage, was er deshalb fordere, erwiderte Zöpel: „Einen freien Tag, um die Gesetze zu diskutieren.“ Die einzig richtige Antwort. Dieser Tag wurde der Studierendenschaft gewährt, bald darauf wurde einen Tag lang nicht studiert, sondern es wurden unter großer Beteiligung die Notstandsgesetze besprochen und Proteste geplant. Genaue Zahlen wisse er heute nicht mehr, sagt mein Gesprächspartner, „aber von den damals wohl 2.000 Studenten waren um die 1.000 an den Gesprächen beteiligt.“
Der AStA-Vorsitzende sah seine Aufgabe, Demokratie und Demonstrationsrecht durchzusetzen, als erfüllt an und trat von seinem Amt zurück, um sein Studium abzuschließen.
„Die Jugend ist nicht unpolitisch“
Was das für ein Café sei, fragt mein Gegenüber zwischendurch. Die Antwort, dass das KulturCafé vom AStA als Ort für Austausch, Entspannung und Kultur betrieben wird, gefällt ihm sichtlich. Interessiert fragt er die Bedienung über das KuCaf aus.
„Ich glaube nicht, dass die Jugend heute unpolitisch ist“, meint der gesprächige Mann. „Politik ist das Fällen kollektiv verbindlicher Entscheidungen. Eine Gesellschaft ohne Politik gibt es nicht.“ Deshalb sei jedes Engagement, bestimmend oder kommentierend, ob im AStA, im Fachschaftsrat, im Sportverein, religiös oder künstlerisch, gleich wichtig. Hauptsache sei, man könne sagen: „Damit verbinde ich gesellschaftliches Engagement.“
Die Arbeit im AStA sei eine wichtige Schule, sagt der Wahlbochumer, und könne einem den Weg in weitere gesellschaftliche Positionen zeigen. In der Politik könne man nur in Legislaturperiodenlänge planen, das dürfe man dabei nie vergessen. „Einen, der sagt, er gehe in die Politik, um Karriere zu machen, würde ich nicht wählen.“
Noch viel zu erzählen
Wir unterhalten uns noch über die Architektur der Ruhr-Uni („nicht human“), den ÖPNV im Ruhrgebiet („schändlich schlecht“) und noch viel mehr. Christoph Zöpel verspricht, gerne wieder mit der :bsz zu sprechen und verabschiedet sich. Er müsse mit dem Bus nach Hause und am Abend noch nach Berlin.
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