Bild: Klein, hübsch und enorm wissbegierig: Die Thermostate von Nest Labs., Google kauft den US-Thermostate-Hersteller Nest Labs Foto: ck

In der vergangenen Woche kaufte der Internetriese Google für 3,2 Milliarden US-Dollar die amerikanische Firma Nest Labs – ein Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Thermostaten spezialisiert hat. Herkömmliche Thermostate regeln die Raumtemperatur und sind nicht sonderlich intelligent. Ganz anders sieht es bei den Geräten von Nest Labs aus.

Wie passen Google und ein Hersteller für Thermostate zusammen? Diese Frage werden sich vermutlich einige Menschen gestellt haben, als die Firma Nest Labs in der vergangenen Woche den Besitzer wechselte. Nest Labs wurde 2010 von dem Computeringenieur und Apple-Pionier Tony Fardell gegründet. Fardell gilt als Erfinder des iPod und des Designs für das erste iPhone. Die Frage, wie Google und Nest Labs zusammenpassen, lässt sich recht schnell beantworten. Die kleinen Wärmewächter aus Fardells Ideenschmiede sammeln Daten, viele Daten. Ihre Sensoren messen die Raumtemperatur, die Aktivität (Bewegung), die Luftfeuchtigkeit und die Helligkeit und gleichen diese mit externen Daten, beispielsweise der Außentemperatur und dem Wetter, ab. Sie sind sogar in der Lage anhand der gesammelten Daten zu ermitteln, ob eine Person zu Hause ist oder schläft. Sie merken sich NutzerInneneingaben, lernen und passen ihr Verhalten an die Wünsche der NutzerInnen an. Es sind diese Informationen, für die sich Google interessiert.

Nest, Google und Du

Wirft man einen Blick auf die Website von Nest Labs und fragt, ob die gesammelten Daten an Google weitergeleitet werden, wird man recht schnell fündig. Dort heißt es, dass man Datenschutz sehr ernst nehme, und dass sich an dieser Haltung auch nichts ändern werde. Die gesammelten Daten würden nur eingesetzt, um die Qualität der Produkte und Dienste zu verbessern. Bereits in der Vergangenheit griffen Google und Facebook auf ähnliche, schwammige Formulierungen zurück und verschafften sich hierdurch enormen Spielraum. Auch Nest-Labs-Gründer Fardell wollte eine Weitergabe der Daten gegenüber dem amerikanischen Magazin „The Verge“ weder ausschließen noch bestätigen.

Wenn Thermostate mehr wissen, als sie eigentlich sollten

Wer sich für Technik und Design interessiert, wird von den Nest-Labs-Thermostaten begeistert sein. Schlicht und elegant sehen sie aus und erinnern in ihrem minimalistischen Design an Apple und Co. Von der schönen Optik geblendet, vergisst man rasch, dass es sich bei den kleinen Wärmewächtern um hoch intelligente Datensammler handelt. Auf der einen Seite erleichtern sie den Alltag; auf der anderen Seite ist man mit ihnen nie allein zu Haus.

Unsere Gesellschaft und unser Verhältnis zur Technik haben sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Smartphones sind für viele Menschen zu einem ständigen Begleiter geworden. In einer bislang unveröffentlichten Studie von PsychologInnen und InformatikerInnen der Universität Bonn wurde mithilfe einer eigens entwickelten App der Handygebrauch von 50 Studierenden über einen Zeitraum von sechs Wochen untersucht. Im Schnitt schauten die Probanden täglich 80 Mal auf ihr Smartphone – tagsüber alle zwölf Minuten. Dass sie mit ihren Mobiltelefonen haufenweise Daten erzeugten, freute nicht nur die ForscherInnen der Universität Bonn. Viele dieser gesammelten Daten landeten auch bei anderen Stellen – ein Umstand, den die Nutzung von Smartphones mit sich bringt und den viele bereitwillig akzeptieren.

Das „vernetzte Heim“

Dass man sich durch die Nutzung des Internets und von Smartphones Google, Apple und Co ins Haus holt, ist kein Geheimnis. Für viele Menschen ist es mittlerweile zur Normalität geworden, die großen Konzerne mit sich herumzutragen und die zahlreichen Dienste zu nutzen, die das Netz und die digitalen Helferlein anbieten. Hat sich eine Technologie erst einmal durchgesetzt, wird es schwer, sich dieser zu verwehren oder zu entziehen. Mangels Alternativen hat man kaum eine Chance, ein technologie­unabhängiges Leben zu führen.

Mit dem Kauf von Nest Labs stößt Google nun in neues Terrain vor und legt damit den Grundstein für das „vernetzte Heim“. Die intelligente Haustechnik liefert private Daten, die unter Umständen mehr über uns verraten, als wir selbst wissen – beispielsweise welche Temperatur wir zu welcher Tageszeit mögen oder wie oft und wie lange wir schlafen. Es geht um alltägliche Dinge, die wir nicht bewusst wahrnehmen.

Nun kann man sich die Frage stellen, ob die kleinen Geräte den Kohl noch fetter machen – ob es sich lohnt, sich auch über diese Art der Überwachung aufzuregen und zu empören. Schließlich akzeptieren wir die allgegenwärtige Überwachung, indem wir moderne Technologien wie das Internet oder Smartphones nutzen.

Ob die Thermostate und vergleichbare Geräte einen ähnlichen Einfluss auf unsere Gesellschaft nehmen, wie es das Internet oder die Smartphones taten, bleibt abzuwarten – falls ja, werden sie die Art und Weise wie wir leben und wohnen drastisch verändern.
 

:bszinfobox

Nach Angaben des Online-Magazins gigaom.com verkaufte Nest Labs seit Anfang 2013 40.000 bis 50.000 Thermostate pro Monat – zum Preis von 250 US-Dollar/Stück. Auf der CES in Las Vegas wurde kürzlich zudem eine Kooperation von Daimler und Nest Labs bekannt gegeben. In Europa werden die Thermostate derzeit noch nicht angeboten.

0 comments

You must be logged in to post a comment.