Als das HG NRW tatsächlich noch „Hochschulgesetz“ hieß, war die akademische Welt noch einigermaßen in Ordnung – abgesehen vom sogenannten „Qualitätspakt mit den Hochschulen“, der 1999 seitens des NRW-Wissenschaftsministeriums auf den Weg gebracht wurde, um bis zu zehn Prozent der wissenschaftlichen Stellen im Lande einzusparen und an einzelnen Standorten zur Einstellung ganzer Fächer führte. Dann kamen 2003 zuerst die Gebühren für sogenannte Langzeitstudierende und später mit dem schwarz-gelben „Hochschulfreiheitsgesetz“ (HFG) das „Hochschulfinanzierungsgerechtigkeitsgesetz“ (HFGG), welches eine Einführung Allgemeiner Studiengebühren an den einzelnen NRW-Hochschulen ermöglichte. Inzwischen wurde mit dem „Hochschulzukunftsgesetz“ (HZG) der Entwurf eines neuen Gesetzesmonstrums auf den Weg gebracht, welches künftig das HFG ablösen soll. Bereits Anfang 2014 soll das HZG im Landtag NRW verabschiedet werden – KritikerInnen meinen: viel zu früh.
Als „unnötig, kontrollversessen, die Arbeit und unternehmerische Leistung der Studentenwerke verkennend und letztlich falsch“, kritisieren die zwölf nordrhein-westfälischen Studierendenwerke die Änderungen, die das Land parallel zum „Hochschulzukunftsgesetz“ am Studentenwerksgesetz vornehmen will. Die Studierendenwerke nehmen kein Blatt vor den Mund: „Der Gesetzentwurf ist ein einziger Affront“, sagt Günther Remmel, Geschäftsführer des Studentenwerks Bielefeld und Sprecher der NRW-Studierendenwerke. „Uns Studentenwerken wird kollektiv das Misstrauen ausgesprochen“, so Remmel weiter. „Anstatt mit uns, wie von Ministerin Svenja Schulze angekündigt, einen offenen Dialog zu führen, will das Land massive Eingriffs- und Kontrollrechte verankern“, ist sich der Studierendenwerkssprecher sicher. Auch das Deutsche Studentenwerk (DSW), dem bundesweit insgesamt 58 Studierendenwerke angehören, unterstützt die Kritik: „Das Land NRW will offenbar das Rad zurückdrehen“, befürchtet der DSW-Präsident und ehemalige Rektor der Universität Bielefeld, Prof. Dr. Dieter Timmermann. „Der Gesetzentwurf verkennt die Arbeit und die unternehmerische Leistung der NRW-Studentenwerke zum Wohl der Studierenden und der Hochschulen“, legt Timmermann nach. Die wachsende Kontrolle gehe zudem mit völlig unverhältnismäßigen Finanzierungskürzungen einher: „Die Zuschüsse des Landes NRW an die Studentenwerke sind in den vergangenen Jahren auf gerade noch 12 Prozent ihrer Einnahmen gesunken“, unterstreicht Timmermann. „Die NRW-Studentenwerke erhalten also immer weniger staatliche Unterstützung, sollen sich aber nun gravierende staatliche Eingriffe in ihre wirtschaftliche und finanzielle Autonomie gefallen lassen?“, fragt der DSW-Präsident.
Studierendenwerke empört: „HZG-Entwurf fallen lassen!“
Der Gesetzentwurf, der unter anderem zusätzliche Gremien zu den bereits bestehenden Verwaltungsräten vorsieht, impliziere darüber hinaus weit über die bislang übliche Rechtsaufsicht hinausgehende Eingriffs- und Kontrollrechte in die Wirtschaftsführung der Studierendenwerke. Die Kritik seitens ihres NRW-Sprechers ist vehement: „Keine einzige der geplanten Änderungen macht aus unserer Sicht Sinn“, sagt Günther Remmel. Dabei sei alles schon zur Genüge geregelt: „Die Verwaltungsräte als Aufsichtsgremien haben sich bewährt“, so Remmel. „Der Landesrechnungshof prüft die Studentenwerke; öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer kontrollieren die Wirtschaftspläne, die Jahresabschlüsse und die Geschäftsberichte – was will das Land NRW denn noch kontrollieren?“, zeigt sich der Studierendenwerkssprecher ratlos. „Das ist die Rückkehr der ministeriellen Fachaufsicht durch die Vordertür, das ist ein Rückschritt in die 1970er Jahre“ sowie „ein Verständnis von Studentenwerken als Behörden, das seit bald zwanzig Jahren von der Wirklichkeit überholt ist“, ereifert sich Remmel und fordert an der Seite von DSW-Präsident Timmermann die Landesregierung auf, den Gesetzentwurf fallen zu lassen und den Dialog mit den Studierendenwerken wiederaufzunehmen.
Düpierte Rektorate
„Enttäuscht“ zeigen sich in einer Stellungnahme der Landesrektorenkonferenz (LRK) NRW zudem die RektorInnen der nordrhein-westfälischen Unis vom HZG-Entwurf. „Nach einem über zweijährigen Diskussionsprozess mit der Landesregierung müssen die Universitäten nun feststellen, dass ihre konstruktive Mitarbeit keinerlei Niederschlag im Gesetzentwurf gefunden hat“, heißt es in der LRK-Stellungnahme. Kritisiert wird vor allem eine Tendenz zur Re-Regulierung der im Zuge des HFG weitgehend in die Freiheit entlassenen Hochschulen durch die Landesregierung. Diese besitze „bereits jetzt wirksame Steuerungsinstrumente, die ihr jederzeit erlauben, landesplanerische Aspekte durchzusetzen.“ Insbesondere wird eine Fristverlängerung bis Mitte Februar gefordert, um detailliert zu dem „äußerst komplex(en) und sehr umfangreich(en)“ Entwurf Stellung nehmen zu können. Innerhalb der bis zum 7. Januar gesetzten Frist, so die LRK, sei es nicht möglich, „alle Gremien und Gruppen bei der Erarbeitung einer Stellungnahme einzubeziehen und deren Mitwirkungsrechte sicherzustellen.“
AStA Duisburg-Essen „überrascht und erbost“
Auch die Studierendenschaften zeigen sich äußerst unzufrieden mit dem HZG-Entwurf. So bezeichnet etwa der AStA der Uni Duisburg-Essen die Vorlage als „Entmündigungspapier“, das „die Hochschulen schlechter stellt, als sie es vorher waren.“ Der Gesetzentwurf stelle einen massiven Eingriff in die Hochschulautonomie dar, ohne die weiterhin „leistungsabhängige“ Finanzierung der Hochschulen auf eine solide gesetzliche Basis zu stellen und prekäre Arbeitsverhältnisse abzuschaffen: Der Entwurf sei „ein Schritt zurück in eine enge staatliche Aufsicht“ – und dies „bei gleichbleibender Unterfinanzierung“. Der Wissenschaft sei damit „keinesfalls geholfen“ und es bedürfe eines völlig neuen Gesetzentwurfs, um den aktuellen wissenschaftlichen Problemen gerecht zu werden.
Ende der Selbstverwaltung?
Eine besondere Überraschung hält die ebenfalls im Zuge der HZG-Novelle geplante Änderung der Haushalts- und Wirtschaftsführungs-Verordnung (HWVO) der Studierendenschaften NRW bereit. So soll ein neuer Paragraph eingeführt werden, der eineN aus Mitteln der Studierendenschaften zu vergütenden BeauftragteN für den Haushalt vorsieht, welcheR bei sämtlichen Ausgaben künftig ein Vetorecht bekommen könnte. Dies hätte de facto das Ende der Selbstverwaltung der Verfassten Studierendenschaften zur Folge.
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Gespaltene Gefühle
Also bei den Studentenwerken muss eigentlich eine ganz andere Reform her. Die Studentenwerke müssen wieder viel mehr durch die Interessen der Studierenden gelenkt werden. Wohnheime sind teils teurer als auf dem Privatmarkt, dazu diese Wasserverschwendung. Es gibt krude Kooperationsverträge z.B. mit Coca-Cola, es werden überteuerte Produkte angeboten und die Fördermaßnahmen sind viel zu subventionslastig angelegt, statt möglichst vielen einen Benefit zu bieten wirkt selbst die Studentenwerkspolitik nach Elitenförderung.
Die Rektorate sind machtlos und werden wieder einmal vor vollendete Tatsachen gestellt. Vorher dürfen sie ihre Meinung sagen, damit sie demokratisch eingebunden waren und man von der Landesregierung behaupten kann, dass die Wünsche nicht machbar gewesen wären. Den Rektoraten sind politisch die Hände gebunden.
Bei der Studentischen Selbstverwaltung muss ich sagen, dass es schon Sinn macht eine mit den nötigen Gesetzen vertraute dauerhafte Aufsichtsperson geben sollte. Diese Person sollte aber eher gesetzlich-beratend und nicht leitend sein. Ich könnte sogar mit einem Beanstandungsrecht leben, dies würde nur dem rechtlichen Rahmen dienen und die Studierenden, die sich engagieren vor finanziellem Eigenschaden bewahren. Ein Vetorecht dagegen kann politisch ausgenutzt werden, so dass die StuPa-Wahl im Grunde nur noch ein Urnengrab darstellt.