Braucht die Welt noch einen Online-Sexshop? Fragt man die zwei Schweizer Andreas Stockburger und Marc Schlegel, dann offensichtlich schon. Denn wo Frauen in der U-Bahn „Fifty Shades of Grey“ lesen, da schlummert verborgenes Kapital. Und was in der Nachkriegszeit Beate Uhse gelang, wollen auch die beiden jungen Kreativen erreichen: Sexzubehör an die Frau und ihren Liebsten bringen.
Andreas Stockburger hat in seinem jungen Leben alles richtig gemacht: Einen M.A. in Business Innovation der renommierten Schweizer Uni St. Gallen, einen M.Sc. in Entrepreneurship and New Business Venturing der Rotterdam School of Management. Trotzdem bekomme ich kurzfristig spätabends einen Skype-Termin mit ihm, um die Werbetrommel für sein neustes Projekt zu rühren: Ein Online-Handbuch für Sexspielzeuge, die man dann natürlich auch gleich kaufen kann. Mit der Designerbrille, den gegelten Haaren, dem jung-dynamischen Auftreten sieht er auch aus, wie ich mir jemanden mit seinem Lebenslauf vorgestellt hätte. Wieso will ausgerechnet einer wie er in die Sex-Branche einsteigen?
Je grundlegender das Bedürfnis, desto wahrscheinlicher der Gewinn
Stockburger hat eine von diesen epischen Gründungsgeschichten im Gepäck: Eines feuchtfröhlichen Abends, ein Businessplan für die Uni war fällig, kam die Idee: Womit lässt es sich gut wochenlang mit Recherchieren aushalten und gleichzeitig den Prof nerven. Sexspielzeug? Ja, warum eigentlich nicht? Und die Vision ward geboren. Stockburger holte sich Schlegel ins Boot und die beiden setzten die Business-Segel. Ganz so aus einer Bierlaune heraus war der Plan aber dann doch nicht. Die Grundüberlegung folgt der Maslow’schen Bedürfnispyramide, wie mir Stockburger erklärt, als ich nachhake. Das Schaubild des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow besagt, dass menschliche Bedürfnisse und Motivationen hierarchisch strukturiert sind. Ganz unten stehen physiologische Bedürfnisse wie Essen, Trinken und eben auch Sex. Nahrungsmittel seien ihm zu langweilig gewesen und – vor allem – sei der Foodmarkt auch ausgereizt. Also Sex. Klar – sex sells und Sex-Zubehör dann wohl auch, so viel von Wirtschaft verstehe sogar ich. Aber dieses menschliche Grundbedürfnis sollte nicht an den Mann, sondern an die Frau gebracht werden. Und die kauft schließlich anders als Männer, wie ich erfahre.
Was Frauen wollen?
„Schaut man sich die meisten Seiten für Toys an, dann sind die nicht nur von Männern gemacht, sondern treffen einen auch eher männlichen Geschmack – nackte Brüste, gespreizte Beine, sehr explizit, mehr so Rotlichtmilieu-Ästhetik. Das spricht viele Frauen nicht an“, meint Stockburger. Stilvoll war hier das Zauberwort. Würde die Seite optisch Frauen ansprechen und nicht verschrecken, dann käme der Rest fast wie von selbst. Bevor es irgendetwas zu kaufen gab, wurden einzelne Entwürfe des Online-Auftrittes, teilweise nur aus einem Bild bestehend, an 200 Frauen zwecks Feedback vorgelegt und dann überarbeitet. Das Online-Lädchen vibraa.de ist nun in schwarz gehalten, statt eines Einkaufswagens gibt es eine „Handtasche“ und zu sehen ist eine junge Frau, die aus der Nivea-Werbung hätte sein können. Angeboten werden nicht „Sexspielzeuge“, sondern „Love Toys“. „Häufig sind es die Frauen, die Neues in die Beziehung bringen wollen, aber bis jetzt hatten sie nicht die Möglichkeit sich zu informieren.“ Das können sie jetzt mit dem angegliederten „Guide“ nachholen, der beispielsweise über Idee, Herkunft, Handhabung, Orgasmus-Vorteile und Material von Liebeskugeln, Penisringen und weiterem Spielzeug aufklärt. Das könne man doch auch einfach googeln, mäkle ich an der Idee herum. Stockburger lässt sich nicht beirren. Googeln bringe zwar tausende Treffer, aber die Informationen seien nicht benutzerinnenfreundlich, erklärt er mir. Zu verstreut, zu unzuverlässig, zu Sex-Shop-mäßig. Ich scheine meine Geschlechtsgenossinnen nur schlecht zu kennen.
„Wir sind schon richtige Kerle.“Meine Frage, ob ich hier ein seltenes Exemplar der Spezies Feminist vor mir sitzen habe, wehrt er entschieden ab: „Nein. Wir sind schon richtige Kerle.“ Feminismus sei für ihn auch eher Gleichmacherei, die alle unglücklich mache. „Wenn es dann nur noch Power-Frauen und Weicheier gibt, dann hat doch auch keiner was gewonnen.“ Entsprechend unberührt von feministischem Wissen bleibt ihr Business-Baby auch. Lesben sind in der Zielgruppe mit gemeint und Transfrauen wohl auch. Die Szene-Größe Laura Meritt und ihren on- und offline Laden Sexclusivitäten kennt er nicht. Auch other-nature.de, der „feministische, queere, sex-positive, umweltfreundliche und vegane Sexladen“ sagt ihm nichts. Ob die Schweizer wirklich besser wissen, was Frauen wollen? Ich bin skeptisch.
Erfahrt mehr unter vibraa.de.
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