Zwischen 1926 und 1951 drehte das us-amerikanische Komiker-Duo „Laurel und Hardy“ 106 Filme. Im deutschsprachigen Raum wurden Stan Laurel und Oliver Hardy unter der Bezeichnung „Dick und Doof“ bekannt. Dass man mit signifikanten körperlichen Merkmalen, (gemimt) eingeschränkter geistiger Leistungsfähigkeit sowie zahlreichen Klischees und Vorurteilen im Kino und Fernsehen richtig Kasse machen konnte und kann, ist eine historisch verbriefte Tatsache. Auch die amerikanische TV-Serie „The Big Bang Theory“ zeigt, dass es noch immer ganz normal zu sein scheint, sich öffentlich und medial auf Kosten anderer zu belustigen.
Sitzen drei promovierte Physiker, ein Ingenieur und eine Blondine am Mittagstisch und unterhalten sich – so oder so ähnlich könnte ein klassischer Blondinen-Witz anfangen. Bei diesem Szenario handelt es sich jedoch nicht um einen Witz, sondern vielmehr um die äußerst beliebte Fernsehserie „The Big Bang Theory“. Die Ideengeber der Serie, Chuck Lorre und Bill Prady, fanden es ganz witzig, mit „The Big Bang Theory“ ein soziales Experiment zu wagen. Die vier jungen Männer, die allesamt an einer kalifornischen Universität arbeiten und forschen, sind klassische „Nerds“. Sie gehören der Subkultur „überaus intelligenter“, „sozial inkompetenter“ und „computeraffiner“ (Duden) Stubenhocker an. Im Deutschen könnte man sie auch als „Fachidioten“, „Langweiler“, „Sonderlinge“ oder „Streber“ bezeichnen. Die extrovertierte Frau am Tisch arbeitet als Kellnerin in einem Restaurant und plant Schauspielerin zu werden – bisher blieben ihre Bemühungen jedoch erfolglos. Sie verkörpert all das, was die vier „Nerds“ nicht sind. Sie ist naiv, hat (viele) Beziehungen und verlässt sich mehr auf ihr Bauchgefühl als auf logische Entscheidungen und Überlegungen. Zudem kommt sie aus Nebraska, „der amerikanischen Provinz“, wo man sich keine Gedanken um die „große Wissenschaft“ oder die vermeintlich wichtigen Dinge des Lebens macht.
Auf dem Rücken der anderen
Was „The Big Bang Theory“ für viele ZuschauerInnen interessant werden lässt, ist keine innovative Erfindung amerikanischer Filme- und SerienmacherInnen. Die Idee, eine Gruppe stereotyper Persönlichkeiten miteinander zu mischen und zu schauen was passiert, hat sich in der Vergangenheit mehrfach bewährt. Fast alle US-Serien (in diesem speziellen Fall Sitcoms) folgen einem ähnlichen Aufbau und einer vergleichbaren Charakterauswahl. Bereits in den 90er Jahren schaffte es die US-Sitcom „Alle unter einem Dach“ mit der Figur des tollpatschigen Steven Urkel, der zumeist Hochwasserhosen und eine Hornbrille trug, über zehn Jahre (und neun Staffeln) im Fernsehen präsent zu bleiben. Es folgten weitere Serien (z.B. Community, Freaks and Geeks oder The IT-Crowd) in denen vermeintliche „Sonderlinge“ als mediales Zugpferd dienen sollten. Format um Format wurden Randgruppen, ganze Subkulturen und als andersartig Deklarierte durch Filme und Serien stigmatisiert und veralbert. An dieser einfachen Methode, Menschen auf Kosten anderer zu unterhalten, hat sich bis heute nichts geändert.
Das Interesse am Sonderbaren
Was die fünf Protagonisten aus „The Big Bang Theory“ miteinander verbindet und sie zu Freunden werden lässt, ist das Interesse am „Sonderbaren“. Es ist dasselbe Interesse, das jede Woche Millionen von ZuschauerInnen vor die Bildschirme lockt. Die Mischung aus Missverständnissen, Vorurteilen und Klischees hat Potential. Schließlich ist es doch lustig und unterhaltsam der exotischen Gruppe dabei zuzusehen, wie sie an ganz alltäglichen sozialen Situationen scheitert und diese dann doch, zumindest manchmal, meistert. Das dachten sich vermutlich auch die MacherInnen und ProduzentInnen der Serie. Woran sie nicht gedacht haben, ist dass solche fiktiven Darstellungen nicht nur unterhaltsam und witzig sind – sie können auch Vorurteile und Ausgrenzung fördern und Menschenbilder mitprägen. Schließlich sind es nicht nur die „Nerds“, die in der Serie überzeichnet dargestellt werden – auch die Kellnerin findet sich in einem Sumpf aus Vorurteilen und Klischees wieder. Würde man mit den Figuren über ihre Witze und Schwächen lachen, wäre das tatsächlich unterhaltsam – lacht man jedoch über sie, wie es vermutlich auf den meisten Sofas der Fall ist, ist das nur noch bedauerlich.
Die amerikanische Fernsehserie „The Big Bang Theory“ zählt zu den erfolgreichsten Serien im US-Fernsehen. Auch in Deutschland erfreut sich das Format äußerster Beliebtheit. Seit dem 27. September 2012 strahlt der amerikanische Fernsehsender CBS die sechste Staffel von „The Big Bang Theory“ aus. Nach Angaben der Website „Quotenmeter.de“ sahen diese Staffel im Durchschnitt bisher 16,7 Millionen US-ZuschauerInnen – 2012 waren es durchschnittlich 15,82 Millionen ZuschauerInnen. Auch in Deutschland kann sich das Serienformat nicht über rückläufige Zuschauerzahlen beschweren. Seit dem 28. Januar 2013 flimmert die Sendung jeden Montag über die deutschen Bildschirme. Im Schnitt konnte Pro7 mit den ersten zwölf Folgen der sechsten Staffel 2,10 Millionen ZuschauerInnen erreichen.
5 comments
Reply
You must be logged in to post a comment.
Proud to be a geek
Als erstes: Ich bin selber ein Geek (lassen wir das N-Wort, und ersetzen es durch „Geek“, das gefällt mir besser, aber im Grunde genommen bezeichnet es dieselbe Lebenseinstellung). Ich schaue mir zwar „Big Bang Theory“ nicht an, was aber hauptsächlich an meinem geringen Fernsehkonsum liegt, nicht daran, dass mir die Sendung nicht gefällt (ich habe mir vielleicht drei Folgen angesehen, war ganz nett, aber das ganze Konzept einer Fernsehserie ist einfach nicht mein Ding). Von den Geeks aus meinem Bekanntenkreis, mit denen ich über diese Serie gesprochen habe, hat keiner ein Problem mit der überzogenen Darstellung von Geeks. In der Tat ist es genau das, was den Reiz der Serie ausmacht. Im Endeffekt sind nämlich Geeks nur ganz normale Menschen, die ein paar von der Norm abweichende Hobbys, Verhaltensweisen und Weltansichten haben. Das Spektrum der Geeks ist breit, und wenn man nicht die Essenz des Geek-seins in wenigen Charaktern konzentriert, kriegt man wohl kaum einen nennenswerten Plot zusammen.
Ich würde behaupten, kaum einer von uns fühlt sich beleidigt. Es mag Geeks geben, denen die Serie nicht gefällt (das halte ich sogar für sehr wahrscheinlich, Geeks sind eine sehr heterogene Gruppe), aber ich kennen niemanden, der als Geek wegen „Big Bang Theory“ beleidigt ist (ich habe, wie gesagt, die Serie kaum gesehen, aber kommen wir Geeks nicht sogar recht gut dabei weg? Ich meine, im Verhältnis zu manch anderer Darstellung von Geeks?).
Abgesehen davon sind die Charaktere von „Big Bang Theory“ rein fiktive Personen, die von Schauspielern gespielt werden. Im Gegensatz zu diesen ganzen scripted-reality-Sendungen, wo reale Personen in aller Öffentlichkeit bloßgestellt werden.
Ich bin ein Geek, ich habe keine Probleme mit „Big Bang Theory“ und am 25. Mai trage ich den ganzen Tag ein Handtuch mit mir herum.
Geeks und Nerds
Ich persönlich würde mich auch eher als „Geek“ bezeichnen. Ob man nun die Bezeichnung „Geek“ oder „Nerd“ verwendet, soll jedeR selbst entscheiden – zu diesem Thema gibt es ja zahlreiche Diskussionen. Nur weil ich diesen Beitrag geschrieben habe bedeutet das nicht, dass ich wegen „The Big Bang Theory“ beleidigt bin/wäre. Mir ging es um die „Stereotypisierungen“ und die überzeichneten Charaktere in dieser Serie. Sicherlich kann man bei fast jeder Serie mit dem erhobenen Zeigefinger argumentieren. Hier, bei „The Big Bang Theory“, sind die Klischees und visualisierten Vorurteile jedoch so omnipräsent (meine Meinung), dass man ruhig mal darauf hinweisen kann. Dazu ist tatsächlich kein „großes Stück Journalismus“ notwendig ;). Sofern eine gute Diskussion angeregt wird, ist auch ein „kleines Stück Journalismus“ vollkommen ausreichend.
Auf ARTE lief vor einiger Zeit (bereits mehrfach) die Dokumentation „NERD Alarm!“ (http://www.arte.tv/de/nerd-alarm-von-gamern-geeks-und-grossen-brillen/6578764.html)… über den Titel der Doku brauchen wir an dieser Stelle nicht zu reden ;). In der Doku kam auch eine Frau zu Wort, die sich zwar nicht abfällig über die Serie (The Big Bang Theory) äußerte, jedoch die mögliche Wirkung des Formats bemängelte (meine Rede). Die Dokumentation kann man sich ruhig mal ansehen, wenn man sich für das Thema interessiert.
Alles Gute, Christian (ck)// Redakteur/Autor
Ein
großes Stück Journalismus.
Falls
mein Kommentar nicht veröffentlicht wird, ist das Zensur!
Manchmal dauert es einige
Manchmal dauert es einige Tage, bis ein Mitglied der Redaktion die Zeit findet, die Kommentare freizuschalten. Von Zensur kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein!
LG,
Clara//Redaktion