Seit Jahren diskutiert die Computerspiele-Branche, ob klassische Einzelspieler-Titel noch konkurrenzfähig sind. Analysten, Entwickler und Publisher führen immer wieder „sinkende Verkaufszahlen“ und unzureichende „Anreizmodelle“ als argumentativen Beleg für diese Behauptung ins Feld. Doch stimmt das? Liegt der „Singleplayer“ tatsächlich im Sterben oder ist er bereits tot?
Meine „Spielerkarriere“ begann vor ungefähr zwanzig Jahren mit einem Amiga 500. Damals waren klassische „Adventure-Games“ der Renner auf dem Schulhof. Man spielte sie alleine oder mit FreundInnen, die sich um den Monitor scharten und einem beim Spielen zusahen. Gerne erinnere ich mich an Guy-brush Threepwood, den Protagonisten der „Monkey Island“-Reihe oder an den grünen Tentakel aus „Maniac Mansion“ und „Day of the Tentacle“. Auch die Indiana Jones Adaptionen „Indiana Jones and the Last Crusade“ und „The Fate of Atlantis” waren für mich und viele computeraffine SpielerInnen ein beliebter Zeitvertreib (alle genannten Titel stammen von LucasArts). Bereits in den 90er Jahren ließ sich in der kurzlebigen Unterhaltungssoftware-Branche ein omnipräsenter Wandel feststellen. Routinierte und erfolgreiche Entwickler wie „LucasArts“ (R.I.P.) änderten ihr Geschäftsmodell und beschränkten sich auf den Vertrieb und Verkauf von Lizenzen. Publisher wie „Electronic Arts“ entwickelten sich, dicht gefolgt von anderen Branchengrößen wie „Activision“ (heute: Activision Blizzard), zum globalen Marktführer im Bereich der Unterhaltungssoftware. Was in den 80er und 90er Jahren seinen Anfang nahm, ist heute zu einer ernstzunehmenden Industrie, der Spieleindustrie, herangewachsen. Allein 2011 stieg der Umsatz mit PC-, Konsolen-, Handheld- und Mobile-Games sowie den Einnahmen aus Online- und Browser-Geschäftsmodellen in Deutschland um 3,5 Prozent auf 1,99 Milliarden Euro. Schlecht geht es der Branche also nicht.
Er ist tot Jim… Oder doch nicht?
Wenn es darum geht, Computer- und Videospiele zu kategorisieren, lässt sich dieses Verfahren am einfachsten mit dem der Ratingagenturen vergleichen. Einem Spiel mit hohen wirtschaftlichen Erfolgschancen und einem üppigen Produktionsbudget wird in der Regel das Triple-A (AAA) Siegel verliehen. Nebst diesen „Spitzentiteln“ gibt es hinsichtlich der Qualität, der Kosten und der möglichen Einnahmen, wie beispielsweise beim Film, viel Raum nach unten. Im Oktober 2012 behauptete Rob Pardo (Lead Designer von World of Warcraft) gegenüber der Website „gamesindustry international“, dass Singleplayer-Titel in den kommenden Jahren aussterben würden. Hauptverantwortlich hierfür seien nach seiner Ansicht die Piraterie im digitalen Raum und die Möglichkeit, Spiele auszuleihen. Pete Hines, Vize-Präsident von Bethesda, sieht dies anders. In einem aktuellen Interview mit der Website „destructiod“ äußerte Hines, dass man bei Bethesda seit über 25 Jahren Einzelspieler-Titel (mit AAA-Status) entwickele und diese Spiele noch immer von Menschen gekauft würden. Daran werde sich nach seiner Einschätzung auch weiterhin nichts ändern.
Dies sind nur zwei Statements namhafter Branchenvertreter. Fakt ist, dass sich die Ansichten über die Zukunft von AAA-Singleplayer-Titeln scheiden. Zurückzuführen ist die geteilte Meinung weniger auf die sinkenden Verkaufszahlen dieser bestimmten Titel – vielmehr determiniert das Unternehmensprofil, welche Position die einzelnen Publisher und Entwickler vertreten. Es ist zu beobachten, dass gerade Publisher und Entwickler, die ihre Umsätze hauptsächlich im Bereich von Mehrspieler- und kooperativen Spielen erzielen, den Tod des Singleplayers heraufbeschwören. Wenig überraschend, dass das andere Lager sich gegenteilig positioniert. Nebst dieser Lagerbildung, den zahlreichen Anfeindungen und den unterschiedlichen Ansichten lässt sich auch beobachten, dass erstklassige Singleplayer-Titel immer öfter mit einem miserablen und qualitativ unzureichenden Mehrspieler-Part versehen werden, um den Anschein eines Multiplayer-Titels zu erwecken. Ob diese Strategie der richtige Weg ist, die Daseinsberechtigung von eigentlichen Singleplayer-Titeln auch in Zukunft zu sichern, ist fraglich.
:bsz Faktenbox
Computer- und Videospiele sind zu einem festen Bestandteil vieler technisierter Gesellschaften geworden und haben die Kultur und die Identität ganzer Generationen mitgeprägt. Der „Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BUI)“ kommt in seinem Games-Report 2012 zu dem Schluss, dass etwa 25 Millionen Deutsche, darunter rund 11 Millionen Frauen, regelmäßig Computer- und Videospiele spielen. Im Durchschnitt ist der/die deutsche „GamerIn“ rund 32 Jahre alt. Gespielt wird hauptsächlich in Familien mit Kindern und Jugendlichen (auf 47 Prozent der untersuchten Haushalte trifft dies zu).Den Games-Report 2012 findet Ihr im Internet unter:
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