Es klingt wie ein verfrühter Aprilscherz: In seiner letzten Sitzung des Wintersemesters beschloss der Fakultätsrat der Fakultät für Philologie der Ruhr-Uni die Absetzung des bundesweit einmaligen Master-Studiengangs Sprachlehrforschung (SLF). Dieser Beschluss erfolgte trotz ausgezeichneter internationaler Reputation des Faches sowie einer für Geisteswissenschaften bemerkenswert hohen jährlichen Einwerbung von ‚Drittmitteln‘ zu Forschungszwecken. Grund für den Einstellungsbeschluss seien von der Hochschulleitung an die Fakultäten weitergegebene Sparzwänge, um das aktuelle Haushaltsdefizit (die :bsz berichtete) zu kompensieren – allein die Fakultät für Philologie soll 533.000 Euro einsparen. Dennoch bleibt die Hoffnung, dass das Rektorat seine Zustimmung zur Einstellung der SLF verweigert. Zudem gilt es zu prüfen, ob der Beschluss überhaupt Bestand haben kann: Offensichtlich hat die Fakultät im Vorfeld des Einstellungsbeschlusses des an keinem anderen Hochschulstandort vorgehaltenen Bildungsangebots nicht einmal Rücksprache mit dem Wissenschaftsministerium NRW gehalten.
Die Zahlen sprechen für sich: Mit derzeit etwa 185 Master-Studierenden sowie 30 eingeschriebenen Promotionsstudierenden steht die Sprachlehrforschung in Relation zu vielen anderen vergleichbaren Bildungsgängen in der Fakultät für Philologie gut da. Bei Projekten, die durch nicht aus dem Etat der Hochschule oder des Landes NRW stammende Drittmittel gefördert werden, liegt die Sprachlehrforschung ebenfalls ganz weit vorn: So unterstützten der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und das Auswärtige Amt den Aufbau der Deutschabteilung in Kabul, den die Bochumer Sprachlehrforschung maßgeblich gestaltete, 2012 mit ca. 260.000 Euro – für 2013 wurde bereits eine Anschlussfinanzierung in Höhe von 220.000 Euro bewilligt. Hinzu kommen viele weitere geförderte Kooperationsprojekte – etwa bei der Gestaltung des Master-Studiengangs Deutsch als Fremdsprache (DaF) an der German-Jordanian University in Amman oder mit dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Universität Berlin (jeweils seit 2005). Zu den Kooperationspartnern der Bochumer SLF zählen darüber hinaus Universitäten in Algier, Assis (Brasilien), Montreal, Oviedo, Rom, Salerno, Toulouse und Toronto.
SLF: Fakultät bricht Zusagen
Obwohl der ‚erweiterte‘ Fakultätsrat in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2012 beschlossen habe, konkrete Kriterien und Indikatoren für Einsparungsmaßnahmen an der Fakultät für Philologie zu entwickeln, sei dies im Vorfeld des Einstellungsbeschlusses nicht geschehen, heißt es in einem der :bsz-Redaktion vorliegenden Papier der Institutsleiterin, Professor Karin Kleppin. „Es wurde nicht kriterienorientiert entschieden, sondern aus strukturellen Erwägungen“, so Karin Kleppin. Offensichtlich stehe der Fakultät für Philologie das Wasser angesichts der von der Hochschulleitung an die Fakultäten weitergegebenen „finanziellen Engpässe“ bis zum Hals. Den aktuell auf Fakultätsebene diskutierten Vorschlag, den Master-Studiengang Sprachlehrforschung durch einen gebührenpflichtigen „weiterbildenden Studiengang“ zu ersetzen, lehnt die Institutsleiterin ab: „Ohne eine wissenschaftliche Anbindung wäre das Unsinn.“ Karin Kleppin bekennt sich zudem eindeutig zur Maßgabe der Gebührenfreiheit des Studiums: „Ich möchte den nicht kostenpflichtigen Master behalten.“ Auch das Ansinnen der Fakultät, die der SLF bislang zugeflossenen Drittmittel für eingeworbene Projekte auch bei einer Einstellung des Master-Studiengangs weiterhin zu behalten, sorgt für Irritationen: „Das wäre Betrug“, lässt Professor Kleppin keinen Zweifel.
Studierende enttäuscht
Auch aus Studierendensicht ist der Beschluss in keiner Weise nachvollziehbar: „Wir sind erschüttert über das Ergebnis und verstehen nicht, warum ein so einzigartiges und erfolgreiches Institut aufgelöst werden soll“, sagt Anna Wieclawski vom Fachschaftsrat Sprachlehrforschung. Der Dekan der Fakultät für Philologie, der Linguistik-Professor Ralf Klabunde, befindet sich derweil auf einer Auslandsreise in den USA und hat bislang auf Nachfragen der :bsz vom 27. März auch per Mail nicht reagiert. Eine Klärung der Rechtslage, inwiefern die nach derzeitigem Informationsstand unterbliebene Rückkopplung des Einstellungsbeschlusses des bundesweit einmaligen Studiengangs ans Wissenschaftsministerium den Fakultätsratsbeschluss eventuell nachträglich aushebeln könnte, steht derzeit ebenfalls noch aus. Derweil hagelt es Solidaritäts-und Unterstützerschreiben aus Fachkreisen: Nicht nur FremdsprachendidaktikerInnen aus dem In- und Ausland, sondern auch das Goethe-Institut, der DAAD sowie das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen setzen sich nachdrücklich für einen Erhalt der Sprachlehrforschung in Bochum ein. Nun ist das Rektorat am Zug, das nun alles versuchen dürfte, eine Zerschlagung international renommierter Kooperationen und den damit verbundenen Image-Verlust der Ruhr-Universität abzuwenden.
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