Bild: Prostitution im Straßenbild: Hier der Dortmunder Straßenstrich im Jahr 2006., Dortmund: Ausweitung des Sperrbezirks aufs gesamte Stadtgebiet unrechtmäßig Foto: wikimedia / Schweiss (CC-BY-SA v3.0)

Hochgelobt und oft kopiert worden war es einst, das „Dortmunder Modell“. Mit Unterstützung der Stadt war im Jahr 2000 der Straßenstrich an der Ravensberger Straße eingerichtet worden, inklusive der mit Alarmknöpfen ausgestatteten, sogenannten „Verrichtungsboxen“ und Beratungsangeboten für die Sexarbeiterinnen. Auch das Prostitutionsgesetz von 2002 half den Frauen, auf legalem und möglichst sicherem Wege ihrem Beruf nachzugehen. Doch dann änderte sich die Situation: Prostituierte aus Osteuropa wanderten ein und die Zahl der Sexarbeiterinnen vervielfachte sich, so die Stadt Dortmund. Es wurde unübersichtlich. AnwohnerInnen beschwerten sich und von einer „Gefahr für Kinder und Jugendliche“ und des „öffentlichen Anstands“ war die Rede. Die Stadt zog, unterstützt von der Bezirksregierung Arnsberg, eine drastische Konsequenz: Im Jahr 2011 schloss die Stadt nicht nur den Straßenstrich, sondern erklärte das gesamte Stadtgebiet zum Sperrbezirk. Nun hat eine der Sexarbeiterinnen geklagt – und Recht bekommen.

Dany K. hat mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 21. März einen Teilerfolg erringen können. Sie hatte die Ausweitung des Sperrgebiets auf das gesamte Dortmunder Stadtgebiet als diskriminierend beklagt, konnte sie in der Folge ihrem Beruf doch nur noch außerhalb von Dortmund oder aber illegal nachgehen. Das Gericht hatte nun zu prüfen, ob Prostitution tatsächlich eine Gefahr für Jugend und öffentlichen Anstand darstelle und entschied: ja, aber eben nur an den Orten, wo dies bereits bekannt geworden sei. Deshalb gleich eine gesamte Stadt großflächig zum Sperrbezirk zu erklären, sei hingegen nicht rechtens. Auch rügte das Gericht mit seiner Entscheidung die Stadtverwaltung, man habe nicht ausreichend nach möglichen Alternativstandorten für einen Straßenstrich gesucht und mögliche Orte geprüft. Es sei „nicht vertretbar, dass Straßenprostitution in keinem Bereich möglich ist“, so die Richter, denn „Straßenprostitution wird sich immer an öffentlichen Straßen abspielen; das ist nicht ausreichend für ein Verbot.“ Die Stadt argumentierte, es sei von einer abstrakten Gefahr auszugehen, wenn sich soziale Einrichtungen in der Nähe befänden. Dies ließ das Gericht allerdings nicht gelten und schloss eine Berufung aus. Gegen diese Entscheidung kann die Stadt jedoch noch vorgehen.

Unterschiedliche Reaktionen

So weit die Meinungen zum Thema Prostitution auseinander gehen, so unterschiedlich waren auch die Reaktionen auf das Urteil. Das Dortmunder Ratsmitglied Florian Meyer (SPD) äußerte sich in einer Pressemitteilung enttäuscht: „Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der keine Prostitution stattfindet. Prostitution ist menschenverachtend und eine moderne Form der Sklaverei. Dortmund braucht keinen Straßenstrich. Weder im Norden, in den Industriegebieten, noch sonstwo.” Der Kreisverband der CDU reagierte ähnlich: Kreisvorsitzender Steffen Kanitz monierte: „Wenn man das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen ernst nimmt, muss es der Stadt Dortmund auch möglich sein, die Bürger vor Straßenprostitution und deren Folgen zu schützen […]. Niemand kann uns als Stadt zwingen, einen Straßenstrich einzurichten.“
Doch genau das lässt das Urteil vermuten. Katja Bender, Sprecherin des OV Innenstadt Nord und Kandidatin für den Bundestag, ließ vor dem Prozess verlauten: „Es ist doch klar, dass jede Form von Gewalt gegen Frauen zutiefst abgelehnt und bekämpft werden muss. In dem […] Prozess geht es stattdessen um die Frage, ob und inwieweit Frauen einen frei gewählten Beruf ausüben können oder nicht.“ Die Deutsche AIDS-Hilfe und die Frankfurter Prostituierten-Organisation Doña Carmen e.V. begrüßten die Entscheidung des Gerichts. Der Verein nannte das Urteil einen „kräftigen Dämpfer für die repressive Politik gegenüber Prostitution hierzulande“. Für alle Betroffenen bleibt zu hoffen, dass die Stadt Dortmund die vom Gericht angemahnte Suche nach einem geeigneten Ort verantwortungsbewusst umsetzen wird.

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