Sie ist international profiliert, ökonomisch effizient und dennoch von baldiger Schließung bedroht: die Sprachlehrforschung an der Ruhr-Universität. Angesichts des aktuellen 9,2-Millionen-Defizits im Uni-Haushalt und der Direktive der Hochschulleitung, rund 180 Stellen einsparen zu wollen (die :bsz berichtete), wird an der Fakultät für Philologie die Einstellung dieses bundesweit einmaligen Studiengangs erwogen. Nicht nur die betroffenen Lehrenden und Studierenden sind fassungslos und fordern ein sofortiges Ende der unseligen Debatte.
120 Studierende sind derzeit für den auch international renommierten Master-Studiengang der Sprachlehrforschung (SLF) an der RUB eingeschrieben – DoktorandInnen sowie StipendiatInnen, die aus der Kooperation mit der German Jordanian University und der Universität Kabul in Bochum studieren, sind dabei nicht mit eingerechnet. Die Zahl der Neueinschreibungen ist solide und bleibt mit jährlich 45 bis 50 stabil – wenngleich gemessen an der prekären Personallage nur etwa 35 Einschreibungen stattfinden müssten. Und das Institut für SLF an der RUB leistet eine ganze Menge: Es handelt sich hierbei um eine eigenständige Grundlagendisziplin für alle Formen des Lehrens, Lernens und Erwerbens von modernen Fremdsprachen und um die einzige Institution an deutschen Universitäten, wo eine systematische Professionalisierung für Fremdsprachenlehre im tertiären und quartären Bildungsbereich (Hochschulen und Weiterbildung) stattfindet. Somit ist die Sprachlehrforschung in Bochum unverzichtbar.
Ökonomische Effizienz egal?
Trotz der relativ kleinen Institutsgröße ist die Zahl bewilligter Drittmittelprojekte hoch und lag 2012 insgesamt bei rund 255.000 Euro. Gefördert werden unter anderem politisch-kulturell wichtige Projekte wie der Aufbau der Deutschabteilung in Kabul und des Master-Studiums „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF) an der deutschen Universität von Jordanien sowie hierzulande die Entwicklung und Überprüfung von Bildungsstandards in Kooperation mit dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in Berlin. Die hierfür bewilligten Fördermittel übersteigen sogar die Kosten des Instituts für die Ruhr-Uni und das damit verbundene ‚Einsparpotential‘ von 200.000 Euro.
Bedrohungslage real
Dennoch wurde seitens des Dekanats der Fakultät für Philologie auf der letzten Sitzung des Fakultätsrats am 24. Oktober der Vorschlag einer eventuellen Schließung des Studiengangs eingebracht. „Der Grundtenor im Fakultätsrat ist jedoch überwiegend solidarisch“, sagt Rike Müller, Sprecherin der Studierendenfraktion. „Jetzt muss es darum gehen, eine ergebnisoffene Strukturdebatte zu führen und dabei klarzumachen, dass Fächerschließungen keine akzeptable Option sind“, so Rike Müller weiter. Trotz der großen Solidarität innerhalb der Fakultät hält die Institutsleiterin, Prof. Dr. Karin Kleppin, ein solches Schließungsszenario keineswegs für abwegig: „Die Bedrohung ist realistisch, da kleine Fächer bei solchen Entscheidungen immer stärker gefährdet sind, sofern die Diskussion losgelöst von inhaltlichen Kriterien geführt wird“, sagt Karin Kleppin auf Nachfrage der :bsz.
Sprachlehrforschung unverzichtbar!
Auch innerhalb der Uni hätte eine Abwicklung angesichts der starken fakultätsinternen und -externen Vernetzung des Instituts fatale Folgen: „Für die RUB ist die Sprachlehrforschung insofern eine Bereicherung, als dass viele Institute mit ihr zusammenhängen und mit ihr kooperieren – schauen wir allein schon auf das ZFA“, betont Fachschaftsmitglied Anna Wieclawski. Das seit 2006 aufgebaute Zentrum für Fremdsprachenausbildung (ZFA) ist eine zentrale Institution an der RUB: „Die Sprachkurse werden stark im Optionalbereich nachgefragt, es werden viele fach- und berufsorientierte Sprachkurse angeboten, zum Beispiel Wirtschaftsenglisch, Rechtsfranzösisch sowie diverse Fachsprachenkurse“, erläutert Anna Wieclawski. Auch für den DaF-Bereich hat die Sprachlehrforschung eine besondere Bedeutung. Das Institut kooperiert u.a. mit dem TestDaF-Institut, das weltweit für den sprachlichen Zugangstest für ein Studium in Deutschland zuständig ist.
Breite Solidarität
Mittlerweile weist auch die HochschulrektorInnenkonferenz (HRK) darauf hin, dass eine qualitativ hochwertige Ausbildung in mehreren Fremdsprachen im Fokus der Hochschulen stehen sollte. Warum soll dann gerade ein Fach geschlossen werden, das sich mit diesen anwendungsbezogenen und gesellschaftlich relevanten Fragestellungen beschäftigt? Das sieht auch die FachschaftsvertreterInnenkonferenz (FSVK) so und untermauert dies aktuell mit einer Solidaritätserklärung für die Sprachlehrforschung. Anna Wieclawski und der gesamte Fachschaftsrat sind überzeugt: „Die unselige Schließungsdebatte muss unverzüglich beendet werden!“
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