„Dafür sollte man sich die Ausbildung gönnen“

Er sieht aus wie Nirvanas Kurt Cobain, bearbeitet die Violine aber höchst einfühlsam. Der gebürtige Aachener und Wahl-New-Yorker David Garrett hat sich in den letzten Jahren zu einer Art „Popstar” an der Geige entwickelt.

In vielen asiatischen Ländern rangiert sein aktuelles Crossover-Album „Virtuoso” ganz oben in den Charts. Mit der bsz sprach der 25-Jährige über Möglichkeiten der Klassik zwischen Mozart und Morriocone.

bsz: Sie kommen gerade von einer großen Promotion-Tour in Asien zurück – dort sind Sie die Nummer Eins in den Charts. Wie fühlt man sich als Superstar?

David Garrett: (lacht) Gar nicht. Ich habe nicht viel von dem Hype mitbekommen, der in China oder Japan von mir gemacht wurde. Meistens wurde ich erst richtig erfolgreich, nachdem ich Konzerte in den jeweiligen Ländern gespielt hatte. Der ganze Boom kam erst, als ich schon weitergezogen war. Wobei es mich natürlich schon ein bisschen stolz macht…

Nach längerer Zeit kommen Sie nun wieder nach Deutschland. Kommen da „Heimatgefühle“ auf?

Ja und Nein. Heimat ist ein schwieriger Begriff. New York ist das eigentlich inzwischen. Dort bin ich musikalisch und persönlich gereift, es ist meine Lieblingsstadt. Aber klar ist es auch immer wieder toll, nach Deutschland zurück zu kehren, wo mich immer noch viele Leute kennen. Im Konzert in Dortmund etwa waren vor einiger Zeit viele meiner alten Weggefährten. Mit denen habe ich immer noch regelmäßigen Mailkontakt.

Ihnen werden immer wieder außergewöhnliche Leistungen bescheinigt. Wie wichtig war dafür die hochkarätige Ausbildung bei Itzhak Pearlman an der Juillard-Schule?

Schwer zu sagen. Ich bin sehr früh angefangen, typischerweise in der Musikschule. Aber das war natürlich nicht sehr substanziell. Daher war es wichtig, dass ich die Musik lesen lernte. In New York habe ich die Regeln der Musik gelernt, die Musikgeschichte, das Komponieren und Dirigieren. Alles, was vorher intuitiv funktionieren musste, wurde dann auch theorethisch gefüllt. Dafür sollte man sich schon die vier Jahre Ausbildung gönnen.

Nachdem Sie vorher rein klassische Konzerte gaben, mischen Sie nun auf ihrem neuen Album die Stile. Ist das ihre Wendung zum Pop?

Nein, ich versuche weiterhin, jeden Komponisten so gut wie möglich zu vertreten. Auch wenn der James Hetfield heißt (Metallica-Frontmann, d.V.). Das ist schließlich die Aufgabe eines Interpreten. Aber diese Crossover-Geschichte gibt mir die Möglichkeit, auch eigene Sachen zu spielen, zu experimentieren. Trotzdem bleiben aber 90 Prozent meiner Konzerte klassisch.

Darf ein klassischer Musiker bei Stefan Raab spielen?

Ich hoffe, und ich freue mich, dass ich das durfte. Ich versuche, der klassischen Musik jede Möglichkeit zur öffentlichen Darstellung zu eröffnen. Sie hat es verdient.

 Ihre Plattenfirma bezeichnet Sie als „Beckham der Violine“, andere sehen in Ihnen eine Art männliche Vanessa Mae. Was trifft eher zu?

Wenn ich eins aussuchen muss, würde ich Beckham nehmen. Der überzeugt ja auf seinem Gebiet auch durch Leistung, nicht nur durch hübsches Aussehen. Mit Vanessa möchte ich mich ungern vergleichen. Die hat die klassische Musik komplett hinter sich gelassen. Das könnte ich nicht.

Was erwartet die Hörer auf ihrer nächsten Tour? Viel Crossover, wie auf dem neuen Album?

Klar, denn das möchte ich natürlich jetzt präsentieren. Meine Zuschauer brauchen zwar keinen Dresscode, aber ich bin weiterhin der Tradition nicht abgeneigt. Beethoven und Mozart werden bei mir nicht komisch, auch wenn ich sie nicht im Anzug spiele. Ich möchte ihnen nur neue Aspekte abverlangen.

Mozart trifft Morriocone?

Genau, so könnte man es sagen. Das gefällt mir.

Das Interview führte bp
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