Dann kommt Ruhe und Glück

Der Autor Goethe versah den Sechsakter sowohl mit unterhaltenden als auch mit kritischen Elementen, die sich wie folgt begründen: Als Hofdichter des Herzogs Carl August in Weimar wurde der „Triumph der Empfindsamkeit“ zum Geburtstag der Fürstin in der Faschingszeit des Jahres 1778 erstmalig inszeniert.

Die Kulisse des karnevalistischen Hofes bot Goethe Gelegenheit amüsante Anspielungen und Narreteien auf Kosten der höfischen Gesellschaft zu integrieren.
Gleichzeitig komplettierte er die, nach eigener Aussage, „komische Oper“ um sich von dem verherrlichenden Kult um seinen Roman „Die Leiden des jungen Werthers“ etwa drei Jahre nach seiner Veröffentlichung zu distanzieren. Er personifizierte diese Satire auf die Epoche der Empfindsamkeit (1760-1780) mit Hilfe der Figur des Prinzen Oronaro. Im Stück zeigt sich dessen Sensibilität darin, dass er unfähig ist die Realität von Natur oder Menschen auszuhalten. Er lebt darum stets im Paradoxon einer künstlichen Natur und betet heimlich eine Puppe im Königinnengewand an. In gerade diesen Prinzen verliebt sich die Königin Mandandane, was ihren Gatten Andrason in eine Ehekrise stürzt und das Orakel befragen lässt. Mithilfe eines Komplottes der Hofdamen enträtselt der König den Zusammenhang zwischen der Weissagung und dem Geheimnis des Prinzen und vertauscht Fiktion und Realität. Er will seine Liebe bereits aufgeben als er vom Orakel zurückkehrt und die Täuschung bemerkt. Der Konflikt löst sich durch die wiederholte Hinwendung des Oronaro zur Puppe und Wiedervereinigung des Königspaares.
Jessing lässt die
Puppen tanzen
Was auf der bloßen Handlungsebene bereits kompliziert erscheint, gewinnt für die Zuschauer noch an Tiefe durch die Kritik an der Epoche der Empfindsamkeit. Es ist eine Kernaufgabe für Inszenierende, wie die Gruppe um Dr. Benedikt Jeßing, die karikierten Charaktere auf der Bühne für das Publikum lebendig werden zu lassen. Allen voran das prinzliche Dreigestirn: Was aus einer Notsituation entstanden war, was das Publikum mit besonderem Applaus belohnte satirische Komik: Einen sentimental verliebten Prinzen mit dem Charme eines vorgeführten Tanzbären, Fabian Bertelsmeier, seiner sehr guten „Stimme“ in Puppenfigur von Joachim Haupt und dem Diener Merkulo mit tuffigen Starallüren, gespielt von Christian Fischer. Sie verkörpern gelungen die Hauptabsicht des Stückes. In einigen Kernszenen zeigt sich die weitere Qualität der Umsetzung des Textes durch die Germanisten, wie der „literarischen Organtransplantation“ von Oronaros Puppe. Hier zeigen die Zofen Irma Schlothauer, Ann-Kathrin Quednau, Julika Vorberg, Annika Schmitz und Melanie Block die eigentliche Naivität der Lesenden der Empfindsamkeit durch ihre Kommentare („Die Leiden des jungen Werthers, ach, der Arme!“), aber auch ihre choralen Gesänge und Tänze überzeugen. Böswillige Kritiker könnten ihnen in einigen Anfangsdialogen Übertreibung vorwerfen, was jedoch Nervosität zurückgeführt werden kann. Kontrastierend dazu angenehm zurückhaltend das Königspaar Benjamin Ehrchen und Anna-Lena Hippert, welches sich mit bestechender Ernsthaftigkeit selbst vorführt. Er bringt das Publikum im Musischen Zentrum durch seine Balleteinlage zum Lachen, während sie in ihrem Monodrama erstaunliche Ausdruckskraft zeigt.
Das Schlusslied des Stückes fasst die Intention des Stückes als „Fratzengesicht“ gegen die Empfindsamkeit noch einmal zusammen. Die Gesänge und das Orchester untermalen an allen Stellen passend die Handlung und Intention. Die Euphorie der Studierenden schon vor Einlass war also gerechtfertigt und Dr. Benedikt Jeßing warb mit stolzgeschwellter Brust für seine Inszenierung: „Wer am Wochenende nicht im Musischen Zentrum war, der hat etwas verpasst.“ Für alle betrübten Studierenden: Im Frühjahr ist eine Wiederaufnahme geplant.

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