Das Fleisch ist willig,
aber der Geist ist schwach
Zwischen Tiefsinnigkeit und italienischen Schnulzen: Die Premiere des „Kaufmannes von Venedig“ im Theater Oberhausen brachte zwar einige angenehme Überraschungen, große Sensationen blieben jedoch aus. Das Publikum war dennoch angetan von Valentin Jekers letzter Inszenierung.
Eine Bühne ohne Vorhang, edle Ledersofas im Stil eines Rauchersalons zeigen sich den gespannten Premierengästen beim Betreten des nicht ganz ausverkauften großen Hauses. Sollte es trotz klassischer Beschreibung im Programmheft doch noch eine freiere, moderne Inszenierung werden? Sollte es nicht. Handwerklich solide drei Stunden Shakespeare erwarteten den Theaterbesucher, erfreulich über weite Strecken mit nur wenigen negativen Highlights.
Im Kontrast zu der Handlung des „Kaufmannes von Venedig“, in dem Selbstüberwindung zum Neuen und Angst vor dem Fremden zentrale Themen sind. Der Protagonist Antonio borgt sich beim Juden Shylock Geld um seinem Freund Bassanio die Heirat mit Porzia zu ermöglichen. Zurückzahlen kann er es allerdings nicht, was ihm fast zur Einlösung seiner Zinsen, einem Pfund Fleisch des eigenen Körpers, zwingt. Dieser Rahmen bietet Raum für zahlreiche Nebenstränge, wie das Rätsel um Porzias Heiratsbedingungen und die Flucht von Jessika und Lorenzo aus ihrem väterlichen Haus.
Genial oder
beschissen?
Bühnenbildnerin Beatrix von Pilgrim schaffte es, mit einer zweistufigen Bühne dem Schauplatz von Porzias Hof außerhalb und jene Szenen innerhalb Venedigs intelligent abzugrenzen und zu betonen. Die Schlichtheit erlaubt es dem Zuschauer sich auf die Handlung und die Schauspieler zu konzentrieren. In diesem Umfeld fällt die Haupthandlung in vielen Teilen leider zu langatmig aus, wobei die Kernszenen des Vertragsabschlusses und der Gerichtsverhandlung tiefsinnig und sorgsam gestaltet wurden. In diesen Momenten werden die einzelnen Positionen und Zwiespälte der Charaktere ersichtlich und schaffen Gegenwartsbezüge. Jeff Zach spielt das Bild des Judens überzeugend, schlägt eine Brücke die Empathie ermöglicht und Starrsinn aufzeigt. In seinen Nebenrollen als Salarino/Paolo und Prinz von Marokko erweckt Georg Lippert die Frage nach Genialität oder Dämlichkeit, was eine Auszeichnung sein könnte. Er ist zusammen mit dem aufbrausenden, witzigen Graziano, Michael Witte, einer der Lichtblicke dieser Szenen.
Sinnlos geschmacklos
Ein Stockwerk höher, nicht räumlich, sondern auch in Sachen Inszenierung und Schauspiel befindet sich die Liebesgeschichte von Porzia und Bassanio. An ein Rätsel gebunden stellt Shakespeare wieder einmal die Frage nach den Kriterien wahrer Liebe in Form eines Rätsels, was Valentin Jeker viel Raum für amüsante und nachdenkliche Momente gab. Jeder Sprung von Venedig an Porzias Hof bedeutet einen Zuwachs an Spannung und Unterhaltungswert für die Zuschauer, aber auch als die wunderbaren Franziskas Werner und Franziska Weber sich in Hosenrollen in die Gerichtsverhandlungen einmischen, gewinnt diese an Wert. Jessikas, Webers, Liebesgeschichte mit Lorenzo wurde von ihm allerdings durch schlechtes Spiel und Inszenierung in die Belangslosigkeit verdammt.
„Der Kaufmann von Venedig“ in Wuppertal ist eine gelungene Shakespaere Inszenierung, die amüsante, emotionale und nachdenkliche Momente hat. Sensationen bleiben leider aus, die freieren Augenblicke kontrovers. Die Einbindung der Italoschnulze „Azzurro“ schafft es aus der Geschmacklosigkeit hin zum anrührend amüsanten und gleichzeitig emotionalen Moment, während die entzündeten Fürze an Geschmack- und Sinnlosigkeit nicht zu überbieten sind.
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Termine: 9., 18., 28. November Karten unter www.theater-oberhausen.de
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