Vor acht Jahren wurde die Extraschicht aus der Taufe gehoben. Mit der Idee, die Vergangenheit nicht zu vergessen, sondern erlebbar zu machen, haben die Ruhrgebiet-Tourismus GmbH (RTG), der Regionalverband Ruhrgebiet (RVR) und der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) sich zusammengeschlossen: In einer Nacht erwachen alte Industriehallen und werden von jungen Künstlerinnen und Künstlern mit neuem Leben gefüllt. Das Konzept schlug ein und setzte Maßstäbe. An vielen Standorten entstanden Kulturereignisse, die einmalig blieben und mit dem Ende der Extraschicht vergingen.
Die ExtraSchicht teilt das Ruhrgebiet in vier Drehscheiben auf, eine davon war dieses Jahr in Bochum. So war Bochum mit fünf Spielstätten allein schon einen Abend wert. Die Privatbrauerei Moritz Fiege erlaubte einen Blick hinter die Kulissen und zeigte, wie aus Brunnenwasser Bier wird. Auf dem Weg mit der Straßenbahn 310 zur Engelsburg fasste ein 5-Jähriger den Spielort gut zusammen: „Papa, fahren wir jetzt dahin, wo die Straßenbahnen schlafen?“ Denn genau das gab es auf der Engelsburg, dem Betriebswerk der Bogestra zu bestaunen: Werkstätten, eine Straßenbahnwaschanlage und die Halle, in der die Straßenbahnen die Nacht verbringen. Der größte Spielort in Bochum war die Jahrhunderthalle mit dem Westpark und dem Bochumer Verein. Während in der Jahrhunderthalle der Klaviermarathon für ruhigere Töne sorgte, brachte der Schmiedehammer des Bochumer Vereins den Boden zum Erzittern. Um die Jahrhunderthalle gab es Lesungen und Theater. In der Nacht verwandelten Hunderte von Kerzen den Westpark in ein Lichtermeer und erhellten die Dunkelheit bis zum Abschlussfeuerwerk. Humoristisch ging es in der Zeche Hannover zu. Und auch das deutsche Bergbau-Museum an der Herner Straße öffnete seine Pforten bis spät in die Nacht.
Oberhausen, Bottrop und Waltrop
Falls man Bochum wirklich verlassen wollte, luden die Drehscheiben in Waltrop, Bottrop und Oberhausen mit einem nicht minder dichten Programm ein. Der Maximilianpark war Bühne für Shakespeares Sommernachtstraum: GauklerInnen und Elfen, JongleurInnen und FeuerspuckerInnen feierten mit Oberon und Titania. Im Gelsenkirchener Nordsternpark ging es sportlich zu: mit Worten! Die Veranstalter luden Improvisationstheatergruppen zu 20-minütigen Theatersportmatches. Außerdem starteten am Nordstern die Schiffe „St. Monika II“ und „Weiße Flotte, Essen“ in Richtung Künstlerzeche „Unser Fritz“ in Herne. In Mühlheim sorgten „Butterfahrt 5“ für Stadionatmosphäre im Wasserturm, und der farbenprächtig illuminierte MüGa-Park lud müde ExtraSchichtlerInnen ein, bei chilliger Musik auf einer von 200 Liegen Platz zu nehmen und den Sternenhimmel überm Revier zu bestaunen.
„Wennse eine Reise tus, kannse was erzählen“
Das der Extraschicht zugrunde liegende Konzept heißt Bewegung. 40 Spielstätten laden zum Verweilen ein, und 40 Spielstätten wollen erreicht werden. Knapp 20 ExtraSchicht-Buslinien verbinden die Spielstätten und werden dabei nicht selten selbst zum sozio-kulturellen Highlight. Bei der Reiseplanung standen die blauen Engel der Veranstalter hilfreich zur Seite. Zwar gab es in den Bussen weder MusikerInnen noch Schauspielende, trotzdem war für Unterhaltung gesorgt. Julia und Philip wurden beim Einstieg in den ziemlich vollen Bus getrennt. Nach drei Minuten Fahrtzeit rief die wohl weg- und ortsunkundige Julia: „Philip, wo müssen wir aussteigen?“ Der genervte Philip darauf zurück: „Gleich!“ Es entspannte sich ein Dialog, der einerseits durch die Lautstärke der leicht angetrunkenen Julia und anderseits durch das Schamgefühl des dies merkenden Philips geprägt war. Mittlerweile hatten sich mehrere Fahrgäste eingeschaltet und versuchten Julia zu vermitteln, was wohl das Ziel ihrer Reise sei. Nach zehn Minuten (und einer Haltestelle) hatte Philip den vorderen Teil des Busses erreicht und teilte seiner Julia in der ihr eigenen Lautstärke mit: „Da hätten wir übrigens aussteigen müssen!“ Der Bus quittierte dies mit grölendem Gelächter. Die Namen wurden zum Schutz der Identitäten von Julia und Philip geändert, ihre Geschichte ist aber exemplarisch dafür, wie viel Spaß man im Bus haben kann, wenn er nicht unter die Verbotstrias der Bogestra fällt (siehe Innenteil).
Terminplanung
Über 160.000 Menschen waren in diesem Jahr zu Gast bei der ExtraSchicht. Wer jetzt glaubt etwas verpasst zu haben, hat nicht nur Recht, sondern muss auch über ein Jahr warten, bis er diesen Fehler korrigieren kann. Merkt Euch am Besten jetzt bereits den Termin. Die 9. ExtraSchicht findet ab 18 Uhr in der Metropole Ruhr am 27. Juni 2009 statt.
rvs
Bilder zum Event von Bertram Generotzky:
Extra Schicht 2008 |
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