Mit dieser Freiheit ausgestattet, fällt es nicht schwer, einen eindeutigen Höhepunkt zu identifizieren. In einem ansonsten eher dürftigen Line-up boten „My Baby Wants To Eat Your Pussy“ aus Mannheim am Samstag ein außergewöhnliches Konzert. Die Band spielte bereits zum dritten Mal bei Bochum Total, wurde aber von mir (unwissenschaftlich für: dem Autor) wegen ihres unmöglichen Bandnamens bisher sträflich ignoriert. „MBWTEYP“ (auch nicht besser) schaffen es, gleichzeitig abwechslungsreich, grotesk und eingängig zu sein und bleiben dabei auch noch immer erfrischend unterhaltsam. Sehr gut. Im Anschluss wurde die Suche nach einem weiteren Konzerterlebnis allerdings vorerst enttäuscht: Paula (Deutsch-Pop) und Jo Hartmann (Deutsch-Rock) erwiesen sich als aus verschiedenen Gründen (ihrer Musik zum Beispiel) als unerträglich. Die Rettung kam mit den Bochumer Ska-Veteranen Alpha Boy School, die auf der Ring-Bühne auf Überraschungen verzichteten und genau das spielten, was die beeindruckend große Menge hören wollte. Genau das Gegenteil tat übrigens am Sonntag Alec Empire. Der Ex-Frontman der legendären Digital-Hardcore Band Atari Teenage Riot machte zwanzig Minuten eben nicht das, was wohl die meisten von ihm erwartet hatten – Krach, Tempo und Geschrei – sondern sorgte mit beinahe ruhigen und vor allem langsamen Songs für Überraschung und leider auch einen sich leerenden Zuschauerraum.
Zum Festivalauftakt am Donnerstag sah es bereits so aus, als müsste der Veranstalter seine hehren Zuschauerzahlenziele wetterbedingt nach unten korrigieren. Wie schon im letzten Jahr hatten die Newcomerbands auf der Heinz-Bühne mit schlechtem Wetter und ausbaufähigem Publikumsandrang zu kämpfen. Arme Ritter, Dewanto, Thoughts Paint the Sky und The Bonny Situation meisterten die Lage aber augenscheinlich souverän. Am gleichen Abend rangen Panik und K.I.Z. um die Gunst der Teenager. Während Panik wohl eher nachdenklich veranlagte NachwuchsrockerInnen zum Schleudern ihrer Kuscheltiere veranlasst haben dürfte („Was würdest du tun, wenn morgen Ende ist, wenn dein Leben dich vergisst?“), sorgten K.I.Z. für eine interessante Publikumsmischung vor der WAZ-Bühne. Immerhin bescheinigt „Die Zeit“ den Berliner Rappern, „harte Reime mit Niveau“ zu liefern und verschafft damit auch Menschen mit intellektuellem Selbstverständnis einen Vorwand, ungehemmt Fäkalhumor zu genießen und sich – voller Stolz auf die eigene Weltoffenheit – mit pöbelnden JunggangsterInnen zu assoziieren. Der Autor (jaja: ich) bekam leider nur noch die letzten Reste des Auftritts der Feuilleton-Darlings zu hören („Es ist vorbei, bye bye Hurensohn“). Immerhin waren K.I.Z. der einzige Act in diesem Jahr, der sich die Bühne mit mehreren PolizistInnen teilen durfte, die wohl noch nicht dazu gekommen waren, „Die Zeit“ zu lesen.
Einheitsbrei
Unterm Strich wirkte das diesjährige Bochum Total etwas weniger euphorisch als in den letzten Jahren. Zwar waren die Massen immer noch in der Lage, das Bermudadreieck in einen Orkus zu verwandeln, der selbst eine Hundertschaft penetranter Junggesellenabschieds-Rudel blass aussehen ließe; der Autor (noch immer: ich) wagt jedoch zu unken, dass ein weniger auf Einheitsbrei á la Donots, Paula und Konsorten ausgelegtes Musikprogramm dem größten Innenstadtfestival des Universums gut zu Gesicht stehen würde.
haje
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